Elektroauto „Togg“Erdogan bekommt seinen Traumwagen

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan posiert mit einem roten Auto.

Nationales türkisches Auto mit italienischem Design: Der „Togg“ und ein stolzer Präsident.

Das erste türkische E-Auto: Warum der vermeintliche Coup Erdogan vielleicht mehr schadet als nützt.

Recep Tayyip Erdogan bekommt sein Traumauto. Am Montag will der türkische Präsident das erste E-Auto seines Landes abholen. Mit dem für fast vier Milliarden Dollar entwickelten „Togg“ will Erdogan den Türken kurz vor den Wahlen am 14. Mai zeigen, dass das Land den Sprung zur modernen Industrienation geschafft hat. Für die meisten Türken ist das Auto allerdings unerschwinglich.

Das Land ist schon jetzt ein wichtiger Standort internationaler Autokonzerne wie Fiat, Ford oder Toyota, die dort Wagen für den europäischen Markt bauen lassen. Die Massenproduktion eines „nationalen und inländischen“ Autos, wie Erdogan es nennt, hat es aber noch nie gegeben. Bei der Vorstellung des Togg-Prototyps vor dreieinhalb Jahren sagte Erdogan deshalb, für die Türkei gehe ein Traum in Erfüllung.

Türkisches E-Auto: Pinifarina und Bosch sind dabei

So ganz „national und inländisch“ ist der Togg jedoch nicht. Das Design stammt von der italienischen Firma Pininfarina, der Motor von Bosch, und die Batterie wird mit einem chinesischen Partner hergestellt.

Erdogan will den Togg eines Tages „auf den Straßen der ganzen Welt sehen“. Ab dem kommenden Jahr soll der Wagen nach Deutschland und in andere europäische Länder exportiert werden. Bis 2030 sollen eine Million der E-Autos vom Band rollen. Für Togg – die Abkürzung steht für den Projektnamen „Unternehmensgruppe Türkisches Automobil“ – haben sich vier Konzerne und der Verband der Handelskammern zusammengetan. Togg-Chef Mehmet Gürcan Karakas ist ein ehemaliger Bosch-Manager.

Gebaut wird der Togg in der Provinz Bursa bei Istanbul, dem Zentrum der türkischen Autoindustrie. Um den einheimischen Absatz zu sichern, erhöhte Ankara den Einfuhrzoll für chinesische E-Autos, die dem Togg Konkurrenz machen könnten, kürzlich um 40 Prozent. Zudem verpflichtete sich der türkische Staat zur Abnahme von 30 000 Toggs bis 2035.

Erdogan hat Vision von einem „Türkischen Jahrhundert“

Mit dem Start der Auslieferung der Neuwagen an die Kundschaft kurz vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai kann Erdogan das Projekt im Wahlkampf nutzen. Das Auto gehöre zu seiner Vision eines „türkischen Jahrhunderts“, sagte der Präsident jetzt in einem Interview. Am Montag will Erdogan als erster Togg-Kunde in seinen Wagen steigen; das zweite Exemplar geht an den aserbaidschanischen Staatschef Ilham Alijew, einen engen Partner.

Erdogan preist das Auto und die bisher 177 000 Vorbestellungen als wirtschaftlichen Erfolg seiner Regierung an. Angesichts hoher Inflation, des Wertverfalls der Lira und Erdbeben-Schäden von mehr als 100 Milliarden Dollar braucht er gute Nachrichten, die er unters Volk bringen kann. Bis zum Wahltag will der Präsident deshalb noch andere Innovationen präsentieren.

Für die kommenden Wochen plant Erdogan nach eigenen Worten die Vorstellung des in der Türkei entwickelten Kampfflugzeuges „Hürjet“. Auch will er das Kriegsschiff „TCG Anadolu“ präsentieren, das erste amphibische Landungsschiff der Türkei und neue Flaggschiff der Kriegsmarine. Bald soll zudem das erste Erdgas aus Gasfeldern vor der heimischen Schwarzmeerküste ins Netz gepumpt werden. Zusammen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin will Erdogan dann zwei Wochen vor der Wahl den ersten Block des ersten türkischen Atomkraftwerks in Betrieb nehmen, das vom russischen Unternehmen Rosatom für rund 20 Milliarden Dollar gebaut wird.

Schlechter Zeitpunkt für Autobranche in der Türkei

Mit diesen Paradeprojekten könnte Erdogan allerdings viele Türken eher abstoßen als erfreuen. Kritiker sehen den Togg als Verschwendung von Steuergeldern für politische Zwecke. Der regierungskritische Kolumnist Orhan Bursali warf Erdogan vor, mit dem Wagen eine „Wahl-Show“ abzuziehen. Togg-Skeptiker verweisen zudem darauf, dass die nötige Infrastruktur fehlt: In der Türkei gibt es bisher nur wenige Tausend öffentlich zugängliche Ladestationen für Elektroautos.

Auch kommt der Togg zu einer Zeit auf den Markt, in der viele Türken an einen Neuwagen nicht einmal denken können. Der gesetzliche Mindestlohn von 407 Euro im Monat, von dem Millionen Bürger leben müssen, reicht für viele Familien nicht aus: Die Armutsgrenze für einen vierköpfigen Haushalt liegt nach Gewerkschaftsangaben bei einem Monatseinkommen von 1500 Euro. Drei von vier Wählern nennen in aktuellen Umfragen die schlechte Wirtschaftslage und die Arbeitslosigkeit als ihre größten Probleme.

Genug Geld für einen Togg haben deshalb nur wenige. Der Preis für das Einstiegsmodell von knapp 50000 Euro ist zehnmal höher als ein Jahreseinkommen bei Mindestlohn.

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