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GrundsteinlegungWallraf-Anbau soll Wendepunkt für Kölns Museen werden

7 min
Der Anbau des Wallraf-Richartz-Museums, wie er laut einer Visualisierung nach der Fertigstellung aussehen soll.

Der Anbau des Wallraf-Richartz-Museums, wie er laut einer Visualisierung nach der Fertigstellung aussehen soll. 

Nach über 20 Jahren wird am Dienstag symbolisch der Grundstein für den Wallraf-Anbau gelegt. Das 130-Millionen-Euro-Projekt soll Kölns Museumslandschaft einen Wendepunkt bescheren – und die Sammlung Corboud endlich angemessen präsentieren.

Dieser Stein muss weit mehr aushalten als eine tonnenschwere Last. Auf ihm ruht unermessliche Hoffnung. Wenn heute symbolisch der Grundstein für den Anbau des Wallraf-Richartz-Museums gelegt wird, soll das im besten Fall den Wendepunkt für Kölns bestehende Museumslandschaft markieren. Denn die Häuser in städtischer Verwaltung ächzen unter einem enormen Sanierungsstau (siehe Infotext weiter unten). Böse Zungen sagen, es wird noch so weit kommen, dass zeitgleich keines der bestehenden städtischen Museen an angestammter Stelle seine Sammlung präsentieren kann. Das lässt ermessen, wie schwer die Hoffnung wiegt, die diesem Stein aufgebürdet wird. Er ist damit mehr als „bloß“ ein Grundstein, nämlich zudem noch ein Meilenstein, durch den eine neue Entwicklung angestoßen wird.

Corboud: Das Geschenk mit Bedingungen

Angefangen hat es mit einem Geschenk. Denn nichts anderes war im Grunde die „ewige Leihgabe“ des leidenschaftlichen Kunstsammlers Gérard J. Corboud an die Stadt Köln. Rund 170 Werke des Impressionismus wollte der Schweizer Unternehmer im Wallraf-Richartz-Museum einer breiteren Öffentlichkeit zugängig gemacht sehen. Dass dieses Geschenk an Köln ging, daran hatte auch Corbouds Frau Marisol Anteil als echtes „kölsches Mädchen“. Sie erwärmte über bereits bestehende Bande hinaus das Herz ihres Mannes für ihre Heimatstadt. Doch das Geschenk war an eine Bedingung geknüpft, an eine durchaus nachvollziehbare: Die Sammlung sollte gebührend präsentiert werden. Oder anders ausgedrückt: nicht im Depot versauern. Der Platz in dem 2001 eröffneten Museumsbau des Architekten Oswald Mathias Ungers war dafür nicht ausreichend. Die Stadt erklärte sich zu einem Anbau bereit. Es wurde ein Vertrag zwischen der Verwaltung und der Stiftung Fondation Corboud über Leihgabe und ihre Präsentation unterschrieben.

Jahre des Stillstands in Köln

Das Baufeld dafür war schnell gefunden, direkt im Schatten der östlichen Hausfront des Wallraf-Richartz-Museums. Doch so schnell es gefunden war, so langsam ging es von da an voran. Weder fand eine regelrechte Baugrundsondierung dieses historischen Bodens in Kölns Altstadt statt, noch wurden Pläne für den Anbau geschmiedet. Vielmehr wurde das Areal Zwischennutzungen zugeführt. Unter anderen die Kölner Verkehrs-Betriebe stellten dort Baumaschinen und Baumaterialien ab. So gingen die Jahre ins Land, bis 2011 die Stifterrat Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud die Initiative übernahm, damals noch unter dem Vorsitz des Verlegers Alfred Neven DuMont. Die Stiftung lobte einen Architektenwettbewerb aus. Wenn das in der Hoffnung geschah, das Projekt werde dadurch Fahrt aufnehmen, so war die Hoffnung trügerisch. Wieder gingen die Jahre ungenutzt ins Land.

Hohlräume gefunden

2022 geschah dann das, was nach Meinung des neuen (seit 2015) Stifterratsvorsitzenden, Peter Jungen, schon vor dem Architektenwettbewerb hätte stattfinden müssen: eine Baugrundsondierung. Und sie barg eine böse Überraschung. Es wurden Hohlräume im Baugrund gefunden. Oder wie es Jungen ausrückte: „erhebliche Hohlräume“. Sie gehen wohl auf ehemalige Kellerlagerräume eines Kaufhauses zurück, das sich dort befunden hatte. In einer Sachstandsmeldung der Stadt hieß es dazu nur lapidar, dass nun Umplanungen notwendig seien. Es musste über nicht weniger als die Neuplatzierung der Fundamente nachgedacht werden.

Das bestärkte Peter Jungen, der im Laufe seiner Kariere auch Vorstandsvorsitzender der Deutschen Strabag AG in Köln war, in seiner Forderung, das Projekt „Wallraf-Anbau“ müsse von einem Projektmanager in die Hand genommen werden. Das Vertrauen in die Fähigkeiten der Stadtverwaltung als Bauherrin hatte er in den über 20 Jahren nach der „ewigen Leihgabe“ verloren. Jungen machte es sich als Vorsitzender der Stiftung mehr und mehr zur Aufgabe, die Stadt vor sich herzutreiben. Unter anderem hatte er monatliche Gespräche zwischen ihm und Kölns Baudezernenten Markus Greitemann angesetzt. Zweimonatlich traf sich auf sein Drängen eine Steuerungsgruppe für das Projekt. 2023 wurde der Unternehmer sowie Professor und Studiendekan für internationales Projektmanagement an der Hochschule für Technik in Stuttgart, Jürgen Marc Volm, Projektmanager für den Anbau. Das Volm später von der Stadt Köln auch noch zum Projektmanager für die Sanierung der Bühnen mit der berühmt-berüchtigten Opernbaustelle ernannt wurde, war für Jungen eine Genugtuung. Im Mai 2024 dann der symbolische erste Spatenstich für die Tiefbauarbeiten. Und Jungen drängte auch auf den Termin für die Grundsteinlegung. Eine kleine, aber durchaus heftige Auseinandersetzung zwischen ihm und der Stadtverwaltung über Quecksilberfunde auf dem Baugelände drohte zwar kurzfristig den Termin zu kippen. Doch er konnte gehalten werden.

Ein Bauwerk der Möglichkeiten

Eigentlich eine Geschichte, die wenig geeignet zu sein scheint, um in eine leuchtende Zukunft zu weisen. Doch um das Licht in der Ferne dennoch zu sehen, muss ein Gespräch mit Marcus Dekiert geführt werden, Direktor des Wallraf-Richartz-Museums & Fondation Corboud, so der offizielle Name des Hauses im Zuge der Leihgabe. Der Anbau wird ihm, seinem Team, seinem Haus ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Das voraussichtlich 130 Millionen teure Bauwerk wird mit einem unterirdischen Verbindungsbauwerk an den Bestandsbau angeschlossen. Das Untergeschoss des Ungersbaus wird dadurch zu einem Übergang in das Erdgeschoss des Erweiterungsbaus. „Unser jetziges Untergeschoss erhält dadurch eine Doppelfunktion“, sagt Dekiert. Der Direktor will die Besucher durch die Werke des 18. Jahrhunderts im Untergeschoss des Bestandsbau zu den Werken der Romantik im Erdgeschoss des Neubaus überführen. Die Meisterwerke von Caspar David Friedrich und Zeitgenossen bilden also den „künstlerischen Grundstein“ des Anbaus. „Das erste Obergeschoss werden wir den Werken des Realismus und Symbolismus widmen“, blickt Dekiert in die Zukunft. Das zweite Obergeschoss werde dann die Heimstätte der Impressionisten werden – und damit auch der Sammlung Corboud. „In Szene gesetzt von dem Tageslicht, das wir dort haben“, schwärmt der Museumsdirektor.

Dekiert freut sich hörbar auf die Möglichkeiten, die sich durch den Anbau eröffnen. Das Wallraf-Richartz-Museum verfügt mit Werken von unter anderem Manet, Monet, Renoir, Gauguin und van Gogh über zahlreiche impressionistische Glanzlichter. Diese möchte das Museum mit den rund 170 Werken aus der Sammlung Corboud immer wieder neu kombinieren, unter immer neuen Aspekten und Gesichtspunkten der Öffentlichkeit präsentieren. Es sind unendliche Möglichkeiten, die sich dem Museumsteam da eröffnen.

Genau dieses Konzept wünscht sich auch der Vorsitzende der Stiftung, Peter Jungen: „Die Sammlung Corboud und die Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums ergänzen sich perfekt, die Kunstwerke können in einen Dialog miteinander treten.“ Jungen spricht von „dynamischen Ausstellungskonzepten“, die sich durch Kombinationsmöglichkeiten ergäben. Er ist sich sicher: Wird ein solches Konzept mit den Möglichkeiten der Digitalisierung kombiniert, werde das Wallraff-Richartz-Museum „Strahlkraft über den gesamten deutschsprachigen Raum hinweg entwickeln“.

Soweit die vordergründigen Effekte des Anbaus. Es gibt aber auch „hintergründige“. Bisher ist das Obergeschoss des Bestandsbaus für die Präsentation der Kunst aus dem 19. und 20. Jahrhundert vorgesehen. Dekiert ist von diesem Grundsatz immer wieder mal abgewichen, hat dort auch Sonderausstellungen präsentiert. Nun wird diese Etage durch den Anbau frei. „Wir werden dort dauerhaft die Sonderausstellungen präsentieren“, kündigt der Museumsdirektor Dekiert an. Ein weiter „Nebeneffekt“: Durch den Anbau gewinnt das Wallraf-Richartz-Museum nicht nur rund 1000 Quadratmeter an zusätzlicher Ausstellungsfläche, es kommen auch rund 500 Quadratmeter an Funktionsfläche dazu, von denen einige als zusätzliches Depot dem Hause zugutekommen. Ein Zugewinn, den Dekiert bei den zahlreichen Schätzen seines Hauses als nicht zu klein gewertet wissen will.

Hand in Hand mit der Sanierung

Doch bevor Dekiert mit seinem Haus diesen hellen Gipfel erreichen kann, muss er ein dunkles Tal durchschreiten. Denn auch das Wallraf-Richartz-Museum bleibt nicht von einer Sanierung verschont. Die Mängelliste weist nicht weniger als 40 Punkte auf – und das gerade mal 25 Jahre nach der Inbetriebnahme des Gebäudes. Die Frischwasser- und Abwasserleitungen sind durchgerostet. Sicherheitstechnik und Aufzüge sind „am Ende ihrer Lebenszyklen“, wie es Baudezernent Markus Greitemann ausdrückte. „Wir müssen an die Substanz des Gebäudes ran“, lautete sein Fazit. Auch diesen „Fall“ wird Projektmanager Volm übernehmen, denn der Neubau des Anbaus und die Sanierung des Bestandsgebäudes sollen Hand in Hand gehen. Volm hat für beide Vorhaben einen engen Zeitplan geschnürt. Das Wallraf-Richartz-Museum wird im September 2026 geschlossen. Ein Interim soll es nicht geben, denn bereits im April 2028 werde die Sanierung des Bestandsgebäudes durchgeführt und dann auch der Anbau fertiggestellt sein, stellte der Projektmanager bei der Vorstellung des Konzeptes in Aussicht. Stiftungsvorsitzender Jungen ist auch an diesem Punkt unerbittlich: „Dass das Ende der Sanierung und die Eröffnung des Anbaus 2028 zeitgleich erfolgen, ist Bedingung“, sagt er.