Schauspiel KölnZwischen missglückter Intendantenkür und risikofreudigem Theater

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Stefan Bachmann, Intendant des Schauspiel Köln

  • Nach dem zu Beginn des Jahres bundesweit beachteteten Trauerspiel um die Intendanz des Schauspiel Köln blicken wir zurück auf die Saison.
  • Was war die beste Inszenierung? Wer überraschte? Und was floppte?
  • Eine Bilanz.

Köln – „Es wird lauter und spektakulärer“, hatte Kölns Schauspielchef Stefan Bachmann vor der gerade beendeten Saison angekündigt. Da konnte er nicht wissen, dass das bundesweit meist beachtete Trauspiel der Spielzeit gar nicht im Mülheimer Carlswerk stattfinden würde.

Als Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach im Januar Carl Philip von Maldeghem als neuen Intendanten ab 2021 vorstellten, geriet der am Rhein unbekannte Chef des Salzburger Landestheaters in einen medialen Shitstorm von solider Orkanstärke. Navid Kermani sprach gar von einer „Demütigung“ für die Stadt. All dem hielt der Auserkorene einige Tage stand, um sich dann gegen diese „giftige Grundatmosphäre“ zu entscheiden und an der Salzach zu bleiben.

Bachmanns vorab geäußertem Verlängerungswunsch hatte die Stadt zunächst die kalte Schulter gezeigt, erwärmte sich nach dem Neubesetzungsfiasko dann aber doch für diese Idee. So bleibt der gebürtige Schweizer nun bis Sommer 2023 in Köln. Ein guter Entschluss, wie der Blick aufs Theatergeschehen 2018/19 zeigt.

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Gleich zu Beginn hängte der Hausherr die Messlatte hoch: Seine „Tyll“-Uraufführung nach Daniel Kehlmanns Roman ließ dessen Endzeitschrecken im Wasserspiegel der gefluteten Bühne dunkel schillern. Vom Schlachthaus der Geschichte lenkte Moritz Sostmann mit „Bewohner“ den Blick auf die leiseren Dramen in den Alten- und Pflegeheime. Und zeigte mit dieser rührenden Demenzstudie erneut, welch zarte Nuancen sein Spiel mit Puppen und Menschen ermöglicht.

Eigenwillige Handschriften

Als Dritter im Bund der Hausregisseure reüssiert Rafael Sanchez mit verlässlicher Finesse. Alfred Döblins „Pardon wird nicht gegeben“ faszinierte als packender Abend zwischen Schreien und Flüstern, politischen Abgründen und privaten Katastrophen.

Das bewusst gesteigerte Risiko der Saison zeigte sich in der illustren Liste eigenwilliger Gäste mit starken, durchaus polarisierenden Handschriften. Allen voran Volksbühnen-Veteran und Regieberserker Frank Castorf, dessen Dostojewski-Marathon „Ein grüner Junge“ im Handlungs- und Bühnenbildlabyrinth immer wieder magische Irrlichter entzündete.

Nicht jeder inszenatorische Hochseilakt endete derart glücklich: Pinar Karabulut schickte Tschechows Schwermut auf die Hüpfburg, doch „Drei Schwestern“ taugen eben nur mäßig als Comedy-Heldinnen. Und als es dann nach der Pause plötzlich ernst werden sollte, war das Interesse an Olga, Irina und Mascha leider längst erloschen.

Mit Arnolt Bronnen hatte sich Sebastian Baumgarten einen selten gespielten Autor ausgesucht. „Rheinische Rebellen“, in lodernder Prosa beschworen, mutierten hier durchaus kurzweilig zu Witzfiguren, deren revolutionärer Furor slapstickhaft verpufft.

Die beste Inszenierung der Saison

Robert Borgmann fremdelte hingegen heftig mit Hans Henny Jahnns „Medea“. Dessen sinnlich dampfende Prosa inspirierte den Abend nicht wirklich, der in seinem anti-ekstatischen Stil den Glutkern des Dramas verfehlte. Dass Jason hier von Astrid Meyerfeldt verkörpert wurde, war nur eine Variante des in dieser Spielzeit arg inflationär praktizierten Geschlechtertauschs. Ersan Mondtag leistete da bei Schiller noch gründlichere Arbeit: Sophia Burtscher als intriganter Karl und Lola Klamroth als manipulierter Franz Moor – „Die Räuber“ wurden zum ebenso aparten wie weitgehend sinnfreien Gender-Exempel. Allerdings bewies die schauerromantisch leuchtende Bühne Mondtags berühmtes Gespür für Effekte, während Oliver Frljic mit Brechts „Fatzer“-Fragment seinen Bilderstürmerruf untermauerte.

Selbst wenn bei diesen Gast-Spielen nicht alles glückte, langweilig oder gar niveaulos wirkte es nie. Als größter Flop entpuppte sich „Roughhouse“, der erste Pas de deux von Richard Siegals Tanzensemble und den Kölner Schauspielern. Das Resultat: Tohuwabohu ohne Dynamik.

Und die beste Inszenierung der thematisch wie stilistisch anregenden Saison? Sie glückte Bastian Kraft, der Jean-Paul Sartres komplexes Politgleichnis „Die schmutzigen Hände“ auf rotierender Spiegelkabinettbühne mit visueller Finesse und blitzender Intelligenz zeigte. Alles in allem sieht man: Theater im Interim muss keine halbherzige Sache sein.

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