LKA ermitteltArabische Clans sollen Corona-Hilfen erhalten haben

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Die Ermittler des LKA sind kurz vor der Fertigstellung des zweiten Lagebilds zur Clankriminalität in NRW; das erste war vor einem Jahr veröffentlicht worden.

  • Das Landeskriminalamt verfolgt Spuren, ob Mitglieder arabischer Großfamilien den Staat um Soforthilfen betrogen haben könnten.
  • Zudem hängen die jüngsten Tumultdelikte in der Szene wohl mit internen Konflikten zusammen.

Düsseldorf – Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) prüft, ob kriminelle arabische Großfamilien staatliche Soforthilfegelder wegen der Corona-Pandemie abgegriffen haben. „Wir haben in vereinzelten Fällen Hinweise darauf bekommen, dass Clanmitglieder finanzielle Corona-Soforthilfen der Bundesregierung erhalten haben. Dem gehen wir gerade nach“, sagte LKA-Chefermittler Thomas Jungbluth unserer Redaktion. Jungbluth betonte aber, dass man dabei im Fokus haben müsste, dass ein Clanmitglied als Shisha-Barbetreiber unter Umständen berechtigten Anspruch auf Zahlung von Corona-Soforthilfe habe – etwa, weil sein Betrieb we gen der Pandemie schließen musste.

Der Betrug mit Corona-Soforthilfen für Selbstständige und kleine Firmen ist weit verbreitet. In Berlin fand deswegen am Dienstag eine Razzia in der islamistischen Szene statt. Soforthilfe-Gelder stehen wegen der Pandemie in NRW nur Solo-Selbstständigen (9000 Euro) beziehungsweise Betrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern (15.000 Euro) zu, deren Umsätze massiv eingebrochen sind. „Ein Clanangehöriger bleibt grundsätzlich anspruchsberechtigt. Seine Zugehörigkeit zu einem Familienclan lässt diese Anspruchsberechtigung nicht erlöschen. Wir sind mit Steuerfahndungsbehörden im Gespräch“, sagt Jungbluth, der das LKA derzeit auch kommissarisch leitet.

Clankriminalität in NRW

Die Ermittler des LKA sind kurz vor der Fertigstellung des zweiten Lagebilds zur Clankriminalität in NRW; das erste war vor einem Jahr veröffentlicht worden. „Wir gehen davon aus, dass sich die Zahlen der Straftaten und Tatverdächtigen etwas erhöht haben, nicht zuletzt durch die intensivierten polizeilichen Aktivitäten“, sagte Jungbluth. Schon vor einem Jahr waren die Zahlen der Fälle sehr hoch gewesen. So hatten Clanmitglieder laut erstem Lagebild rund 14.225 Straftaten in NRW begangen. Insgesamt wurden 6449 tatverdächtige Personen identifiziert.

Die Erkenntnislage über das Milieu habe man im vergangenen Jahr weiter angereichert, berichtet Jungbluth. „Wir haben Ermittlungsverfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität. Ich bin überzeugt, dass wir mit den Maßnahmen und mit der Fokussierung auf Clankriminalität sehr richtig gelegen haben. Es zeigt sich, dass es richtig war, sich intensiver aufzustellen“, so der leitende Kriminaldirektor.

Seit fast zwei Jahren gehen die Sicherheitsbehörden massiv gegen Clans vor; regelmäßig finden Razzien statt, so wie auch am Mittwoch. Dabei durchsuchte die Polizei sieben Wohnungen in NRW und zwei in Niedersachsen. All eine in Recklinghausen war die Polizei an sechs Adressen. Dabei wurden neben Beweismitteln und Bargeld auch sieben Autos sichergestellt. Zudem fand man eine Waffe. Wie die Beamten mitteilten, ging es um Drogen, Geldwäsche und andere Straftaten.

Claninternen Konflikte könnten zu Tumulten geführt haben

Bestimmte Kriminalitätsfelder, insbesondere sogenannte Roheitsdelikte, haben nach wie vor eine große Bedeutung im Milieu. „Diese Tendenz aus dem ersten Lagebild scheint sich fortzusetzen“, so Jungbluth. Laut LKA spielt sich Clan-Kriminalität auch innerhalb der Großfamilien ab, etwa Schlägereien wie jüngst in Essen und Duisburg. „Die aktuellen Tumultdelikte hängen wahrscheinlich damit zusammenhängen, dass die claninternen Konflikte in dieser Zeit auch zugenommen haben, sprich: Man ging sich auch gegenseitig auf die Nerven vor dem Hintergrund der Beschränkungen“, so Jungbluth. Es habe zwar schon immer interne Clan-Konflikte gegeben, die nach außen gedrungen seien. „Aber auch wir sind überrascht, dass die Tumult-Delikte in der Öffentlichkeit wieder erkennbar zugenommen haben in den letzten Wochen“, sagt der Kriminaldirektor. Oft seien das Konflikte mit Vorgeschichten. „Diese emotional geprägten Konflikte innerhalb der Clans werden wir durch Polizeiarbeit nicht verhindern können, weil sich das blitzschnell hoch schaukeln kann.“

„Ethnisch abgeschottete Subkulturen“

Das Bundeskriminalamt (BKA) definiert kriminelle Clans als „ethnisch abgeschottete Subkulturen“, die in der Regel patriarchalisch-hierarchisch organisiert sind und einer „eigenen Werteordnung“ folgen. In NRW sind sie besonders im Ruhrgebiet verbreitet.

Das LKA hat auch festgestellt, dass einzelne Clanmitglieder mit Rockergruppierungen zusammenarbeiten. „Wir wissen, dass in Einzelfällen Clanangehörige auch Mitglied von Rockergruppen sind“, sagt Jungbluth. Bei den Hells Angels sei das zum Beispiel beim Charter Concrete City aus Mettmann der Fall, das inzwischen verboten wurde. Dort gebe es Bezüge zwischen Clans und Rockern. „Einzelne Clanmitglieder versprechen sich nach unserer Bewertung von einer Mitgliedschaft in einem OMCG ihren Einfluss, ihren Machtanspruch auszubauen und die eigenen Interessen besser durchsetzen zu können. Denn so eine Kutte wirkt noch mal mehr bei Drohungen“, sagt Jungbluth. Die generelle Ausrichtung der Rocker sei aber eine andere als die der Clans. „Insbesondere, was den Kadergehorsam oder die Gruppendisziplin betrifft, ist das nicht deckungsgleich mit dem, was sich kriminelle Mitglieder von Clans so vorstellen.“ Eine flächendeckende oder strukturelle Durchmischung beider Lager gebe es nur in der Form von Mitgliedschaften einzelner Personen.

Grundsätzlich hätten die Clanmitglieder ihr Verhalten in der Corona-Krise angepasst; laut LKA waren sie zuletzt deutlich weniger auf der Straße anzutreffen. „Wir haben aber aus einigen Behörden Hinweise bekommen, dass sich in kontrollierten Shisha-Bars Personen aufgehalten haben, obwohl sie es nicht durften“, so Jungbluth.

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