Was tun?Outdoorbekleidung hat denkbar schlechte Ökobilanz

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Forscher haben Mikroplastik-Partikel auch schon in menschlichen Stuhlproben entdeckt.

Forscher haben Mikroplastik-Partikel auch schon in menschlichen Stuhlproben entdeckt.

Die Umweltbilanz von Outdoor-Kleidung ist erschreckend. Warum? Weil viele Rohstoffe und Chemikalien bei der Produktion eines einzelnen Kleidungsstücks notwendig sind. Dabei gilt: je mehr „Hightech-Funktionen“ verarbeitet werden, desto höher ist der Einsatz von Energie und Chemie.

Was macht Outdoor-Kleidung so umweltschädlich?

Per- und polyfluorierte Chemikalien, kurz PFC. Claudia Staude vom Umweltbundesamt erklärt, dass es sich um eine unnatürliche, von der Industrie produzierte Stoffgruppe handelt, die bereits bei der Herstellung von PFC-haltigen Produkten in die Umwelt gelangt. Es gibt flüchtige PFC, die eingeatmet werden, und stabile wasserlösliche PFC, die in Gewässer gelangen, weil sie in den Klärwerken nicht richtig gefiltert werden. „Der Mensch nimmt die meisten PFC über seine Nahrung, die Luft und verunreinigtes Trinkwasser auf“, weiß die Chemikalienexpertin. Einige PFC reichern sich in Organismen an und können bis in die Arktis nachgewiesen werden. Greenpeace fand Rückstände in der Leber eines grönländischen Eisbären und warnt: „Sogar im Nabelschnurblut von Neugeborenen findet man die Chemikalie. Dies ist besorgniserregend, da PFC vergleichsweise lange im menschlichen Körper zirkulieren“.

Zwiebellook

Am besten angepasst an Kälte und wechselnde Temperaturen ist man mit mehreren Schichten Kleidung. Luft zwischen verschiedenen Schichten wirkt isolierend. Das Zwiebelprinzip funktioniert mit drei Schichten: Die untere nimmt den Schweiß der Haut auf und leitet ihn weiter zur zweiten Schicht, die für die Wärmeisolierung zuständig ist. Gegen Regen und Wind helfen darüber Stoffe, die wasserabweisend sind. Das Prinzip findet seine Anwendung sogar im höchsten Norden bei zweistelligen Minusgraden.

Wo ist PFC verarbeitet und warum?

In allen Outdoor-Ausrüstungen – also Schuhen, Rucksäcken, Schlafsäcken und Zelten. Es ist fett- und wasserabweisend, atmungsaktiv und besonders stabil. Eine Regenjacke besteht aus mindestens zwei wasserabweisenden Schichten; der Membran, die den Feuchtigkeitshaushalt reguliert, und der Deckschicht, die Wasser abperlen lässt. In beiden Schichten kommt PFC zum Einsatz, um genau das zu gewährleisten.

Wie ist die Marktlage?

PFC-freie Funktionskleidung zu finden ist noch relativ schwierig. Der deutsche Outdoor-Ausrüster Globetrotter berichtet von einem niedrigen einstelligen Anteil an PFC-freier Kleidung im Sortiment, aber auch von gestiegenem Kundeninteresse. Der Hersteller Vaude kann bereits jetzt auf eine komplett PFC-freie Bekleidungskollektion verweisen. Jack Wolfskin zieht nach und bietet ab kommendem Jahr PFC-freie und recycelbare Kleidung an. Andere Produzenten haben sich das Ziel gesetzt, bis 2020 auf PFC zu verzichten.

Wo liegen die Schwierigkeiten in der Produktion?

PFC existiert in der Umwelt und in den Fertigungsprozessen der Industrie. Um PFC-frei zu produzieren, muss der Hersteller zunächst die gesamte Entwicklungsstraße von per- und polyfluorierten Chemikalien säubern. „Die Belastungen in den Maschinen und in den Produktionsabläufen ist einfach vorhanden. Das ist eine Schwierigkeit und ein großes Problem“, sagt Fachjournalist Ralf Stefan Beppler. Aber auch die Suche nach zertifizierten Rohstoffen kostet die Unternehmen Zeit.

Wie lässt sich die Umweltverträglichkeit erkennen?

Textilzertifikate stellen sowohl die Umweltbilanz eines Kleidungsstücks fest, als auch dessen faire und sichere Produktion. Das Label Öko-Tex-Standard 100 versichert gesundheitliche Unbedenklichkeit und sozial- und umweltfreundliche Produktionsbedingungen. Auch Bluesign prüft verwendete Textilien auf Nachhaltigkeit und achtet auf einen sicheren Herstellungsprozess für Mensch und Umwelt. Bei undurchsichtigen Kennzeichnungen kann man mit einer App des Bundesumweltamtes spezifische Produktinformationen abfragen. Mit „Scan4Chem“ wird der Produkt-Barcode gescannt und damit eine Anfrage an den Hersteller gesendet. Sollte das Produkt besorgniserregende Chemikalien haben, muss der Hersteller dies mitteilen. Sollte die Antwort ausbleiben, rät das Bundesumweltamt den Vorfall der zuständigen Kontrollbehörde im eigenen Bundesland zu melden.

Gibt es Alternativen?

Es werden bereits Versiegelungen aus Bienenwachs und PFC-freie Imprägnierungen wie Paraffine und Silikone verwendet. Loden, eine Wolle aus der zweiten und dritten Deckschicht ist eine Alternative vor Feuchtigkeit. Auch Melasse, ein Nebenprodukt bei der Zuckerherstellung, kommt bei einem Outdoor-Hersteller zum Einsatz. Zur Schutz vor Kälte werden neben bekannten Naturmaterialien wie Wolle, auch neuartige Rohstoffe verarbeitet. Vaude setzt auf die Früchte des Kapokbaumes, dessen Inneres wie Watte aussieht und eine besonders gute Wärmespeicherung verspricht. Jack Wolfskin benutzt in der aktuellen Kollektion Futterstoffe aus 100 Prozent recyceltem PET. Für Ralf Stefan Beppler ist Hanf der Rohstoff der Zukunft. Als nachwachsende Ressource biete es Komfort mit natürlichem UV- und Geruchsschutz und ist extrem robust.

Wie pflege ich die Kleidung?

Beim Thema Waschen von Funktionskleidung gilt: so oft wie nötig, so selten wie möglich. Schoeffel rät generell zu Flüssigwaschmittel und schonenden Waschgängen. Jack Wolfskin bietet Kunden einen PFC-freien Wasch- und Imprägnierservice an. Dieser ist umweltfreundlicher, weil die Menge an Wasser, Wasch- und Imprägniermittel genau auf das zu waschende Material abstimmt ist „und das Wasser sowie die Zusätze aufgefangen und sofern möglich, wiederverwendet werden“. Sollte Material rissig sein, Nähte aufplatzen oder kaputtgehen, bieten viele Produzenten Reparaturen an. Wer sich für die Wäsche zu Hause entscheidet, kann dafür sorgen, dass kaum Schadstoffe ins Abwasser gelangen, denn bei jedem Waschgang lösen sich Fasern. Der Guppyfriend, ein engmaschiger Wäschebeutel, reduziert den Abrieb und filtert Mikrofasern aus dem Waschwasser. Die sammeln sich im Beutel und können über den Restmüll entsorgt werden.

Welche umweltfreundlichen Materialien gibt es?

Naturmaterialien wie Schur- oder Merinowolle, Daunen und Schafsfell. Merinowolle wärmt und kühlt gleichermaßen, ist saugfähig, atmungsaktiv und pflegeleicht. Baumwollfleece oder Wollfleece eignet sich ebenfalls. Letzterer muss aufgrund der selbstreinigenden Wirkung der Wolle selten gewaschen werden, kann aber bis zu 30 Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Ob die Wolle tier- und umweltfreundlich gewonnen wird, ist ebenfalls durch die Textil-Zertifikate wie Bluesign nachzuvollziehen. Viskose, meist aus Zellwänden von Bambus, Pinie oder Buchenholz, ist ebenfalls ein gute Schichtmaterialien. Ihr Vorteil: Sie ist leicht, elastisch, dünn, trotzdem atmungsaktiv und feuchtigkeitsregulierend. Ihr Nachteil: Sie riecht und muss definitiv öfter gewaschen werden.

Worauf sollte man achten?

Zuerst sollte man sich fragen, welchen reellen Nutzen die neue Outdoor-Kleidung erfüllen muss. Oft reicht schon ein wasserabweisendes Material, um trocken von A nach B zu kommen. Ziel sollte bei jeder Anschaffung ein Produkt sein, dem man mit guter Pflege und eventuellen Reparaturen ein langes Leben ermöglicht. Für alle, die sich nicht auf Jahre festlegen wollen, ist Second-Hand eine Option. Dass es nicht immer Hightech braucht, weiß Ralf Stefan Beppler. Outdoor-Aktive „nehmen immer mehr Abstand von komplett wasserdichter Kleidung“ – und setzen auf Jacken ohne Membran: „Naturfaser knistert nicht, wenn man durch den Wald streift. Dafür hat sie Funktionen, die nicht im Dreilagenbereich einer Synthetikjacke zu finden sind. Gewachste Baumwolle trocknet in Windeseile. Merino sorgt für ein angenehmes Körperklima.“

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