Interview mit neuem Deutz-Chef„Wollen auch 2035 noch eine stolze Firma in Köln sein“

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Sebastian Schulte 

  • Seit zwei Monaten steht Sebastian Schulte an der Spitze der Deutz AG .
  • Sein Vorgänger Frank Hiller und der damalige Aufsichtsratsvorsitzende hatten sich rund um die Berufung einer Vorständin entzweit.
  • Ralf Arenz sprach mit dem neuen Chef über seine Pläne.

Köln – Herr Schulte, als Finanzvorstand brauchten Sie wohl keinen lange Einarbeitungszeit.

Nein, als Finanzvorstand kennt man das Unternehmen gut. Ich habe meine Rolle auch nicht als die eines Buchhalters gesehen, sondern als die eines Copiloten. Das macht eine Übernahme des Steuers einfacher.

Der Aufsichtsrat hat bei Ihrer Berufung besonders Ihre Teamfähigkeit betont. Haben sie da etwas beim Rudern gelernt?

Ja! Ich bin 43, das ist vergleichsweise jung für einen Vorstandsvorsitzenden. Ich habe aber seit meinem 15. Lebensjahr Rudersport betrieben – und das immer im Team in einem Achter. Hier treffen meinungsstarke und willensstarke Charaktere aufeinander, da haben Sie immer den Teamerfolg im Blick und lernen zu moderieren. Und manchmal heißt es zurückstecken, manchmal aber auch klar den Führungsanspruch formulieren. Die ideale Mischung führt zum Erfolg.

Zur Person

Am 13.Dezember 1978 geboren wurde Sebastian Schulte am 12. Februar Vorstandschef der Deutz AG. Zuvor war er seit Januar 2021 im Vorstand des Motorenbauers Finanzvorstand und Arbeitsdirektor. Seine Karriere hatte er nach Studium sowie der Promotion an der Ruhr-Universität Bochum und der Judge Business School der University of Cambridge bei ThyssenKrupp begonnen. Zuletzt war er Geschäftsführer und Chief Financial Officer der Marine-Sparte des Konzerns.

Von 2001 bis 2007 ruderte Schulte im Deutschland-Achter und wurde 2006 Weltmeister. Im Universitätsboot von Cambridge gewann er 2007 das Rennen gegen Oxford. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. (raz)

Sie sind auch im Universitäts-Achter von Cambridge gerudert.

Da sind acht, beziehungsweise neun, durchaus intelligente und vor allem selbstbewusste Menschen im Boot, die alle der Meinung sind, dass sie alles mitbringen, um etwas Besonderes zu leisten. Bei dem, was wir diskutiert und wie wir uns arrangiert haben, gibt es schon viele Parallelen zum Agieren in Führungsgremien.

Sie sind unter ungewöhnlichen Umständen an die Deutz-Spitze gekommen. Ist Ihre erste Aufgabe jetzt, Ruhe in das Unternehmen zu bringe?

Sie haben Recht, es war Deutz-untypisch, nicht geräuschlos und hat leider auch öffentlich geruckelt. Umso wichtiger ist, wie zügig der Konflikt gelöst und der Blick wieder nach vorne gerichtet wurde. Insgesamt ist schnell wieder Ruhe eingekehrt, da wir uns im Vorstand in der neuen Zusammensetzung schnell sehr gut gefunden haben. Auch die Kommunikation mit dem Aufsichtsrat funktioniert wieder reibungslos.

Deutz hat stark auf die Elektrifizierung sowie auf weitere alternative Antriebe gesetzt. War der Kurs richtig?

Auf dieses wichtige Thema schauen wir aus zwei Perspektiven. 2021 bestanden 97 Prozent unseres Geschäfts aus Verbrennungsmotoren, inklusive Service. In unserem Geschäftsfeld abseits der Straße wird der Verbrennungsmotor weiterhin stark nachgefragt und in zehn Jahren nicht verschwunden sein. Ob das in 20 Jahren noch so sein wird, bezweifle ich. Wir werden also das bestehende Geschäft stabilisieren und profitabler machen und gleichzeitig an die Zukunft denken, so dass wir auch 2035 noch eine stolze Firma in Köln sind. Wir müssen und werden die alternativen Antriebe in den Markt bringen, wenn sie nachgefragt werden – darauf sind wir vorbereitet. Unsere Kunden achten aber weniger auf Lifestyle, sondern rechnen mit dem spitzen Bleistift. Die stellen um, wenn es sich für sie rechnet. Da wird die Elektromobilität nicht in den nächsten Jahren durch die Decke gehen.

E-Motor, Wasserstoff-Motor, Speicher und auch klassische Bifuels - kann DEUTZ auf so vielen Hochzeiten tanzen?

Wir müssen auf vielen Hochzeiten tanzen wegen der unterschiedlichen Anwendungsbereiche für unsere Motoren – und trauen uns das auch zu. Das ist anders als beispielsweise in der Autoindustrie. Der Gabelstapler etwa ist heute schon elektrisch. Beim großen Ackerschlepper hingegen sehen wir nicht, dass der mit der heutigen Technik elektrisch betrieben werden kann. Der dafür als alternativer Antrieb in Frage kommende Wasserstoffmotor ist sehr vergleichbar mit einem konventionellen Motor. Das macht ihn in der Entwicklung und Produktion so attraktiv für uns.

Was ist aktuell die größte Herausforderung?

Zum ersten Mal seit den 90er Jahren haben wir eine signifikante Inflation. Wir sind dabei in einer Sandwichposition zwischen Endkunden und Lieferanten. Da ist es wichtig, dass wir Kostensteigerungen, die wir von unseren Lieferanten bekommen, transparent für unsere Endkunden machen. Wir haben 2021 mit einer Ebit-Marge von 2,3 Prozent wieder die Gewinnschwelle erreicht, sind aber noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Und da tut es mir als routiniertem Finanzer weh, dass unsere Endkunden und Lieferanten teils mit zweistelligen Margen unterwegs sind. Wir müssen lernen, uns schnell auf diese veränderten Rahmenbedingungen einzustellen. Preissetzungsmacht haben wir grundsätzlich. Wir müssen sie auch nutzen.

Haben Sie Preisgleitklauseln in den Verträgen oder wird der hohe Auftragsbestand eher zum Fluch?

Wir haben Preisgleitklauseln in etwa 50 Prozent des Portfolios. Die sind zum Teil aber heute nicht mehr geeignet, weil sie sich auf Metalle beziehen, die immer schon eine gewisse Zyklizität hatten. Energie, die gerade die großen Kostensteigerungen verursacht, ist selten abgedeckt. Da müssen wir mit unseren Kunden verhandeln. Das machen unsere Lieferanten auch. Zu langjährigen Partnerschaften gehört auch, manchmal einen Vertrag wieder aufzumachen, weil es nicht sein kann, dass nur eine Partei die Lasten trägt.

Der Umsatz der neuen Sparte Green betrug pro forma im abgelaufen Jahr 54 Millionen, der operative Verlust 26,1 Millionen. Wann gibt es schwarze Zahlen?

Der Umsatz kommt aus dem Torqeedo-Geschäft, wo die Motoren im Markt sind. Das Geschäft ist knapp unter der Gewinnschwelle. Die Verluste kommen aus Forschungs- und Entwicklungskosten für elektrifizierte Systeme oder den Wasserstoffmotor, sind also Anlaufinvestitionen. Verluste in dem Segment wird es auch noch in den nächsten Jahren geben. Sobald wir die alternativen Antriebe jedoch in Serie auf den Markt bringen, werden sie auch profitabel sein.

Wie lange muss der Diesel noch für Gewinne sorgen, die Deutz für den Umbau braucht?

Der wird noch einige Jahre Geld verdienen. Als Vision haben wir im Herbst herausgegeben, dass wir nach 2030 50 Prozent unseres Geschäfts im Green-Segment machen. Das heißt aber auch, dass wir die andere Hälfte noch mit unserem klassischen Geschäft erwirtschaften werden. Das Neumotorengeschäft mit Dieseln wird irgendwann zurückgehen. Im Feld sind aber sehr viele Anlagen, die weiterhin Service benötigen. Wie alle Anlagenbauer verdienen wir im Service gutes Geld, gerade in Europa und Amerika. Damit können wir die nötigen Investitionen tätigen und unseren Aktionären kontinuierlich Dividenden ausschütten. Green soll in der zweiten Hälfte der Dekade in die schwarzen Zahlen kommen.

Schauen wir auf ihr China-Geschäft. Das soll einmal Großes werden mit der Herstellung von über 200.000 Motoren. Jetzt gibt es Bremsspuren. Müssen Sie die Zahlen nach unten korrigieren?

Es gab Bremsspuren in China mit dem Einbruch des Truckmarktes. Das ist eher ein kurz bis mittelfristiges Problem. Was uns mehr Sorgen macht ist die geopolitische Situation und der Umgang mit der Pandemie mit über 80 Großstädten im Lockdown oder Teillockdown, darunter Shanghai mit 25 Millionen Einwohnern. Mit Prognosen tue ich mich da schwer. Ich setze aber einen anderen Akzent. Vor Jahren wurde mal gesagt, die Zukunft von DEUTZ läge in China. Heute sehe ich China als einen für uns wichtigen und attraktiven Absatzmarkt, aber auch nur einer von mehreren. Asien ist derzeit unsere kleinste Region. Das dortige Potenzial wollen wir ausschöpfen, uns aber nicht abhängig machen von einem Markt.

Nicht nur in China gibt es Bremsspuren, erste Hinweise auf sie gibt es auch in Europa, etwa im deutschen Bausektor. Spüren sie das schon?

Nein, das nehme ich nicht wahr. Die Produktion in Köln ist seit Jahresstart sehr gut ausgelastet. Aktuell fahren wir im Zwei-Schicht-Betrieb, für eine dritte Schicht fehlt das Material. Wir haben auch noch einen sehr hohen Auftragsbestand. Wenn die Konjunktur aber abreißen sollte, gibt es in der Regel Stornierungen. Unsere Kunden berichten noch von langen Auftragsreichweiten. Wir dürfen aber sicher nicht naiv sein. Dieser Krieg wird einen negativen Effekt auf das globale Wirtschaftswachstum haben. Und darauf müssen wir vorbereitet sein.

Ihre erste Aktionärsversammlung als Vorstandschef steht am Donnerstag an. Habe Sie die Rede schon fertig?

Natürlich. Ich freue mich schon auf die Veranstaltung. Leider wird es wieder eine virtuelle Hauptversammlung. Das ist schade. Das Format ist mir aus dem letzten Jahr schon vertraut.

Nachdem die Dividende zwei Jahre ausgefallen ist, soll es jetzt wieder eine Ausschüttung von 0,15 Euro pro Aktie geben. Die ist bezogen auf den Gewinn relativ hoch. Ist das eine neue Dividendenstrategie?

Richtig ist, dass wir für 2021 eine Ausschüttungsquote von knapp über 45 Prozent haben. Das ist hoch, aber wir wollten nach zwei Jahren ohne Dividende ein Zeichen setzen. Dauerhaft streben wir eine Ausschüttungsquote von 30 Prozent an. Zukünftig wollen wir die Dividende dadurch steigern, dass die Gewinne wachsen, und so auch die Aktie und die Firma attraktiver machen. Da setzen wir zunächst auf den klassischen Bereich, wo wir das Volumen haben und den starken Service-Bereich. Mittelfristig gilt das dann auch für die alternativen Antriebe. Letztlich zählt nur die Profitabilität. Hier liegen wir noch hinter dem Wettbewerb, wollen das aber ändern. Wir sind fest davon überzeugt, dass uns das gelingt. Diese Überzeugung spiegelt sich in unserem Dividendenvorschlag wider.  

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