100. Geburtstag Joseph Beuys'Wenn Kunst politisch wird

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Das Werk «Telephonbuch» (Mitte) des Künstlers Joseph Beuys.

Er hat sich mit Sätzen wie „Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden. Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen“ und dem weit interpretierbaren und leicht missverständlichen Statement „Jeder Mensch ist ein Künstler“ unsterblich gemacht, hat mit seinen „erweiterten Kunstbegriff“ und dem Konzept der „Sozialen Plastik“ einen hohen Anspruch der Kunst formuliert, die in der neuen Lesart den Elfenbeinturm verlässt und sich in politische und gesellschaftliche Prozesse einmischt: Joseph Beuys, Aktivist und Aktionskünstler, Zeichner und Bildhauer, Mythenschöpfer und neuzeitlicher Schamane, Lehrer und prägende Figur für unzählige Künstler, hat die Kunst und die Szene nachhaltig revolutioniert.

Nach dem Beethovenja hr steht nun Beuys im Brennpunkt kultureller Aktivitäten. 2021 ist Beuys-Jahr. Am 12. Mai 1921 wurde er in Krefeld geboren, wuchs im niederrheinischen Kleve auf. Er starb 1986 im Alter von 64 Jahren in Düsseldorf. Das sind trotz seiner internationalen Ausstrahlung Koordinaten, die Beuys in NRW verorten. Dem etsprechend konzentrieren sich in diesem Bundesland die Ausstellungen und Veranstaltungen. Zwölf NRW-Städte von Aachen bis Wuppertal zeichnen alle erdenklichen Facetten des Jubilars nach. Weitere Ausstellungen etwa in Berlin, Darmstadt und Stuttgart runden das Bild ab. Wir stellen eine Auswahl vor.

Beuys-Ausstellungen und

Veranstaltungen in NRW

Aachen erinnert unter dem Titel „Beuys, Fluxus und die Folgen“ mit einem Symposium (11., 12. Juni) an „das Festival der Neuen Kunst“ am 20. Juli 1964 im Aachener Audimax der RWTH. Die Veranstaltung endete mit einem Eklat und musste vorzeitig abgebrochen werden: Ein verärgerter Student hatte Beuys mit einer gezielten Rechten die Nase blutig geschlagen. Die Fotografien der Ereignisse sind heute Teil des kollektiven Gedächtnisses, auch wenn kaum noch jemand die Zusammenhänge kennt. Das geplante Symposium im Rahmen von „beuys 2021“ soll die wechselseitige Verbindung zwischen Beuys und der Fluxus-Bewegung beleuchten.

Das Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau zeigt die Ausstellung „Joseph Beuys und die Schamanen“ (ab 2. Mai). Beuys thematisierte in frühen Werken immer wieder Schamanen und die Kontexte, in denen diese agieren. Zudem nahm er, etwa in Aktionen, selbst die Rolle des Schamanen an. Die Ausstellung zeigt auch zeitgenössische Positionen.

Bonn präsentiert im Beuys-Jahr ein Doppel-Event. So zeigt die Bundeskunsthalle ab 25. Juni bis die Ausstellung „Beuys – Lehmbruck Denken ist Plastik“ in Kooperation mit dem Lehmbruck Museum, Duisburg, das ab 26. Juni seinen Teil der Schau zeigt. Im Jahr 1986, nur wenige Tage vor seinem Tod, hatte Beuys den Wilhelm-Lehmbruck-Preis bekommen. In seiner Dankesrede betonte er die Bedeutung, die die Kunst des expressionistischen Bildhauers für ihn hatte. Gegen Ende der Laufzeit der Schau klinkt sich das Kunstmuseum Bonn ein und zeigt unter dem Titel „Passierschein für die Zukunft. Joseph Beuys, Katinka Bock, Jon Rafman“ ab 7. Oktober eine Ausstellung über Beuys’ Multiples. Zwischen 1965 und 1986 hat er 556 Multiples geschaffen, von denen sich über 400 in der Sammlung des Kunstmuseum Bonn befinden. Zeitgenössische Positionen erweitern das Spektrum. Auf dem Bonner Museumsplatz soll die Alanus Hochschule eine Aktionsplattform zum Thema Beuys errichten.

„Technoschamanismus“ heißt eine Ausstellung im Dortmunder Hartware MedienKunstVerein (HMKV), ab 9. Oktober. Düsseldorf beleuchtet unter anderem das Verhältnis Lehrer/Schüler mi t „Mataré + Beuys + Immendorff“ in der Akademie-Galerie – Die Neue Sammlung (ab 17. März) und widmet sich einem der berühmtesten Zitaten von Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ im K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (ab 27. März). „Ich bin auf der Suche nach dem Dümmsten. Joseph Beuys und die Wissenschaft“, ist das Thema einer Ringvorlesung im Haus der Universität am Schadowplatz (ab 12. April). Die Landeshauptstadt widmet sich ferner der „Plastischen Demokratie“ in der Kunstakademie und Universität, es gibt ein Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin, „Let Them Eat Money“ und ein Konzert mit Heiner Goebbels’ „A House of Call“. Die Ausstellung „Wer nicht denken will fliegt (sich selbst) raus“ im Foyer der Universitäts- und Landesbibliothek der Heinrich-Heine-Universität stellt schließlich Beuys’ Boxkampf für die direkte Demokratie durch Volksabstimmung in den Mittelpunkt.

NRW-Programm auf der Seite beuys2021.de

Die in knalligen Farben und flippiger Optik gehaltene Internetseite beuys2021.de dient als Portal für das Beuys-Jahr und präsentiert in erster Linie die Veranstaltungen in NRW. Neben Symposien und Ausstellungen in zwölf Städten in NRW stehen auch eine Theater- und eine Konzertproduktion auf dem Programm. Die Publikation zu beuys2021 erscheint bei Steidl. t.k.

Die Stiftung Zollverein und das Ruhrmuseum in Essen widmen sich dem Thema „Die unsichtbare Skulptur. Der erweiterte Kunstbegriff nach Joseph Beuys“ (ab 10. Mai). Die Ausstellung „Die unsichtbare Skulptur“ setzte ausgehend vom Erweiterten Kunstbegriff einen Gegenpol zur Historisierung und Kanonisierung des Werks von Beuys, heißt es in einer Mitteilung. „Die Präsentation von vielfach unveröffentlichten Materialien in Gegenüberstellung mit zentralen Arbeiten soll die Debatte um die Bedeutung seines Œuvres neu entfachen und in einen breiteren kulturellen und gesellschaftspolitischen Zusammenhang stellen.“

Joseph Beuys und die

Demokratie in Morsbroich

„Intuition!“ heißt eine Schau im Museum Kurhaus Kleve, die sich ab 19. Juni um das Frühwerk dreht. Krefeld kümmert sich ab 8. Oktober um eine erstmalige Gegenüberstellung von Beuys und Marcel Duchamp. Im Leverkusener Museum Morsbro ich dreht sich alles ab 28. März um „Der Katalysator. Joseph Beuys und Demokratie heute“. Das Museum Abteiberg in Mönchengladbach ventiliert ab 3. Juni das Thema „Institutionskritik. Das Museum als Ort der permanenten Konferenz“, ein Topos von Beuys. Wuppertal öffnet verschiedene Orte der Stadt vom 2. bis 6. Juni für Performances nach Beuys. Titel: „Die Unendlichkeit des Augenblicks“. Passend dazu zeigt das Von der Heydt-Museum ab 19. September die Fotos, die Ute Klophaus bei Beuys-Performances aufgenommen hat.

Und jenseits von NRW. Der Hamburger Bahnhof in Berlin rückt ab 24. April die Sprache in den Mittelpunkt einer Ausstellung, die Skulpturen, Zeichnungen, Installationen, Filme, Plakate und Dokumente zeigt – darunter den Zyklus „The secret block for a secret person in Ireland“ und die Installation „Das Kapital Raum 1970–1977“.

Weiter ins Hessische Landesmuseum Darmstadt mit der Ausstellung „Joseph B euys verlängert im Auftrag von James Joyce den Ulysses um sechs weitere Kapitel“. Das ist der Titel einer Arbeit, die Beuys in den Jahren 1958 bis 1961 geschaffen hat. Ab 13. Mai ist sie in Darmstadt zu sehen.

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Zum 100. Geburtstag von Beuys widmet die Staatsgalerie Stuttgart dem Künstler ab 26. März eine Ausstellung, die sich mit seinen Präsentationsweisen seiner Arbeiten auseinandersetzt. Ausgangspunkt ist der Beuys-Raum in der Staatsgalerie, den der Künstler im Jahr 1984 selbst eingerichtet hat. Bis heute ist der Raum unverändert.

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