In aller StilleWie Jonas Hector sich aus der Nationalmannschaft verabschiedete

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Hector

Jonas Hector

Köln – Jonas Hector machte sich Anfang der Woche noch einmal auf zur Nationalmannschaft. So, wie es der Kapitän des 1. FC Köln am liebsten mag: in aller Stille und  unerkannt. Der Weg für Hector war kurz, denn das Team von Bundestrainer Joachim Löw weilte für das Nations League-Spiel gegen die Schweiz in Köln. Es war ein Abschiedsbesuch. Der 30-Jährige ist fertig mit seiner besonderen Karriere in „der Mannschaft“. Nach nur 43 Länderspielen hat Jonas Hector das Trikot mit dem Adler für immer ausgezogen und leise „Allee dann, bis neilisch“ gesagt.

Hätte es in dieser Woche die undichte Stelle im Umfeld der Nationalmannschaft nicht gegeben, wäre Hectors stiller Rückzug wohl im Verborgenen geblieben. So, wie er es  wollte, als er die Entscheidung traf. Das war im Juli, nach dem tragischen Tod seines älteren Bruders Lucas (30). Der gebürtige Saarbrücker unterrichte die Verantwortlichen des 1. FC Köln von seinem Entschluss und bat um Verschwiegenheit. Auch als er  Löw persönlich  im September informierte, drang nichts an die Öffentlichkeit.

Ein typischer Hector eben. Der insgesamt 43.  Nationalspieler des 1. FC Köln   hat immer mit den Begleiterscheinungen des Profi-Fußballers gefremdelt. Interviews waren und sind für ihn kein Vergnügen. Selbst als er Kapitän des FC  und  Sprachrohr der Mannschaft wurde.  

Es mag daran liegen, dass Hector bis zu seinem 20. Lebensjahr  beim SV Auersmacher kickte, einem Dorfclub am südlichsten Zipfel des Saarlandes. Jonas Hector ist  dort an der Grenze zu Frankreich  groß geworden, hat bei seinem Vater Erhard und mit Bruder Lucas  das Fußballspielen gelernt und durchlief in Auersmacher alle Jugendteams.

 In Hectors zweitem A-Jugendjahr zog  Trainer Jörn Birster den 17-Jährigen zu den  Senioren: „Er hatte  außergewöhnlichen Fähigkeiten. Wir haben in unserer Aufstiegssaison in der Oberliga 120 Tore geschossen. An 80 Prozent war Jonas als Zehner beteiligt“, erzählt Birster. Der Trainer berichtet  auch, dass Hector trotz seiner Zurückhaltung auf der großen Bühnen nicht zu denen gehörte, die bei Vereinsfeiern mit dem stillen Wasser in der Ecke saßen.

In seiner Heimat  fühlt  er sich sicher. Das war in der FC-Doku 24/7 zu sehen, als er  mit Ehefrau Anika und einer Flasche Bier in der Hand ein Spiel von Auersmacher anschaute. Und als ein Journalist der Saarbrücker Zeitung  bei der EM  2016 in Frankreich mit dem Nationalspieler  im saarländischen Dialekt babbelte, taute Hector sogar in der  Mixed Zone  auf.

Debüt für Nationalmannschaft im November 2014

Trotz seines  Talents und einiger Anfragen verließ  Hector  Auersmacher erst als 20-Jähriger und wechselte 2010   in die U21 des FC. 2012 holte ihn der damalige FC-Coach Holger Stanislawski als Linksverteidiger zu den Zweitliga-Profis.  Bundestrainer Löw nominierte ihn  2014   schließlich   als Neuling für die Nationalmannschaft. Am 14. November gab er gegen Gibraltar sein Debüt als Einwechselspieler, nach gerade einmal zwei Jahren als Profi und ohne ein Nachwuchsleistungszentrum durchlaufen zu haben.​„Ich hatte kein Interesse daran, an meiner Situation irgendetwas zu ändern“, hat Jonas Hector sich einmal erklärt.

Nun hat er seine Situation geändert und  aus  privaten Gründen einen Schlussstrich gezogen. Nach Gibraltar stand er 42 Mal in Löws Startelf, erzielte drei Tore für Deutschland, gewann 2017 den Confed-Cup in Russland und absolvierte 2018 in der WM-Vorrunde die Partien gegen Schweden und Südkorea. Unvergessen bleibt sein entscheidender Elfmeter  im EM-Viertelfinale 2016. Mit weichen Knie war  Hector  gegen Italien zum Punkt geschlichen und hatte  Torwart Gianluigi Buffon überwunden. Deutschland  stand im Halbfinale und der Kölner  im so ungeliebten  Rampenlicht.

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Am 19. November 2019 trug er beim 6:1 gegen Nordirland zum letzten Mal das Nationaldress. „Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von Jonas Hector. Neben seinen sportlichen Qualitäten haben wir seinen Charakter und sein Vertrauen geschätzt“, verabschiedete Oliver Bierhoff als Direktor der Nationalmannschaft den FC-Profi. Wenn Hector seine aktuellen Halswirbelprobleme überwunden hat, kann er sich ganz auf den FC konzentrieren. Bis 2023 steht er noch  unter Vertrag und beendet dann vielleicht auch seine Karriere bei den Geißböcken   in aller Stille.

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