Der Komponist und Opernsänger Valentin Ruckebier widmet sich auch dem Liedgesang. Eine Kostprobe gibt es beim letzten Konzert der Saison in der Reihe „Im Zentrum Lied“ in Köln.
Valentin Ruckebier vor Konzert in Köln„Moderne Musik ist kein verstaubtes Ding“

Der Komponist und Opernsänger Valentin Ruckebier im Interview.
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Es klingt gedämpft. Als sei der Kopf unter Wasser getaucht. Fern wummern Maschinen, wispern menschliche Stimmen. Es dröhnt immer beängstigender bis zum abrupten Schnitt. Dann setzt ein aufrüttelnder Gesang ein und entfaltet seine Kraft, schwillt an und verebbt.
Opernsänger und Komponist
Der 1997 in Wuppertal geborene Komponist Valentin Ruckebier erzeugt Spannung ganz unmittelbar, baut wunderbaren Liedgesang ein und setzt ihn mit akustischen Reizen aus einer Art Lärm-Verschmutzung und ungewöhnlichen Tonartwechseln in Kontrast. Wie in seiner Komposition „Thoughts Before Leaving“ (Gedanken vor der Abreise).
Inspiriert war er dabei von Madrigalen des italienischen Komponisten Carlo Gesualdo (1566 –1613), den es in den Wahnsinn trieb. Sein Lied „Le Léthé“ (das Vergessen) wiederum nach einem Gedicht von Charles Baudelaire (1821 – 1867) wird am 15. Juni, 18.30 Uhr, im Kammermusiksaal des Humboldt-Gymnasiums in der Reihe „Im Zentrum Lied“ zu hören sein.
Als „Amuse-Oreille, als musikalische Umsetzung der Idee, erklingt es zwischen den beiden Teilen des Hauptkonzerts von Stephan Genz (Bariton) und Eric Schneider (Klavier) mit Mahler, Brahms und Duparc. Ruckebier widmete das Stück seiner Kommilitonin von der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule, der Mezzosopranistin Luzia Ostermann, die an dem Abend singt und von Gustas Raudonius am Klavier begleitet wird.
Ruckebier selbst nahm 2017 an der Musikhochschule in Düsseldorf zusätzlich ein Gesangsstudium bei Konrad Jarnot auf. Im vergangenen Jahr gewann er den ersten Preis im Bundeswettbewerb Gesang (Bass). Seit 2022 ist er Mitglied des Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein. Zu seinen Kompositions-Lehrern zählen David P. Graham, Manfred Trojahn und Oliver Schneller, bei dem er sein Examen machte.
Die Balance zwischen seinen beiden Berufungen zu finden, sei nicht immer einfach: „Meine Utopie ist, dass ich in einer Saison immer ungefähr fünf Monate singe und fünf Monate komponiere.“ Kreativer sei es, Musik zu schreiben. Die Arbeit auf der Opernbühne ist wiederum Quelle der Inspiration für ihn.
In seiner Oper „The Fight to Egypt“ (Der Kampf gegen Ägypten), die im Dezember 2021 im italienischen Modena uraufgeführt und danach im österreichischen Linz und Novi Sad in Serbien gespielt wurde, erzählt er von einem jungen Paar, das mit dem Kind auf der Flucht ist. Ein so historisches wie zeitloses Thema. „Ich glaube, dass Kunst und Musik dazu beitragen, eine neue Ebene in sich selbst zu entdecken, sich zu ergründen. Ich sage es mal so, eine psychonautische Erfahrung zu machen“, sagt Ruckebier.
Die Wissenschaft der Nautik, der Steuermannskunst, passt gut zu seinem Arbeitsstil, der sich archaischen Themen wie Flucht oder Apokalypse wie in einem großen Ozean nähert. Eine Skizzenkladde trägt der 25-Jährige immer bei sich. Darin notiert er auf Karten mit unterschiedlichen Farben seine Einfälle in den Rubriken Musik, Story, Text, Wort und Bild seine Ideen.
Im Komponierhäuschen
Später in seinem Komponierhäuschen mit einem Fliederbusch vor dem Fenster arbeitet er es aus. Die Trennung von Komponieren und meinem Alltagsleben ist gut“, sagt er. Zwischen der zweigleisigen Arbeit gelte es ja auch noch, das Privatleben hinein zu basteln. Und er liest viel: „Ich wünschte, es wäre noch mehr. Aber wenn ich zu einer Sache alle philosophischen Strömungen lese, fehlt mir die Inspiration. Ich muss nicht alles analytisch verstehen, manchmal lasse ich die Dinge bewusst im Unvollständigen, so dass es bei der emotionalen Verzauberung bleibt.“
Das Lied als Genre mag er besonders. „Vor allem das moderne Lied reizt mich.“ Da kann sich der Sänger am kreativsten ausdrücken.“ Es sei ein sehr intimes Genre der Kammermusik. Im Vergleich zur Oper passiere dort zwar wenig. Aber: „Es kann ganz leise werden, so dass einfach Stille passiert. Diese Freiräume machen das Ganze sehr fragil. Und das reizt mich.“
Moderne Musik sei kein verstaubtes Ding, gerade im Musiktheater bewege sich derzeit einiges. „Theater ist stylish, viele Jugendliche haben Interesse daran. Da kann man Geschichten erzählen, die in ihrer Intensität auch das unerfahrene Publikum emotional mitreißen können.“
Kann die Künstliche Intelligenz das Komponieren übernehmen? „Wenn teilweise zufällig etwas am Computer passiert und es gefällt mir, dann nutze ich es auch. Aber gezielt habe ich noch nicht mit der KI komponiert. Die Technik wird immer mehr Einfluss gewinnen. Aber der Mensch als Künstler trifft die initiale Entscheidung. Und Kunst entsteht auch durch das Fehlerhafte, und die KI hat kein Unterbewusstsein.“