Geht Kunst auch digital?Was Museen in NRW im Corona-Lockdown zu bieten haben

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Museum Ludwwig Panoramarundgang

In Köln bietet das Museum Ludwig einen 360-Grad-Bummel durch sein Haus an.

Bonn – Zu den unschätzbaren Privilegien des Kulturjournalisten und Kunstkritikers zählt, dass es mit etwas Geschick und dem richtigen Timing möglich ist, Kunst in höchster Ruhe und Konzentration zu sehen, bevor die Öffentlichkeit es tut. Kunstgenuss braucht Zeit und Muße. Mit Glück schlendert man also durch eine menschenleere Ausstellung: zwei Beispiele. 2006 viel zu früh im Essener Folkwang, eine Stunde vor dem offiziellen Pressetermin zur fantastischen Caspar-David-Friedrich-Schau. Man lässt mich rein, ich darf mich frei bewegen, alleine, ungestört mit dem Meister, der seine Individuen einzeln in eine übermächtige, vergeistigte Natur stellte. Ein Erlebnis. Oder 2004 im Palais des Beaux-Arts in Lille: Ich wieder viel zu früh vor Ort, das Personal unnachgiebig. Ich schlendere herum, sehe eine offene Tür, schlüpfe hinein und bin bei Rubens. Innen hält man mich für einen Museumsangestellten, ich lasse Stift und Block in der Tasche, um mich nicht als Schreiber zu outen, eineinhalb Stunden Rubens total, ganz nah ran.

„Neue Welten“ in Essen

Ganz nah ran, das muss sein beim Ausstellungsbesuch. Man möchte vor einem Bild zehn Minuten stehen dürfen, ohne weggeschubst zu werden. Und jetzt? Im Lockdown? Beim virtuellen Besuch? Hier startet der Selbstversuch im Internet. Etliche Häuser der Region sind ganz gut vertreten. Am interessantesten aber scheint mir momentan das Angebot des Essener Folkwang Museums, das seine originell, unchronologisch als Crossover der Kunst sortierte Dauerausstellung „Neue Welten“ mit der siebenteiligen Filmserie „Die Entdeckung der Sammlung“ erschließt. Tolle Bilder und Kommentare, die den Blick zum Kunstwerk führen. So muss das sein.

Exzellente Filme der Bundeskunsthalle in Bonn

Die Bonner Bundeskunsthalle, die und über ein hochprofessionelles Medienteam verfügt, ist nahezu gleichrangig. Die Filme auf der Homepage sind exzellent gemacht. Mir fehlt nur die Konzentration auf einzelne Werke. Ältere Leser erinnern sich vielleicht an die „100 Meisterwerke“, die Wibke von Bonin 1981 bis 1994 Sonntags nach dem fetzigen musikalischen Intro von Wilhelm Dieter Siebert in der ARD servierte: Zehn intensive Minuten über ein Bild – ganz nah. Aus den 100 wurden 1000 Meisterwerke.

Zehn Minuten für ein Bild. Traumhaft. Heute wird in acht Minuten eine ganze Ausstellung gepackt. Und mehr. Die Bundeskunsthalle etwa präsentiert in ihrer Videoreihe „Behind The Art“ einen Rundgang durch die Ausstellung von Max Klinger. Mit sportlichen Schwenks zieht das Kamerateam durch die Schau,   Kuratorin Agnieszka Lulinska erläutert die Hauptwerke. Es gibt einen zweiten Film explizit zu Klingers monumentalem Beethoven-Denkmal. Spannend gemacht, aber mit anonymer Fahrstuhlmusik unterlegt. Kein Takt Beethoven. Das geht nicht. Natürlich ist Video, besonders gutes Video teuer. Das kann sich nicht jede Institution leisten. Das Kunstmuseum Bonn etwa überspielte in seiner Reihe, die das Publikum hinter die Kulissen führte, den fehlenden technischen Standard durch  Originalität. Aktuell gibt es Filme über die Ausstellung von Alexej von Jawlensky. Es wird viel geredet, viele Informationen zu Leben und Werk. Letzteres kommt visuell einfach zu kurz.

In Köln gibt es Panoramaansichten

Bei den Kölner Museen setzt man in erster Linie auf die Technik der 360-Grad-Präsentation, wenn es um die Dauerausstellungen geht. Da kann man sich durch Räume und Etagen klicken, hat die Illusion, tatsächlich im Museum unterwegs zu sein, darf mit Glück einzelne Bilder ansteuern, Perspektiven und Blickrichtungen wechseln. Extrem gut funktioniert das beim Museum Schnütgen, bei dem man 50 Punkte anklicken kann, es etliche Erläuterungen auch mit Ton gibt und gute Detailansichten möglich sind.

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Überzeugend auch die virtuelle 360-Grad-Tour im Käthe-Kollwitz-Museum. Dagegen fallen die digitalen Rundgänge beim Museum Ludwig (Pop Art, Expressionismus, Pablo Picasso, Surrealismus) und Wallraf-Richartz-Museum (Etagen Mittelalter, Barock, 19. Jahrundert) teilweise mangels vertiefender Informationen deutlich ab.

Das Ludwig hat auf Facebook ein sehr lebendiges Videoangebot. Die Freunde des Museums Ludwig und des Wallraf bieten auf ihrer Homepage unter anderem Online-Vorträge in der Reihe „KunstBewusst“ (12. und 19. Januar) an. Auf der gemeinsamen Homepage der Kölner Museen  www.museenkoeln.de  finden sich mitunter sehr informative Filme der Reihe „Erzähl mir Kunst“. Das Museum  Morsbroich in Leverkusen bietet einen sechs-minütigen unkommentierten Video-Streifzug durch die aktuelle Ausstellung „From A to B. Von Straßen, Highways und Datenströmen“. Am 13. Januar gibt es ein Zoom-Meeting zur Ausstellung. Zurück zur Eingangsfrage, ob Kunst auch online gehe. Ganz deutlich: nein. Die direkte, physische Anschauung im Ambiente eines Museums oder einer Galerie, die kontemplative Eins-zu-eins-Situation sind durch nichts zu ersetzen. Gleichwohl möchte man das Online-Informationsangebot zwecks inhaltlicher Vertiefung nicht missen.

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