Serie „Spurensuche“ Traurig exaltierte Festperson - Franz Liszt im Porträt

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Franz Liszt

Ein Popstar seiner Zeit: Franz Liszt, 1858

In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Kölner Zeit vor. Historiker Anselm Weyer hat sich diesmal mit Franz Liszt beschäftigt.

Mit exaltierter Frisur und flinken Fingern war Franz Liszt ein Popstar seiner Zeit, dem die Damenwelt zu Füßen lag. So stark waren die Auswüchse der sogenannten Lisztomanie und der Wunsch, eine Locke des verehrten Idols zu besitzen, dass Liszt sich einen Hund als Haarquelle zulegte. Seinen Ruhm stellte er hierbei häufig in den Dienst von kulturellem Engagement, etwa für den Kölner Dom.

Seine umjubelten Konzerttourneen brachten Liszt 1840 an den Rhein. Hier knüpfte er Freundschaften, etwa mit dem vier Jahre älteren Joseph Maria Lefebvre, Teilhaber der berühmten Pianofortefabrik und des Musikverlags Eck & Comp. in der Cäcilienstraße 40. Mit ihm zusammen wollte Liszt ein Riesenklavier entwickeln, das seinem Riesentalent entspräche. Das Projekt versandete zwar, hinderte Liszt aber nicht, wiederholt hier zu nächtigen. Lefebvre trat schließlich auch an Liszt mit der Frage heran, ob sich vorstellen könne, beim Fortbau des Doms behilflich zu sein. Dessen Finanzierung stand nämlich noch in den Sternen.

Eine Zeichnung des Augustinerpalais.

Hier gab Liszt ein umjubeltes Konzert; der Augustinerpalais.

„Ich weiß nicht, warum“, ließ Liszt verlauten, „kommt es daher, dass die Musik eine Architektur der Töne oder dass die Architektur gefrorene Musik ist … der Anblick einer alten Kathedrale hat mich stehts eigentümlich bewegt.“ Entsprechend erklärte er sich spontan zu einem Benefizkonzert bereit: „Auch ich werde mein Sandkorn beitragen.“ Ein mit Blumen und Flaggen geschmückter Dampfer mit 340 Mitgliedern der philharmonischen Gesellschaft fuhr am 22. August 1841 von Köln den Rhein hinauf. Franz Liszt erwartete das Schiff am Ufer, als es mit Gesang, Kanonendonner und Hurrarufen bei der Insel Nonnenwerth ankam, wo Liszt Wohnung bezogen hatte. Mit Blasinstrumenten an der Spitze ging es in die Klosterkapelle, wo der Kölner Männerchor ein Ständchen darbot.

Beim Festmahl im Rolandseck schmeichelte Liszt seinen Gästen mit einem ausgebrachten Toast. Kein Land besitze etwas Ähnliches wie die Liedertafeln Deutschlands und insbesondere die Liedertafeln am Rhein. Zurück auf Nonnenwerth, ließ Liszt seinen Flügel in die Kapelle bringen und spielte bei offenen Türen für die Menschenmenge ein kleines Konzert. Dann bestieg er den Dampfer nach Köln, begleitet durch Feuerwerk, Musik und begeisterte Hurrarufe. 15 000 Menschen sollen ihn in den illuminierten Straßen empfangen haben. Das Konzert des folgenden Tages im Casinosaal am Augustinerplatz war ein voller Erfolg.

Franz Liszt über einen Besuch in Köln: „Ein Grund zu kommen, 30, um wegzubleiben“

„Kaum zu begreifen ist die Meisterschaft, welche der Künstler auf seinem Instrument entfaltet, das durch ihn ein ganz neues geworden“, staunt die Kölnische Zeitung. „Diese ungeheure Fertigkeit, das Fremdartige des Spiels lässt uns oft vergessen, dass wir einen Flügel hören.“ Liszt beließ es nicht bei einem Dombau-Konzert. Weitere folgten, etwa am 5. Januar 1842 in Berlin. Folgerichtig wandte sich dann auch Wilhelm von Humboldt im Auftrag des preußischen Hofs an Liszt, um ihn zu den großen Feierlichkeiten rund um die Grundsteinlegung zum Fortbau des Doms 1842 einzuladen.

Liszt reagierte zunächst gar nicht und dann verhalten. „Ich habe alles überlegt betreffs meiner Reise nach Köln und entschieden: es gibt für mich nur eine Form zu kommen und 30 Gründe wegzubleiben“, schreibt er seinem Kölner Freund Lefebvre. „Die Kölner Festlichkeiten werden sehr glänzend, sehr königlich sein. Ich bin eine traurige Festperson und fürchte durch meine alleinige und für die Öffentlichkeit bestimmte Anwesenheit aufdringlich, zudringlich, vorlaut etc. zu erscheinen. Um den letzten und für mich hinderlichsten Grund zu nennen – ich fürchte, den Anschein zu erwecken, als ob ich mich einschleichen wollte, um mich wichtig zu machen, wenn ich mich am Rande der großen Straßen einfinde, um erlauchte Gunstbezeugungen zu erbetteln.“

Er erkläre sich aber bereit zu kommen, „wenn das Dombau-Comité es für angebracht hält, mir mit einer Aufforderung, anlässlich des Besuchs des Königs in Eurer Stadt ein Konzert zu geben, eine Ehre zu erweisen.“ So war Liszt nicht bei der Grundsteinlegung anwesend, reist aber kurz später an den Rhein. „Gestern Mittag in Köln angekommen“, schreibt er am 10. September in einem Brief: „Ich bin bei Lefebvre abgestiegen, der mir ein charmantes Appartement vorbereitet hat.“

Am Vormittag des 13. September trat Liszt schließlich auf, diesmal im damals als Tempel-Haus firmierenden Overstolzenhaus, Rheingasse 8. König Friedrich Wilhelm IV. höchstpersönlich wohnte der ersten Hälfte der Aufführung als Zeichen seiner besonderen Gunst bei. Liszt trug als Ehrenmitglied des Central-Dombauverein-Vorstandes das weißrote Band mit der eisernen Vereins-Medaille und begann dem König zu Ehren mit einer Paraphrase von „Heil Dir im Siegerkranz“. „Das Konzert war großartig, obwohl kaum angekündigt – infolge der relativen Unsicherheit des Tages“, berichtet Liszt tags darauf seiner Lebensgefährtin Gräfin d’Agoult.

„Über 1500 Personen drängten sich zum Ersticken in dem großen Saal des Tempel-Hauses. Sie erinnern sich dieses charmanten Hauses, das Ihnen beim Spaziergang mit Madama B. eines Tages auffiel. Es wurde eigens prächtig ausgeschmückt für den Ball, den die Stadt Ihren Majestäten gab. Für mich ist es ebenso unerhört wie unerwartet: Lefebvre und andere hatten mit höchstens 600 bis 700 Besuchern gerechnet.“ Später flaute das Verhältnis zwischen Köln und Liszt ab. Als sein damaliger Freund Ferdinand Hiller nach Paris berufen wurde, trug man Liszt vergeblich die Leitung der Rheinischen Musikschule an. Und als es wenig später in Mode kam, über den Komponisten Liszt zu spotten, kamen etliche Wortführer aus Köln. Seine Verdienste für den Dombau waren plötzlich vergessen.

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