Die Investigativplattform „Sistema“ hat Belege für gleich zwei Tricks des Kremls gesammelt, die Putins wahren Aufenthaltsort verschleiern sollen.
Aufwändige Recherche„Fake Videos“ und Kulissen – Putin-Geheimnisse aufgedeckt

Kremlchef Wladimir Putin im Kreml. Der russische Präsident nutzt einer Recherche zufolge mindestens drei identische Büros an verschiedenen Orten, um seinen Aufenthaltsort zu verschleiern. (Archivbild)
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Für Kremlchef Wladimir Putin sind mindestens drei identische Büro-Kulissen an verschiedenen Orten in Russland eingerichtet worden, um den wahren Aufenthaltsort des russischen Machthabers zu verschleiern. Das berichten das Investigativprojekt „Sistema“ und der Sender Radio Liberty. Eine Recherche habe eindeutige Hinweise für die Verschleierungstaktik des Kremls geliefert, heißt es in dem am Dienstag (11. November) veröffentlichten Berichten.
„Der Türgriff im Büro, eine Zierlinie an der Wand und ein Ordner für Papiere“, seien die „wichtigsten Beweismittel“ für die geheimen Büros des Kremlchefs, hieß es bei Radio Liberty weiter. Demnach sollen sich die mindestens drei identischen Arbeitsplätze Putins in den Residenzen des Autokraten in Nowo-Ogarjowo, Sotschi und Waldai befinden.
Investigativprojekt sammelt Belege für Putins geheime Büros
Für die Untersuchung seien zahlreiche Veröffentlichungen auf der Webseite des Kremls sowie dutzende Stunden der Sendung „Moskau. Kreml. Putin“ ausgewertet worden, berichtete Radio Liberty weiter. Dabei habe sich herausgestellt, „dass Putin mindestens drei nahezu identische Büros in drei verschiedenen Residenzen unterhält, die der Kreml jedoch konstant als das Büro in Nowo-Ogarjowo ausgibt“, berichtete der Sender.
Die Büros seien augenscheinlich identisch, einige Details hätten das Vorgehen der russischen Regierung jedoch verraten. So sei ein Thermostat in den drei identischen Büros zwischenzeitlich nicht an der exakt gleichen Stelle an der Wand platziert worden. Mittlerweile sei dieser Fehler jedoch behoben worden, berichtete Radio Liberty. Unterschiede gebe es zudem auch bei Wandfugen und Lüftungsöffnungen. Aber auch Möbelstücke verraten demnach die geheimen Büros des Kremlchefs. So habe ein Fernsehständer in den Büros jeweils unterschiedliche Füße.
„Existenz dieser Büros eindeutig bewiesen“
Die Zeitung „Proekt“ hatte unterdessen bereits 2020 über die identischen Büros des Kremlchefs berichtet. Die Journalisten behaupteten damals unter Berufung auf anonyme Quellen, Putin besitze zwei identische Büros – eines in der Region Moskau und das andere in seiner Residenz in Sotschi. Der Kreml dementierte daraufhin jegliche „Doppelbüros“ und sprach von einem „Informationsangriff“. Zum ersten Mal habe man nun die Existenz dieser Büros eindeutig beweisen und ihren Standort bestimmen können, berichteten „Sistema“ und Radio Liberty nun.
Das Investigativprojekt hatte erst kürzlich eine weitere für den Kreml unangenehme Recherche veröffentlicht. Demnach nutzt die russische Regierung regelmäßig vorproduzierte „Fake-Videos“, um den Anschein zu erwecken, dass der Kremlchef emsig bei der Arbeit sei, obwohl Putin tatsächlich gar keine Termine wahrgenommen habe.
Wladimir Putin setzt offenbar auf vorproduzierte „Fake-Videos“
Für diesen Zweck würden entsprechende Videos von Treffen mit Beamten mitunter bereits Monate im Voraus produziert, um sie dann später nutzen zu können, hieß es bei „Sistema“. Derartige Clips würden in Russland „Konserven“ genannt, berichtete das Investigativprojekt Anfang November. Mindestens zehn solcher Videos seien allein in den Monaten April, Mai und ab Mitte August 2025 vom Kreml veröffentlicht worden, hieß es weiter.

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Telefonat. (Archivbild)
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Auch bei dieser Recherche lieferten offenbar Details die entscheidenden Hinweise auf die Täuschung. Der Inhalt von Bücherregalen und Stiftebechern habe zwischen den Auftritten variiert – und habe dann mitunter Wochen später wieder dem vorherigen Aufbau entsprochen, der in der Realität bereits lange zuvor geändert worden war, erklärte „Sistema“.
Experten: Vorproduzierte Videos sollen Putins Arbeitseifer belegen
Auch Putins Gesprächspartner hätten eindeutige Hinweise für das Vorgehen des Kremls geliefert, berichtete das Investigativprojekt weiter. Diesen werde zwar vorgegeben, am Tag der Veröffentlichung der Videos exakt dieselbe Kleidung zu tragen wie auch bei der Aufzeichnung, dabei seien jedoch mehrfach Fehler gemacht worden. So habe eine Gesprächspartnerin Putins etwa jeweils unterschiedliche Ohrringe getragen. Eine weitere Person habe statt wie im Video ein Armband plötzlich eine Uhr umgehabt, berichtete das Investigativprojekt.
Über die „Konserven“-Video hat es zuvor bereits unbestätigte Berichte gegeben. Auch jetzt gibt es keine Stellungnahme aus Moskau zu den Vorwürfen. Der Kreml habe jegliche Anfragen dazu unbeantwortet gelassen, berichteten russische Exil-Medien wie „Sistema“ oder „Meduza“.
Die „Konserven“ sollen demnach den Eindruck erwecken, dass Putin rund um die Uhr arbeite, zitierten die russischen Investigativmedien die Einschätzung von Kreml-Experten. Besonders in autoritären Systemen wie in Russland gelte: Präsenz ist Macht. Fragen nach Putins Zustand oder nach Gründen für ein etwaiges Verschwinden aus der Öffentlichkeit seien für die russische Staatspropaganda bedrohlich. Daher versuche der Kreml, diesen Eindruck mit vorproduzierten „Fake-Videos“ zu vermeiden.

