Sergej Lawrow verschwindet, schnell kursieren Gerüchte und Memes im Netz. Nun äußert sich der Kreml – zum zweiten Mal in wenigen Tagen.
„Wird ihm das den Rest geben?“Lawrows Verschwinden sorgt für Wirbel – Kreml kontert Gerüchte über Zerwürfnis

Kremlchef Wladimir Putin (l.) zusammen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz. (Archivbild)
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Russlands Außenminister Sergej Lawrow ist nach russischen Angaben nicht bei Kremlchefs Wladimir Putin in Ungnade gefallen. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage wies der Kreml Gerüchte zurück, dass Lawrow sich bei Putin unbeliebt gemacht haben könnte. Der Außenminister arbeite weiterhin „sehr aktiv“, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax Putins Pressesprecher Dmitri Peskow.
„Wenn es geeignete öffentliche Veranstaltungen gibt, dann werden Sie den Minister sehen“, fügte Peskow demnach hinzu. Die kursierenden Berichte über ein Zerwürfnis zwischen Putin und dem dienstältesten russischen Minister seien „absolut falsch“, versicherte der Pressesprecher. „Es besteht kein Grund, ihnen Beachtung zu schenken, alles ist in Ordnung“, zitierte Interfax weiter.
Kreml reagiert bereits zum zweiten Mal auf Lawrow-Gerüchte
Bereits in der vergangenen Woche hatte der Kreml auf die Gerüchte über Lawrow reagiert. Diese hätten „nichts mit der Wirklichkeit gemein“, sagte Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge am Freitag (7. November). In Medien und sozialen Netzwerken hatten Spekulationen Fahrt aufgenommen, nachdem der 75-Jährige zuletzt bei einer wichtigen Sitzung des nationalen Sicherheitsrates gefehlt hatte. „Zweifellos arbeitet Lawrow als Außenminister. Natürlich“, stellte Peskow daraufhin klar – und legte mit einem weiteren Dementi nun noch einmal nach.
Gemutmaßt wurde, dass der Kremlchef dem Außenminister die Schuld für ein geplatztes Treffen von US-Präsident Donald Trump und Putin in Budapest geben könnte. Das Treffen war nach einem Telefonat Lawrows mit seinem US-Kollegen Marco Rubio abgesagt worden. Laut einem Bericht der „Financial Times“ soll es sich um ein „angespanntes Telefonat“ zwischen Lawrow und Rubio gehandelt haben. Die Amerikaner seien von der „Unnachgiebigkeit Lawrows überrascht“ gewesen, hieß es dort.
„Financial Times“ berichtet über misslungenes Gespräch mit Rubio
„Lawrow ist sichtlich müde und scheint zu glauben, dass er Besseres zu tun hat, als sich mit den Vereinigten Staaten zu treffen oder mit ihnen zu verhandeln, ganz gleich, was Präsident Putin auch immer wollen mag“, zitierte die britische Tageszeitung zudem eine mit der Angelegenheit vertraute Person.
Moskau hatte zwar von einem konstruktiven Gespräch der Außenminister gesprochen. Aber Trump, der von Putin eine Beendigung des Angriffskrieges gegen die Ukraine fordert, erklärte, dass er kein ergebnisloses Treffen in Budapest haben wolle, nachdem sich die beiden im August in Alaska getroffen hatten.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Gespräch mit seinem US-Kollegen Marco Rubio bei einem Treffen in Alaska. (Archivbild)
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Lawrow hatte auch nach dem Telefonat mit Rubio noch mehrere Auftritte. In der vergangenen Woche war der Minister, der sonst viele Termine hat, dann plötzlich wie von der Bildfläche verschwunden. Die überraschende Abwesenheit des Ministers beim Treffen des Sicherheitsrates sei „koordiniert“ gewesen, berichtete daraufhin die russische Zeitung „Kommersant“.
Sergej Lawrow verschwindet von der Bildfläche
Auch dass Lawrow nicht die russische Delegation beim bevorstehenden G20-Gipfel anführen wird, heizte die Spekulationen um den Minister schließlich weiter an. Statt Lawrow soll die Aufgabe nun Maxim Oreschkin, der stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung übernehmen, berichteten russische Medien.
Zudem berichtete der populäre Telegram-Kanal „Nezygar“, dem mehr als 400.000 Abonnenten folgen, dass Putin nach dem Telefonat mit Rubio ein „ernstes Gespräch“ mit Lawrow geführt habe und bezog sich dabei auf eine anonyme Quelle im Umfeld des Kremls. Demnach sei Lawrow „unvorbereitet“ in das Telefonat mit Rubio gegangen und habe jegliche Diskussion mit seinem US-Kollegen verweigert.
„Er hat offensichtlich Putins Gunst verloren“
„Er hat offensichtlich Putins Gunst verloren und scheint ein schwaches Glied zu sein“, zitierte „Nezygar“ und daraufhin auch russische Exil-Medien die Quelle weiter. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben jedoch nicht, erklärte die „Moscow Times“. Für das tagelange Verschwinden des Ministers soll demnach aber vor allem die für Lawrow „schmerzhafte“ Berichterstattung der „Financial Times“ gesorgt haben, hieß es bei „Nezygar“ und weiteren russischen Medienberichten.
Der kremlnahe frühere Diplomat Boris Bondarew widersprach den Berichten über einen Disput in Moskau unterdessen. „Auch wenn diese Version ihre Daseinsberechtigung hat, hat Lawrow nichts gesagt, was die Amerikaner hätte beunruhigen können“, sagte Bondarew in einem Interview.
Will Putin Schuld auf Lawrow abwälzen?
Die Gerüchte, dass Lawrow „unhöflich“ zu Rubio gewesen sei oder die Absage des Treffens zwischen Trump und Putin verursacht habe, seien „völliger Unsinn“, führte der Ex-Diplomat aus. Es sei jedoch möglich, dass Putin die Schuld für das Platzen der Gipfelpläne mit Trump auf Lawrow „abgewälzt“ habe, um keine persönliche Verantwortung für das jüngste Scheitern der Gespräche mit den USA übernehmen zu müssen, erklärte Bondarew.
In den sozialen Netzwerken wurden die Spekulationen unterdessen auch von einer Vielzahl von Memes und Witzen begleitet. Besonders populär waren dabei Anspielungen auf Fensterstürze oder Vergiftungen bei in der Vergangenheit zuvor angeblich „in Ungnade gefallenen“ russischen Politikern, Kremlkritikern oder Geschäftsleuten.
Lawrows Verschwinden sorgt für hämische Memes im Netz
Auch in der Ukraine wurden die Gerüchte um Lawrow befeuert. So nahm etwa der stellvertretende Außenminister Serhij Kyslyzja eine für Russland wenig erfolgreich verlaufene Abstimmung bei den Vereinten Nationen zum Anlass, nach Lawrows Zukunft zu fragen. „Wird das heutige massive und totale UNESCO-Fiasko Moskaus der letzte Strohhalm sein, der Lawrow den Rest gibt?“, schrieb Kyslyzja auf der Plattform X.
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekannt gegeben, dass die Ukraine in den Exekutivrat der UNESCO gewählt worden sei. Die Ukraine habe dabei die meisten Stimmen aller Kandidatenländer bekommen und zusammen mit Rumänien und Moldau Russland überholt – das die Wahl zum zweiten Mal in Folge verloren habe und daher nicht im Präsidium vertreten sein werde, berichteten ukrainische Medien.
Sergej Lawrow meldet sich mit Zar-Zitat zurück
Lawrow, der seit mehr als 20 Jahren im Amt ist und als einer der bekanntesten Außenminister weltweit gilt, meldete sich zu Wochenbeginn schließlich wieder in der Öffentlichkeit zurück – ohne dabei einen Kurswechsel zu vollziehen.
„Es gibt Länder, die bis vor Kurzem auf westliche Hersteller setzten, aber angesichts der weltweiten Entwicklungen und der verschiedenen Konflikte, in denen unterschiedliche Waffensysteme zum Einsatz kommen, zunehmend von der Überlegenheit unserer Waffen überzeugt sind“, schwärmte Lawrow in einer TV-Sendung von der russischen Rüstungsindustrie und fügte nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Tass hinzu: „Wir erinnern uns oft daran, dass Russland noch zwei Verbündete hat – das Heer und die Marine – aber natürlich müssen die Luft- und Weltraumstreitkräfte hinzukommen.“
Damit zitierte der Außenminister einen bekannten Ausspruch von Zar Alexander III., der die zentrale Bedeutung militärischer Stärke für Russlands Sicherheit und Position in der Welt unterstreichen soll. Der Zar habe diese Worte im späten 19. Jahrhundert gesprochen, kommentierte der Vorsitzende des Auswärtigenausschusses im estnischen Parlament, Marko Mihkelson, am Montag bei X. Lawrow habe sie nun „2025 wiederholt“, schrieb der estnische Politiker und fügte hinzu: „Nichts hat sich geändert.“ (mit dpa)

