Die Deutsche Welle berichtet über die Radikalisierung junger Menschen – und erntet Zorn aus den USA. Nachvollziehbar ist die Attacke nicht.
Wütende X-Beiträge„Verhöhnt Religion“ – US-Regierung attackiert Deutsche Welle

Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, zusammen mit US-Präsident Donald Trump. Grenell hat nun die Deutsche Welle scharf attackiert. (Archivbild)
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Der stellvertretende US-Außenminister Christopher Landau hat die Deutsche Welle attackiert und dem deutschen Auslandssender „von deutschen Steuerzahlern finanzierte Propaganda der extremen Linken“ vorgeworfen. „Zu lange haben die USA tatenlos zugesehen, wie staatlich finanzierte europäische Medien einen stetigen Strom voreingenommener antiamerikanischer und antiwestlicher Propaganda verbreiten“, behauptete Landau in einem Beitrag auf der Plattform X und kündigte an: „Es ist Zeit für Rechenschaft!“
Zuvor hatte sich Richard Grenell, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland und nunmehriger Sondergesandter für Sondermissionen von US-Präsident Donald Trump, mit ähnlich schrillen Vorwürfen zu Wort gemeldet. „Dieses linke Medium wird vom deutschen Volk finanziert. Es ist unglaublich voreingenommen“, schrieb Grenell bei X, der als Vertrauter des US-Präsidenten gilt.
Vertrauter von Donald Trump geht bei X auf Deutsche Welle los
„Es verspottet und verhöhnt regelmäßig Religion und religiöse Menschen – und bezeichnet alle Konservativen als extrem“, behauptete der Ex-Botschafter weiter. Die deutsche Politik müsse aufhören, Nachrichtenorganisationen zu finanzieren, „die eindeutig parteiisch“ sind, forderte Grenell. „Das ist kein Journalismus. Es ist eine linke Agenda, die Deutschland auseinanderreißt.“ Belege für seine Anschuldigungen legte Grenell ebenso wie Landau nicht vor.
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Anlass für die wütenden Wortmeldungen, die inhaltlich an frühere Attacken der US-Regierung auf deutsche Medien und Journalisten anknüpfen, war ein X-Beitrag der Deutschen Welle, in dem es um die wachsende Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen geht.
Deutsche Welle berichtet über Radikalisierung von jungen Menschen
„In Deutschland haben sich viele junge Menschen dem religiösen und rechtsextremen Extremismus zugewandt. Was kann getan werden, um der zunehmenden Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken?“, schrieb der Auslandssender dazu. Für Grenell und Landau offenbar genug für einen Wutausbruch.
Inhaltlich widmet sich das Stück der Deutschen Welle vorrangig dem Problem islamistischer Radikalisierung, auch anhand eines Falles aus Leverkusen, wo im Jahr 2023 ein 15- und ein 17-Jähriger geplant hatten, einen Weihnachtsmarkt anzugreifen. Beide waren Unterstützer des „Islamischen Staates“ hatten geplant, so viele Menschen wie möglich zu töten.
Fokus auf islamistischem und rechtsradikalem Extremismus
„Fälle wie dieser bereiten den deutschen Sicherheitsbehörden zunehmend Sorge“, heißt es in dem Text. Das Bundeskriminalamt verzeichne seit Jahren einen Anstieg der Gewaltkriminalität. Die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen unter 18 Jahren sei seit 2019 um fast ein Drittel gestiegen, die Zahl der Tatverdächtigen unter 14 Jahren sogar um zwei Drittel, berichtete der Auslandssender.
Auch rechtsextremistische Radikalisierung wird in dem Stück thematisiert, etwa anhand der Gruppe „Jung & Stark“, die auf Instagram aktiv ist. Für viele junge Menschen seien solche rechtsextremen Gruppen der „Einstieg in den Rechtsextremismus“, zitierte die Deutsche Welle einen Bericht des Verfassungsschutzes. Zudem kommt das in Berlin ansässige Violence Prevention Network (VPN) zu Wort.
DW lässt Nichtregierungsorganisation zu Wort kommen
Die Nichtregierungsorganisation sei ein „wichtiger Partner“ für Sicherheitsbehörden, berichtete die Deutsche Welle. Dort setzt man auf Dialog und Gespräche mit den Jugendlichen, um einer Radikalisierung vorzubeugen. „Wenn wir diese Kommunikationsfähigkeit verlieren, dann haben die Extremisten gewonnen“, zitiert der Bericht den VPN-Geschäftsführer Thomas Mücke.
Die Folgen der Corona-Pandemie seien zudem ein großer Faktor, heißt es von den Experten. Viele junge Leute hätten ihr gesagt, dass in dieser Zeit niemand für sie da gewesen sei, berichtet Expertin Feride Aktas. Solche Mädchen und Jungen fühlten sich später einsam, auch wenn sie in einer Gruppe sind, erklärte Aktas. „Und dann finden sie anderswo Verbindungen, die sie auf verschiedene Weise in Rechtsextremismus oder islamistischen Extremismus hineinziehen können.“
Attacken von Grenell und Landau inhaltlich nicht nachvollziehbar
Auf welcher Grundlage die Vorwürfe von US-Sonderbotschafter Grenell und dem stellvertretenden Außenminister Landau basieren, ist anhand des kritisierten Textes nicht nachvollziehbar. An keiner Stelle „verspottet“ der Text Religionen oder religiöse Menschen, wie Grenell behauptet. Auch der Vorwurf, die Deutsche Welle würde „alle Konservativen als extremistisch“ bezeichnen, ist anhand des Artikels nicht nachvollziehbar.
Der Auslandssender hat bisher nicht auf die Anwürfe reagiert. Bei deutschen Journalistinnen und Journalisten war angesichts der Attacke auf den deutschen Auslandssender in den sozialen Netzwerken unterdessen von amerikanischen „Fake News“ und „Hetze“ die Rede.
Ex-Botschafter greift immer wieder deutsche Presse an
Die Äußerungen von Grenell und Landau können jedoch im Kontext vorherige Attacken auf angeblich zu „woke“ deutsche Medien und Journalisten betrachtet werden. Rund um die Ermordung des rechtspopulistischen US-Aktivisten Charlie Kirk hatte Grenell bereits harte Attacken auf den ZDF-Korrespondenten Elmar Theveßen gefahren.

Christopher Landau, hier bei einem Besuch in Bolivien, ist der stellvertretende US-Außenminister. (Archivbild)
Copyright: AFP
Grenell hatte den Leiter des ZDF-Studios in Washington unter anderem als linksradikal bezeichnet und gefordert, ihm das US-Visum zu entziehen. Der Trump-Vertraute behauptete, Theveßen rufe immer wieder zu Gewalt gegen Menschen auf, mit denen er politisch nicht übereinstimme.
US-Regierung verschärft Kurs gegen die freie Presse
Das ZDF ging auf diese Argumentation nicht ein und teilte knapp mit, man nehme die Aussagen zur Kenntnis. Grenell war von 2018 bis 2020 - in Trumps erster Amtszeit – Botschafter der USA in Deutschland und in dieser Zeit immer wieder mit seiner eher undiplomatischen Art angeeckt.
Die US-Regierung hat ihren Kurs gegen die freie Presse seitdem verschärft. Ende August wurde bekannt, dass Washington generelle Einschränkungen bei Journalisten-Visa plant. Sie sollen künftig für maximal 240 Tage ausgestellt werden. Bisher sind sie bis zu fünf Jahre lang gültig. Die deutsche Bundesregierung sprach daraufhin von einer „objektiven Verschlechterung“.
Reporter ohne Grenzen kritisiert Vorgehen der US-Regierung
Auch von Reporter ohne Grenzen kam scharfe Kritik an den Plänen. „Wir sind besorgt über die Auswirkungen, die die geplanten Visabeschränkungen auf die Berichterstattung über die USA haben könnten“, erklärte Geschäftsführerin Anja Osterhaus in einer Pressemitteilung.
„Seit Beginn von Trumps zweiter Amtszeit werden die Bedingungen für kritische Medien in den USA schrittweise verschlechtert. Und jetzt plant die Regierung, mit der strengeren Visavergabe die Berichterstattung über die USA im Ausland, also auch in Deutschland, stärker unter ihre Kontrolle zu bringen“, erklärte Osterhaus weiter. Reporter ohne Grenzen appellierte deshalb an deutsche Medienhäuser, sich von solchen Plänen nicht einschüchtern zu lassen.

