„Schulbücher folgen zeitnah“Schulministerin Yvonne Gebauer im Interview

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Yvonne Gebauer, nordrhein-westfälische Schulministerin (FDP).

  • Die Schulministerin spricht mit uns über die Folgen von G9 und das Zentralabi.
  • Die Kernlehrpläne für G9 sind schon fertig und die neuen Bücher im Druck.
  • Doch wie steht es um den „Masterplan Grundschule“?

Düsseldorf – Wenn die Sommerferien beginnen, hat die Schulministerin meist noch eine Menge auf dem Schreibtisch. In den Urlaub geht es für Yvonne Gebauer erst diese Woche, nach Mallorca.

Das Schuljahr ist vorbei, und NRW wechselt zu G9. Werden am ersten Schultag nach den Sommerferien alle Schüler die neuen Schulbücher in den Händen halten?

Gebauer Wir haben frühzeitig den Kontakt mit den Verlagen aufgenommen und ihnen die Kernlehrpläne schnellstmöglich zur Verfügung gestellt. Inwieweit jetzt die Schulbuchverlage mit ihren Büchern für alle Fächer druckfertig sind, das kann ich derzeit nicht beurteilen. Aber es gibt schon neue Bücher, die sogar bereits genehmigt wurden. Die weiteren werden zeitnah folgen. Wichtig ist vor allen Dingen die rechtzeitige Fertigstellung der Lehrpläne, und das ist gelungen.

Wie viel Prozent der Gymnasien werden künftig noch Übermittagsbetreuung anbieten?

Gebauer Diese Daten liegen nicht vor. Hierzu müsste nach dem Übergang zum neuen G9 im kommenden Schuljahr eine Befragung erfolgen. Wichtiger ist jedoch: Die Angebote müssen ins regionale Schulangebot und zum Bedarf vor Ort passen.

Ist das im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Landesregierung denn nicht von Interesse?

Gebauer Grundsätzlich schon. Ich bin aber sicher, dass die Schulkonferenzen vor Ort verantwortungsvoll mit dieser Frage umgehen und hinsichtlich der Übermittagsbetreuung kluge Entscheidungen treffen.

Sie hatten für das ausgelaufene Schuljahr den „Masterplan Grundschule“ angekündigt. Warum liegt er noch nicht vor?

Gebauer Die Arbeiten daran sind weit fortgeschritten. Einige Elemente sind den Beteiligten aus den bisherigen Gesprächen auch schon bekannt. Vor allem mit den Eltern- und Lehrerverbänden haben wir schon zwei Gespräche geführt. Beim letzten Mal hat sich aber weiterer Gesprächsbedarf ergeben. Zudem liegt uns an einem intensiven Austausch mit dem zuständigen Hauptpersonalrat. Diese Gespräche werden wir unmittelbar nach den Sommerferien führen.

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Wo liegen Sie auseinander?

Gebauer Wir liegen grundsätzlich gar nicht auseinander. Aber der Masterplan soll den Grundschulen auch nicht übergestülpt werden. Es gibt in den unterschiedlich zusammengesetzten Gesprächsrunden unterschiedliche Blickwinkel. Es geht um umfassende Information und um Ausgleich im Interesse der Grundschulen. Manche Prozesse dauern einfach länger, als man ursprünglich dachte. In Zukunft werden wir mit Terminankündigungen aber etwas zurückhaltender sein, das habe ich daraus gelernt.

Nach unseren Informationen soll es 650 weitere Sozialpädagogen für die Grundschulen geben. Hat der Finanzminister inzwischen zugestimmt?

Gebauer Der Haushalt 2020 ist ja noch nicht verabschiedet. In der ersten Tranche 2018 kamen ja bereits 600 Sozialpädagogen zur Unterstützung an die Grundschulen, zu 98 Prozent sind diese Stellen besetzt. Zum neuen Schuljahr 2019/2020 werden es noch einmal 557 sein. Die Ausschreibung läuft seit Mai, und wir haben mit den noch offenen Stellen aus dem bisherigen Besetzungsverfahren in diesem Jahr schon 80 Prozent davon besetzt. Das sind sehr gute Quoten und das sorgt für Entlastung an den Grundschulen.

Zweiter Punkt des Masterplans: der Englisch-Unterricht. Wird er künftig erst ab der dritten Klasse erteilt?

Gebauer Abschließend ist diese Entscheidung noch nicht getroffen.

Das eigentliche Kernproblem der Grundschulen ist ja der Lehrermangel. Wie steht es um die gleiche Besoldung von Grundschullehrern?

Gebauer Zur Klarheit vorab: Der Grund für den Lehrermangel an den Grundschulen liegt nicht in der Frage der Bezahlung. Der Grund liegt darin, dass es in der Vergangenheit zu wenig Studienplätze für dieses Lehramt gab. Dennoch sage ich ebenso klar: Nach der Reform der Lehrerausbildung aus dem Jahre 2009 ist eine Angleichung der Einstiegsbesoldung gerechtfertigt. Die Landesregierung hat immer gesagt, dass sie die besoldungsrechtlichen Konsequenzen aus der verlängerten Lehrerausbildung ziehen wird

Sie hatten Sekundarstufe-II-Absolventen mit dem Versprechen an die Grundschulen gelockt, danach eine feste Stelle an einer weiterführenden Schule zu bekommen. Wäre es nicht besser, sie an den Grundschulen zu halten?

Gebauer Die ersten der aktuell insgesamt 247 Sek-II-Lehrer haben im Frühjahr 2020 ihre zwei Jahre Grundschule absolviert, und es gibt einige, die bleiben wollen. Tatsächlich haben wir im Ministerium eine Gesetzesvorlage für den Landtag erarbeitet, in der es auch darum geht, diesen Lehrkräften ein attraktives Angebot für den Verbleib an den Grundschulen unterbreiten zu können.

Eine Kölnerin in Düsseldorf

Geboren 2. August 1966 in Köln

Beruf Nach dem Abitur: Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten, 1994–2004 Leitung eines Langzeithotels (Boardinghaus) in Köln, 2007 Geschäftsführerin eines Immobilienunternehmens

Politik Seit 1982 in der FDP, 2004–2012 Ratsmitglied in Köln, seit 2012 im Landtag, dort schulpolitische Sprecherin, seit 2017 NRW-Schulministerin

Familie Verheiratet, ein Sohn

Wie wollen Sie das erreichen?

Gebauer Wenn sie bleiben möchten, soll die Verbeamtung zu attraktiveren Konditionen ermöglicht werden.

Was planen Sie noch, um den Mangel an Grundschullehrern zu bekämpfen?

Gebauer Wir erarbeiten gerade das System eines schulscharfen Sozialindex, der bewirken würde, dass besonders Schulen in schwierigen sozialen Lagen mehr Lehrerstellen bekommen würden. Wir denken darüber nach, Lehrern, die bereit sind an Schulen mit dringendem Personalbedarf und schwer besetzbaren Stellen zu gehen, befristete Zuschläge zu zahlen. Auf diese Weise können wir den Lehrermangel gezielter angehen.

Wann wird es in NRW genug Grundschullehrer geben?

Gebauer Nach der Lehrerbedarfsprognose frühestens im Jahre 2032/33. Damit es schneller geht, ergreifen wir kurzfristig und ohne Denkverbote Sondermaßnahmen und erhöhen die Zahl der Studienplätze. So soll es in den nächsten Jahren deutlich vor 2032/33 schneller und Schritt für Schritt besser werden.

Die Kritik an der Vergleichbarkeit der Abiturnoten reißt nicht ab. Was halten Sie von einem Zentralabitur?

Gebauer Ich bin sehr dafür, die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zwischen den Bundesländern zu erhöhen. Die Kultusministerkonferenz bemüht sich gegenwärtig darum. Aber das geht sehr schleppend voran, weil man ja nicht nur die Prüfungen anpassen kann, sondern auch den vorangehenden Unterricht in der Oberstufe in den Blick nehmen muss. Jedes Land pocht hier auf seine Hoheit. NRW wäre aber sofort bereit, hier entsprechende Vorschläge zu unterstützen.

Wie wollen Sie größere Vergleichbarkeit zwischen den Ländern auch im Hinblick auf Numerus-Clausus-Studienfächer herstellen?

Gebauer Zum Beispiel, indem der zentrale Aufgaben-Pool für derzeit vier Fächer künftig auch auf weitere Fächer ausgedehnt wird. Auch muss etwa der Einsatz eines grafikfähigen Taschenrechners in den Abitur-Prüfungen einheitlich geregelt werden. Zudem müssen wir verhindern, dass einzelne Länder zwar Aufgaben aus dem gemeinsamen Pool herauspicken, die Prüfung dann aber abweichend bewerten, weil das Ergebnis nicht wie gewünscht ausgefallen ist. Darin sind wir uns alle einig, weil sonst auf Dauer das Abitur entwertet wird.

Kirsten Bialdiga führte das Interview.

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