Ausstellung in KölnDomschatzkammer zeigt frühe Werke von Joseph Beuys

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Blick in die Ausstellung 

Köln – Klein sind die Skizzen, als hätte er sie immer in der Hemdtasche getragen. Ein etwas größeres Papier ist zerknittert und mit Maßen versehen. Kreisförmig verlaufen die Bleistiftstriche, feine Schraffuren zeigen den Gekreuzigten mit schmerzvollem, aber auch schon einmal muffigem Gesicht. Gut vorstellbar, dass der junge Mitarbeiter der Dombauhütte den Ausdruck im eigenen Angesicht probte – vor seinem Rasierspiegel, der später im Mittelportal des Doms verschwand.

Joseph Beuys folgte seinem Akademielehrer Ewald Mataré von der Kunstakademie Düsseldorf nach Köln – als der Bildhauer den Auftrag zur Gestaltung der Südquerhaustüren erhielt. Beuys’ frühen Jahren 1947 bis 1955 widmet die Domschatzkammer nun eine Ausstellung, die eine weniger bekannte Seite von ihm zeigt.

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Androgyne Büste

Wer den Ausnahmekünstler und Akademielehrer vorweg mit Fettecken und Filz in Verbindung bringt, kann hier von seinem großen Talent als Zeichner und Bildhauer einen Eindruck gewinnen. Als ein im Katholizismus des Niederrheins aufgewachsener junger Mann sei „seine Kunst von tiefem, religiösen Bewusstsein getragen. Eine Grundlage, auf die er später immer wieder zurückgriff“, sagt Leonie Becks, Leiterin der Domschatzkammer. In späteren Arbeiten griff Beuys die Bilder aus seiner frühen Phase wie Zitate auf. Das Sonnenkreuz war dann auf einer Munitionskiste zu sehen.

Zur Person

1921 kommt Joseph Beuys in Krefeld zur Welt und wächst in Kleve auf. 1941 bis 1944 wird er als Sturzkampfflieger ausgebildet und hat Einsätze in Südrussland, Rumänien, Ungarn und Kroatien. Er erleidet Verletzungen beim Absturz auf der Krim.

1946 bis 1953 studiert er an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, zunächst unter Joseph Ensling, ab 1947 als Meisterschüler Ewald Matarés.

1954 bezieht er ein eigenes Atelier in Düsseldorf-Heerdt. 1961 wird er Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, und nimmt drei Jahre später erstmals an der documenta in Kassel teil. Seinen internationalen Durchbruch hat er mit der Installation „Straßenbahnhaltestelle“ 1976 auf der Biennale in Venedig. 1986 stirbt er in Düsseldorf. (jan)

Becks kuratierte die Schau unter anderen mit Leihgaben des Museums Kurhaus Kleve und der Stiftung Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau. Dabei ist auch die Porträtbüste zu sehen, die Beuys 1947 als Selbstbildnis in der Klasse von Joseph Ensling an der Düsseldorfer Kunstakademie gefertigt hat. Androgyn mutet sie an, die Gesichtszüge zeigen klare Kante.

Mit der Kunst aus der Krise

Beuys studierte Bildhauerei, die jetzige Schau schildert auch seine ersten Jahre im Anschluss als freier Künstler. An diesem Anfang stand bald eine Krise, eine Depression, aus der ihm letztlich das Zeichnen half, wie Becks erzählt. In den Vitrinen der Schatzkammer finden sich Entwürfe für eine Taufbrunnen und ein Kreuz. Daneben liegt auch die Quittung für Mosaiksteine, die in der Nachkriegszeit schwer zu bekommen waren. Doch der Meisterschüler Matarés machte in Meerbusch eine zerstörte Villa ausfindig, aus der er die seltenen Steinchen dann doch beschaffen konnte.

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Zerbrochenes Kreuz, Selbstporträt und Pietà schuf Joseph Beuys als Bildhauer in jungen Jahren. 

Dombaumeister Peter Füssenich bezeichnet Beuys als „Handwerker durch und durch“. Sein Lehrer schenkte ihm großes Vertrauen und in Matarés Tagebüchern finden sich immer wieder Worte der Anerkennung für seinen begabten Schüler. Wie Becks erklärt, war es aber ein nicht unbelastetes Verhältnis. Später sagte Beuys einmal, dass er die Domtüren selbst nicht so gestaltet hätte.

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Trotzdem, so Becks, gebe es viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Persönlichkeiten. Das gelte zumal für das Tiersujet: Mataré ist berühmt für seine Kühe, Beuys machte Schafsskulpturen. Zusammen schufen sie 1953 die Darstellung „Das Brennende Köln“ auf der Pfingsttür. Die Bildsprache ist ergreifend: Während im unteren Bereich in einfachen Schraffuren der Rhein dahinfließt, wird der Dom von wabenartig gedrängten Häusern umgeben, aus denen die Flammen bis in den Himmel züngeln. Ein Skelett steigt am oberen Bildrand auf, das Feuer zerfrisst alles – ein Inferno.

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Die Schau ist in der Domschatzkammer zu sehen. 

Doch Becks sieht eine Ablösung von Mataré, denn Beuys begann zu abstrahieren. In einem Brief an den Lehrer, den er sehr wertschätzte, kündigt er 1952 an, alleine gehen zu wollen, „in Verfolgung eines nicht erreichbaren Ziels.“

Den unorthodoxen Ideen seines Schülers war Mataré aufgeschlossen, so auch bei der Sache mit dem Rasierspiegel, den Beuys im Kreuz auf dem Mittelportal anbrachte. In einem Interview, das er 1980 dem damaligen Direktor des Kölnischen Kunstvereins, Wulf Herzogenrath, gab, erklärte er: „Ich hatte auf einmal das Bedürfnis, da müßte was rein, was Licht wirft.“

Bei Renovierungsarbeiten verschwand der Spiegel später. In der Ausstellung, in der zeitgenössische Kunstschaffende ihre Sichtweise des Kölner Doms zeigten, monierte der inzwischen weltberühmte Künstler 1980 das Fehlen seiner Beigabe auf der Bischofstür. Auf einer Reproduktion prangte der Satz: „Mein Rasierspiegel fehlt.“

Bis 24. Juni, täglich 10-18 Uhr, Roncalliplatz 2.

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