Heinz G. Rittmann vom Bauverband NRW vermittelt Auszubildende aus Afrika an deutsche Baubetriebe. Die Motivation der afrikanischen Azubis ist dabei bemerkenswert.
Bauverband NRWAfrikanische Azubis begeistern deutsche Baubetriebe

Immer mehr Betriebe in Deutschland finden einer Umfrage zufolge nicht genügend Auszubildende.
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Düsseldorf Heinz G. Rittmann wirkt entspannt, als er von seiner „Zigarettenpause“ zurückkehrt. Der 62-jährige stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Bauverbände.NRW hat guten Grund zur Gelassenheit: Während die deutsche Baubranche unter akutem Fachkräftemangel leidet, vermittelt er erfolgreich Auszubildende aus Afrika – mit einer Erfolgsquote von 100 Prozent.
Die Lage ist ernst: Laut Soka-Bau (Sozialkassen der Bauwirtschaft) ist die Zahl der Ausbildungsverhältnisse für 2024 um 4,7 Prozent rückläufig – das dritte Minus in Folge. Der akute Fachkräftemangel wird durch den Ruhestand von rund 200.000 Beschäftigten in den nächsten zehn Jahren noch verstärkt. „Wir werden mit den 44 Auszubildenden, die wir bisher vermittelt haben, nicht gegen die 200.000 gegen arbeiten können, die in den nächsten zehn Jahren abhauen“, gibt Rittmann unumwunden zu.
Seit über 25 Jahren arbeitet der Experte für Betriebswirtschaft und Internationales bei den Bauverbänden. Seine Afrika-Erfahrung begann im Jahr 2000 in Äthiopien, wo der Verband Kapazitätsaufbauprojekte für die EU und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit realisierte.
Der Pool-Ansatz: „Afrika zu uns holen”
Als deutsche Baufirmen vor einigen Jahren mitteilten, sie seien „dermaßen voll“ mit Aufträgen und bräuchten alle Leute hier, kam Rittmann eine Idee: „Warum drehen wir das Spielchen jetzt nicht einfach um? Nicht wir gehen nach Afrika, sondern überspitzt formuliert, wir holen Afrika zu uns.“
Der sogenannte Pool-Ansatz funktioniert so: Lokale Partner in Äthiopien und Mosambik suchen Kandidaten mit Bauhintergrund, die Deutschprüfungen auf B1-Niveau bestehen. „Eine Straßenbauingenieurin haben wir aus einem Barbershop geholt, einen Bautechniker aus Mosambik von der Supermarktkasse“, erzählt Rittmann. Der wirtschaftliche Druck in diesen Ländern sei so „dermaßen groß, dass die bis unter die Haarspitze motiviert sind.“
Die Motivation der afrikanischen Azubis überrasche selbst erfahrene Bauunternehmer. „Das Erste oder Zweite, was die fragen, ist: Darf ich auch samstags arbeiten? Das kennen unsere Betriebe schon gar nicht mehr“, berichtet Rittmann. Sein „Rekordhalter“ überweise monatlich 850 Euro durch zusätzliche Arbeit in die Heimat nach Äthiopien.
Die Kandidaten finanzieren Deutschkurse, Deutschprüfung, Visum und Flugticket vor – insgesamt etwa 2500 bis 3000 Euro. „Die Familien schmeißen zusammen“, erklärt Rittmann. Die deutschen Betriebe erstatten diese Summe in drei Stufen zurück: ein Drittel bei Ausbildungsstart, ein Drittel nach bestandener Gesellenprüfung, und ein Drittel nach zwei Jahren als Facharbeiter.
Null Prozent Abbruchquote
Die Bilanz ist beeindruckend: Von den bisher 44 vermittelten Auszubildenden hat keiner die Ausbildung abgebrochen. „Null Prozent Abbruchquote erst mal seitens der Azubis, die sind alle weiterhin im Spiel“, sagt Rittmann stolz. Auch die Betriebe seien zu 100 Prozent zufrieden und fragten weiter nach. Manche Azubis hätten bereits Vorschläge zur Ausbildungsverkürzung erhalten, andere den Führerschein gemacht oder Urlaub in der Heimat verbracht – „und sind ganz normal wieder zurückgekommen.“
Aufgrund der hohen Nachfrage hat der Bauverband sein Tätigkeitsfeld um Ghana und Senegal erweitert. In zwei Wochen fliegt Rittmann wieder nach Ghana, um dort „interkulturelle Sensibilisierungskurse“ durchzuführen. Die Zusammenarbeit erfolgt dabei auch über die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und ein EU-Projekt.
Trotz des Erfolgs sieht Rittmann Verbesserungsbedarf bei den Behörden: „Ich behaupte, wir haben auch schon in den Ausländerbehörden personelle Engpässe.“ Manche Azubis hätten sich schon „auf die Treppe bei einigen Ausländerbehörden hingesetzt und gewartet“, bis ein Sachbearbeiter kam. Um solche bürokratischen Hürden zu umgehen, empfiehlt Rittmann den Betrieben, ihre Auszubildenden beim Senior Expert Service anzumelden – einem ursprünglich für deutsche Azubis entwickelten Programm zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen. Denn nach der Ausbildung beginnt oft das „große Zittern”: „Dürfen die nach der Ausbildung hierbleiben oder müssen die zurück?”
Angesichts der massiven Investitionen, die die neue Bundesregierung in die marode Infrastruktur stecken muss, ist Rittmanns Botschaft klar: „Wer soll das denn umsetzen? Wir brauchen die Leute.“ Sein Appell: „Wir müssen mehr Azubis bekommen, egal woher.“