Frage des TagesBrauchen Amtsträger mehr Solidarität?

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Christoph Landscheidt (SPD), Bürgermeister von Kamp-Lintfort. Landscheidt hat seinen Wunsch nach einem Waffenschein bekräftigt. Er werde seit geraumer Zeit aus der rechten Szene bedroht, teilte er mit. 

Berlin/Kamp-Lintfort – Der Bundespräsident will, dass nicht nur die Polizei Kommunalpolitiker, die beleidigt und bedroht werden, schützt. Die Vorfälle nahmen zuletzt drastisch zu. Auch die Bürger sollen an ihrer Seite stehen. Brauchen Amtsträger mehr Solidarität von den Menschen in ihren Gemeinden?

Die Solidaritätskundgebung für den Bürgermeister von Kamp-Lintfort ist eindrucksvoll: Neben den vielen Menschen, die am Samstag gekommen sind, um dem SPD-Politiker Christoph Landscheidt den Rücken zu stärken, wirkt die kleine Gruppe rechter Demonstranten nicht bedrohlich.

Solidaritätsbekundungen wie jetzt in der Stadt am Niederrhein tun den Betroffenen gut. Doch im Alltag fühlen sich Bürgermeister, die von radikalen Hetzern und renitenten Bürgern eingeschüchtert werden, trotzdem oft alleine und ausgeliefert.

Hetze als Vorstufe zu Gewalt

Deshalb streitet der Bürgermeister von Kamp-Lintfort vor Gericht für die Erteilung eines großen Waffenscheins. So will der von Angehörigen der rechten Szene bedrohte Politiker sich und seine Familie schützen. Das Bundesinnenministerium betont jedoch, für den Schutz von Kommunalpolitikern seien in erster Linie die Sicherheitsbehörden vor Ort zuständig. „Eine Gesetzesänderung in diesem Bereich hält die Bundesregierung für nicht erforderlich“, so das Ministerium.

Wo die Regierung Änderungsbedarf sieht, ist bei der Strafbarkeit von Hass-Botschaften. Hier soll die Schwelle gesenkt werden. Wenn Kommunalpolitiker Opfer von übler Nachrede werden, soll das genauso bestraft werden wie bei Landespolitikern und Bundestagsabgeordneten. Denn oft ist Hetze im Netz die Vorstufe zur Gewalt. So war es auch im Fall des im Juni 2019 Zuhause ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Kamp-Lintfort ist kein EInzelfall

Die Bedrohung in Kamp-Lintfort ist kein Einzelfall. Ende Dezember war in der niedersächsischen Gemeinde Estorf der SPD-Bürgermeister Arnd Focke zurückgetreten. Er gab an, sein Auto sei mit Hakenkreuzen verunstaltet worden. In seinem Briefkasten seien Zettel mit der Aufschrift „Wir vergasen dich wie die Antifa“ aufgetaucht.

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Die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichte an diesem Wochenende ein Interview mit der Bürgermeisterin der schwäbischen Gemeinde Kutzenhausen, Silvia Kugelmann, die wegen zermürbender Anfeindungen nicht mehr kandidieren will. Einmal sei ein Nagel in den Reifen ihres Autos gedrückt worden, ein anderes Mal habe jemand ihr Auto mit Katzenkot beschmiert. Die Bürger, die so etwas tun, sind nach ihrer Erfahrung nicht immer ideologiegetrieben.

Probleme werden oft verschwiegen

Oft sprechen die betroffenen Bürgermeister nicht öffentlich über das Problem. Auch wenn der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert, sie sollten Hetze und Drohungen  thematisieren, denn nur dann könne sich die „schweigende Mehrheit“ hinter sie stellen. Nach Informationen des Verbandes wird jeder fünfte Kommunalpolitiker angefeindet.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich des Themas angenommen. Beim Neujahrsempfang sagte er: „Wir müssen unsere Stimme erheben, wann immer Menschen im öffentlichen Leben herabgewürdigt, beleidigt oder bespuckt werden.“ Die Bürger sollen sich mehr solidarisieren. Steinmeier traf sich auch mit Barbara Lüke, die als parteilose Bürgermeisterin im sächsischen Pulsnitz ständig beleidigt und attackiert wird  – etwa mit Eierwürfen auf ihre Fensterscheibe. (dpa)

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