Lutherkirche überstand auch Fliegerangriff

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POPPELSDORF. „Eine feste Burg ist unser Gott“ steht in Stein gemeißelt über dem Portal der Lutherkirche. Ein in doppeltem Sinne treffender Ausspruch für das Gebäude der evangelischen Kirchengemeinde an der Reuterstraße, das am 18. Februar 1903 (dem Todestag Luthers im Jahre 1546) als Neue Evangelische Kirche geweiht wurde. Zum einen, weil sie seit 1947 nach dem großen Reformator Martin Luther, der Autor des gleichlautenden Liedes ist, benannt ist und zum anderen, weil sie als einzige evangelische Kirche in Bonn den Zweiten Weltkrieg überstanden hat. Beim Fliegerangriff vom 18. Oktober 1944 gingen nur Fenster der Lutherkirche zu Bruch. Am Dienstag feiert die Gemeinde mit einem Festakt um 18.02 Uhr das 100-jährige Bestehen der Kirche. Auch dabei wird übrigens die Reformations-Symphonie „Eine feste Burg ist unser Gott“ von Felix-Mendelssohn-Bartholdy in der Originalbearbeitung für Klavier zu vier Händen aufgeführt. Kantor Berthold Wicke wird gemeinsam mit Christoph Hamm, dem Organisten von St. Sebastian, spielen - auch ein Symbol für die fruchtbare Ökumene in Poppelsdorf, die sich auch in der zum Jubiläum erschienenen Festschrift ausdrückt.

1817 waren in der Bürgermeisterei Poppelsdorf gerade mal elf Protestanten gezählt worden. Bis 1910 stieg ihre Zahl bis auf über 4000 durch die Universität und Industrieansiedlung wie die Schreibwarenfabrik Soennecken. 1897 baten die Poppelsdorfer Gemeindemitglieder der Evangelischen Gemeinde Bonn ihr Presbyterium schriftlich, eine neue Kirche in ihrem Einzugsbereich zu bauen. Seit 1892 hatten sie einen Kindergarten mit Betsaal in der Sternenburgstraße besessen. Nach dem Grundstückskauf 1898, gab es im Folgejahr einen Planungswettbewerb, den die Architektenfirma Vollmer & Jassoy, Berlin, für ihren rechteckigen Saalbau in „maßvollen edlen Formen der deutschen Renaissance“ gewann. Der Grundsteinlegung 1901 folgte 1903 die Einweihung der Kirche.

3500 Mitglieder hat die Lutherkirche derzeit, hat Pfarrerin Ulrike Veermann überschlagen. Eine von ihnen ist die gebürtige Bonnerin Lieselotte Fink (83), die Zeit ihres Lebens in der Südstadt gelebt und die Hindenburgschule in Kessenich besucht hat. An einem Palmsonntag wurde sie in der Lutherkirche konfirmiert. „Die Mädchen und Jungen trugen damals schwarze Kleider und Anzüge“, erzählt sie. In der Schule wurden Katholiken und Protestanten getrennt. „Wir haben uns immer gegenseitig beschimpft. Aber das war nur Spaß. Ich hatte viele katholische Freundinnen und bin manchesmal mit ihnen zusammen heimlich in die katholische Kirche gegangen. Da ging es häufig viel feierlicher zu“, erinnert sie sich. So wie Lieselotte Fink haben einige Gemeindemitglieder bedauert, dass 1953 mit der Neugestaltung des Innenraumes der Lutherkirche, die gesamte Ornamentausmalung durch einen grünblauen und weißen Anstrich verschwand und die Lutherkirche nüchterner wurde.

Derzeit diskutiert das Presbyterium eine Neugestaltung des Innenraumes, die von marginalen bis zu grundlegenden Veränderungen reicht. Bis Ende des Jahres soll es einen Vorschlag geben mit Beteiligung aller Gemeindemitglieder, berichtet Pfarrerin Veermann. Nicht nur in dieser wichtigen Angelegenheit beweist die Lutherkirchengemeinde ihre Offenheit - in den 80er Jahren bot der kleine Friedenskreis der Lutherkirche Gegnern und Befürwortern der Nachrüstung Raum für Diskussionen, Andachten und Friedensnächte. Bis heute hat sich ein lebendiges Gemeindeleben erhalten.

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