Nur ein wenig kleiner geraten

Lesezeit 3 Minuten

STÜLINGHAUSEN. Wenn Inge Kesterke im Supermarkt an die frischen Tomaten möchte, muss sie Umstehende bitten, sie ihr zu reichen. An die Waage reicht sie ebenso wenig heran wie an das Laufband an der Kasse.

Inge Kesterke ist ganze 1,05 Meter groß. Sie hat gelernt, damit zurecht zu kommen. Als kaufmännische Angestellte arbeitete sie 35 Jahre bei der Firma Kampf in Mühlen, sie war verheiratet und hat einen ebenfalls kleinwüchsigen Sohn. „Leicht war es nie“, gesteht die 67-Jährige. Die Oberbantenbergerin gehört zu den etwa 80 000 Kleinwüchsigen, die in Deutschland anerkannt sind.

Dies sind Menschen bis zu einer Größe von 1,30 Metern, die als Schwerbehinderte eingestuft sind. Sieben Hauptursachen für das verminderte Körperwachstum nennt der Bundesselbsthilfe Verband Kleinwüchsiger.

Wie viele Menschen davon im Oberbergischen betroffen sind, weiß niemand. Mehr als die drei Kleinwüchsigen, die sich am vergangenen Samstag im VdK-Haus zum monatlichen Treffen des Landesverbandes aus dem Kreis einfanden, sind es gewiss. „Zum Bundestreffen kommen gerade mal 150 Mitglieder“, berichtet Landesvorsitzender Hans-Peter Wellmann. „Viele von uns haben ein Problem damit, sich unter ihresgleichen zu mischen. Kleinwüchsigkeit bei anderen zu sehen, ist oftmals schwerer zu ertragen, als mit der eigenen umzugehen.“

Dabei helfe, so Wellmann, sich in einer ausgelassenen Alltagsatmosphäre auszutauschen und dabei festzustellen, dass man nicht allein sei.

Ihre Größe um die 1,30 Meter haben Anne und Horst Meiners längst zu akzeptieren gelernt. Das Gummersbacher Ehepaar weiß sich zu behaupten, auch wenn nahezu jeder auf sie herabsehen muss. „Wir haben das nie anders erfahren“, meint Horst Meiners.

Auf dem VdK-Parkplatz ahnt man nichts vom Treffen der Kleinwüchsigen. Sie fahren ganz normale Autos. Je nach Art der körperlichen Einschränkung sind die Fahrzeuge im Innern den Bedürfnissen angepasst. „Was wir nicht verstehen: Staatliche Zuschüsse gibt es für unsere Fahrzeuge nur für Berufstätige. Aber auch kleinwüchsige Rentner wollen mobil sein.“

Da Kleinwüchsige nicht als gehbehindert gelten, ist ihnen das Parken auf entsprechenden Parkbuchten verwehrt. „Dabei sieht das Gesetz Sonderausweise für Personen bis 1,38 Meter Größe vor“, sagt Anne Meiners. „Damit darf man an Parkautomaten kostenlos stehen.“ Das jedoch weiß kaum jemand in den Kommunen, sagen die Meiners und Kesterke nickt zustimmend: „In Wiehl musste ich auch hartnäckig darum kämpfen“, bestätigt sie.

Kein Kleinwüchsiger würde sich kleinwüchsig zaubern, versichert Hans-Peter Wellmann. „Natürlich nicht.“ Doch bis auf zeitweilige Schmerzen vermisse man nicht wirklich etwas, beteuern sie alle in Stülinghausen. „Aber wir sind keine Märchenwesen“, unterstreicht Inge Kesterke. „Weder Liliputaner, noch Zwerge oder Gnome. Wir sind ganz normale Menschen. Nur ein wenig klein geraten.“

 www.kleinwuchs.de

Rundschau abonnieren