Gazelle SharmahdIhr Vater sitzt in der iranischen Todeszelle

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Gazelle Sharmahd

Gazelle Sharmahd kämpft um das Leben ihres Vaters.

Vom fernen Los Angeles aus kämpft Gazelle Sharmahd um das Leben ihres Vaters Jamshid, der in einer Todeszelle im Iran sitzt. Ein Gespräch

„Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, nicht mehr alleine zu sein“, sagt Gazelle Sharmahd am Telefon aus Los Angeles. Ihre Stimme ist fest und entschlossen, aus jedem Satz klingt ihre Wut auf die iranische Regierung. Sie hat ihren Vater, der sich in der iranischen Exilopposition engagierte, nicht mehr sprechen können, seit er im Juli 2020 auf einer Geschäftsreise in Dubai von iranischen Agenten entführt wurde. „Nur meine Mutter durfte zweimal im Jahr mit ihm telefonieren.“

Sharmahd durfte Anklageschrift nicht sehen

In acht Verhandlungstagen wurde dem 67-jährigen Jamshid Sharmahd vor einem iranischen Revolutionsgericht der Prozess gemacht. Die letzte Sitzung fand am 10. Januar statt, ohne dass Sharmahd oder seine Familie jemals die Gerichtsakten mit der Anklage einsehen durften. 

Die Entscheidung zum Todesurteil wegen angeblicher Beteiligung an Terroranschlägen fiel am vergangenen Dienstag, doch die Entscheidung habe schon lange festgestanden, ist Gazelle Sharmahd sicher. Ihr Vater bekam zwar einen Anwalt zugeteilt, doch das sei reine Augenwischerei gewesen: „Der Regimeanwalt ist nicht dazu da, meinen Vater zu verteidigen, sondern um meinen Vater umzubringen. Der Anwalt wollte von uns 250 000 Dollar, damit er uns die Akte zeigt. Wir haben das Geld nicht – er hätte uns die Akte sowieso nicht gezeigt. Er ist eine Marionette des Regimes.“

Es sei kein Zufall, dass die Gerichtsentscheidung nach viel beachteten Auftritten iranischer Oppositionsvertreter bei der Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende und einer Demonstration der Exilopposition am EU-Sitz in Brüssel am vergangenen Montag verkündet worden sei, meint Gazelle Sharmahd. „Die haben gewartet, bis es für sie passte“, sagt sie über die iranische Führung. Das Urteil sei ein „Racheakt“ für die Kundgebungen in München und Brüssel gewesen. Die Exilopposition solle eingeschüchtert werden.

Todesurteil als Druckmittel gegen Deutschland

Teheran mache keinen Hehl daraus, dass das Todesurteil gegen ihren Vater als „Druckmittel“ gegen Deutschland eingesetzt werden solle. „Der Regimeanwalt hat uns gesagt, es geht im Prozess gegen meinen Vater nicht um Geld, es geht um Politik. Deutschland solle mit dem Iran sprechen. Das ist die volle Erpressung.“ Die 41-jährige Tochter, selbst Deutsch-Iranerin, verfasst jetzt Appelle an die Bundesregierung, organisiert Petitionen und fordert deutsche Politiker auf, sich nach dem Todesurteil gegen ihren Vater vom vergangenen Dienstag nicht vom iranischen Regime erpressen zu lassen.

Drei Ziele vermutet Gazelle Sharmahd hinter dem Urteil. „Der Iran will die eigenen Terroristen zurückholen“ – Agenten Teherans, die im Westen in Haft sitzen, sollten freigepresst werden. Zweitens wolle Teheran die Rückkehr zum Atomvertrag mit dem Westen und dem darin vorgesehenen Sanktionsabbau erzwingen, was dem Regime wirtschaftliche Vorteile bringen würde. Und drittens wolle das iranische Regime bessere Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland, dem größten Handelspartner des Iran in Europa, herausschlagen.

Aufruf an Deutschland

Deshalb sei die schnelle und entschiedene Reaktion der Bundesregierung – die Ausweisung von zwei iranischen Diplomaten – ein „Schock“ für das Regime gewesen, sagt Gazelle Sharmahd. „Das Regime will, dass alles weitergeht wie bisher.“ Sie habe sich über die Berliner Reaktion gefreut. „Ich bin sehr froh, dass auf Worte sofort Taten gefolgt sind.“ Gleichzeitig frage sie sich: „Warum hat man das nicht schon vor zweieinhalb Jahren gemacht? Warum muss erst Blut fließen, bevor etwas passiert?“

Nun dürfe Deutschland nicht nachgeben. „Jetzt muss eskaliert werden. Wir brauchen die große Eskalation.“ Das iranische Regime sitzt nach Einschätzung von Gazelle Sharmahd am kürzeren Hebel. „Die brauchen Deutschland.“

Die Bundesregierung hatte nach dem Todesurteil eine „deutliche Reaktion“ angekündigt. CDU-Chef Friedrich Merz fordert den Rauswurf des iranischen Botschafters aus Deutschland. Gazelle Sharmahd schöpft neue Kraft für ihren Versuch, ihren Vater vor dem Galgen zu retten: „Die Hoffnung hält mich am Leben.“

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