Neue Spielzeit in KölnAlle Zeichen stehen beim Gürzenich-Orchester auf Neuanfang

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Gürzenich

Zeichen der Corona-Pandemie: Das Gürzenich-Orchester vor leeren Rängen

Köln – Zu einer Art „Kamingespräch“ lud das Gürzenich-Orchester im kleinsten Kreis mit Generalmusikdirektor François-Xavier Roth. Und dieser „Kuschelkurs“ zum Ausblick auf die kommende Spielzeit versinnbildlichte ein besonderes Anliegen. Der GMD will nach der Gründung des Bürgerorchesters jetzt noch einen Bürger-Chor nachlegen: „Wir wollen immer lautstark wiederholen: Wir sind hier für die Kölner. Und wir feiern auch Karneval.“

Dieser konkrete Hinweis gilt einem Jubiläumskonzert zum 200. Geburtstag der „Roten Funken“. Verbirgt sich im französischen GMD ein Karnevalist? „Nein!“ ruft Roth mit begeistertem Leuchten in den Augen, „aber Markus Stenz!“ Das bezweifeln Kenner des ehemaligen GMDs allerdings, aber Stenz ist immerhin Kölner und dirigiert in der kommenden Saison neben einer Ring-Version eben auch das Festkonzert.

Alle Zeichen stehen auf Neuanfang

Alle Zeichen stehen ansonsten auf Neuanfang. Roth: „Es ist wichtig, sich jedes Mal neu zu erfinden, nach dieser Corona-Krise, während dieser schreckliche und unglaubliche Krieg tobt, da brauchen wir mehr Musik denn je“, so sein Credo. „Kunst soll nicht nur helfen im Leben, sondern auch einen gemeinsamen Sinn zu finden, und wir können sogar durch Musik lernen, zum Beispiel etwas über Toleranz, einem der wichtigsten Aspekte unseres Lebens. Erfinden, sich treffen und lernen – das ist das Motto der neuen Spielzeit.“

Kölns GMD Roth

François-Xavier Roth 

Nicht neu erfinden, aber neu lesen wollen die Musiker das Werk Bruckners. „Wir gehen natürlich im runden Geburtsjahr Anton Bruckners weiter in unserem Zyklus – immer mit dem Kontrapunkt einer zeitgenössischen Uraufführung. Dafür konnten wir Miroslav Srnka gewinnen, und unser Residenz-Künstler Mahan Esfahani wird sein Cembalo-Konzert uraufführen.“

Weitere Namen sind Christoph Sietzen als Interpret einer Erstaufführung im Schlagzeug-Konzert von Georg Friedrich Haas. Der Komponist Bernhard Gander schrieb ein Stück für das französische Raschèr-Saxophonquartett, das bald Bruckners Sinfonik kontrastiert. Für dessen Werke gilt: Das Alte, Bekannte noch einmal mit frischen Augen lesen. „Das macht das Orchester sehr gut“, meint Roth, „Bruckner nimmt schon die Spektral-Komponisten der Zukunft voraus, mit den Wurzeln von Buxtehude, Bach bis Schubert.“ Im Zusammenspiel mit Uraufführungen klinge auch Bruckner ganz anders, „das ist der Nutzen einer solchen Programmplanung“.

Die romantischen CD-Produktionen des Stadtorchesters bewirkten sogar Kommentare in der New York Times. Und auch in anderen Bezügen steht der Klangkörper sehr gut da. „Das Gürzenich-Orchester ist wieder ein erwünschter Anlaufpunkt für zeitgenössische Komponisten. Das greift die alte Tradition der Zeit von Brahms, Mahler und Strauss auf. Ich bin sehr stolz auf mein Orchester.“

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Dieser Geist wird wieder lebendig, wenn George Benjamin das Ensemble dirigiert und damit besagte Tradition der dirigierenden Komponisten fortsetzt. Benjamin, ein Messiaen-Schüler und laut Roth „ein Held“ unter den zeitgenössischen Komponisten, ist weltweit gefragt, „und er hat Zeit für uns“.

Das hat auch Sakari Oramo, prominenter Pultstar aus Finnland. Er wird bei seinem ersten Besuch beim Gürzenich-Konzert heimische Kost kredenzen.

Am Klavier präsentieren sich Kristian Bezuidenhout und Lilya Ziberstein (mit Rachmaninows Zweitem), die Geigerinnen Alina Ibragimova und Veronika Eberle, der Violinist Pekka Kuusisto, dazu berühmte Stimmwunder wie der legendäre Bariton Thomas Hampson oder der Counter-Star Cameron Shabazi.

Es gibt viel zu entdecken, spektakuläre Werke, beliebte Stammgäste und immer einen Blick auf das Ungewöhnliche. Roth: „Manchen treuen Zuhörern wird das sogar zu viel, andere finden es toll. Da müssen wir jeweils eine Balance finden.“

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