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Israels Schlag gegen den IranWie der Mossad seine Macht demonstriert

Lesezeit 5 Minuten
Teheran: Rauch steigt aus einem Öllager in der iranischen Hauptstadt auf, nachdem es von einem israelischen Angriff getroffen worden zu sein scheint.

Teheran: Rauch steigt aus einem Öllager in der iranischen Hauptstadt auf, nachdem es von einem israelischen Angriff getroffen worden zu sein scheint.

Israels Mossad demonstrierte durch die erfolgreiche Infiltration und Drohnenschläge im Iran seine strategische Schlagkraft.

Es war ein Schlag ins Herz des iranischen Regimes: Am frühen Freitagmorgen tötete Israel Teherans militärische Führungsriege sowie die höchstrangigen Revolutionswächter. Zudem schwirrten Hunderte israelische Drohnen von einer geheimen Basis auf iranischem Territorium los, um Flugabwehrsysteme und Raketen zu zerstören, bevor sie Israel erreichen konnten. Gleichzeitig bombardierten rund 200 israelische Kampfjets wichtige Nuklearanlagen im gesamten Land.

Israels Geheimdienste haben sich laut Experten mindestens anderthalb bis zwei Jahre auf eine solche Operation vorbereitet. Der Mossad konnte das iranische Regime nahezu vollständig infiltrieren und so eine weitaus härtere Vergeltung für die israelischen Angriffe verhindern. „Die nachrichtendienstliche Erfolge Israels sind überwältigend. Die Realität übersteigt jede Vorstellung“, sagt Danny Citrinowicz, ein früherer Mitarbeiter des israelischen Militärgeheimdiensts.

Taktik des Mossad: Drohnenschmuggel und Infiltration

Laut Berichten der „Washington Post“ und des „Wall Street Journal“ hatte Israels Auslandgeheimdienst über Monate Drohnenteile nach Iran geschmuggelt – in Koffern, Containern und Lastwagen. Am Morgen des Angriffs sollen sich kleine Teams des Mossad in der Nähe von iranischen Abschussrampen und Flugabwehrsystemen positioniert haben, um diese mit den Drohnen anzugreifen. Der Aufbau erinnert an die vor kurzem von der Ukraine durchgeführte Operation „Spinnennetz“, bei der nach Russland geschmuggelte Drohnen Militärflugzeuge zerstörten.

Nach Beginn des israelischen Großangriffs veröffentlichte der Mossad Aufnahmen, die zwei israelische Agenten auf iranischem Boden zeigen sollen. In weiteren Videos sind mutmaßliche Drohnenangriffe auf iranische Flugabwehrsysteme und Langstreckenraketen zu sehen.

Die in Iran tätigen Agenten sind laut Yossi Melman keine israelischen Staatsbürger. „Das Risiko für Israeli ist viel zu hoch“, sagt der israelische Journalist, der sich auf die Nachrichtendienste seines Landes spezialisiert hat. Es handle sich wohl um Iraner, Mitglieder der iranischen Diaspora oder Personen aus den Nachbarländern, die Persisch sprächen und die Kultur kännten.

„Diese Agenten haben wahrscheinlich eine Firma unter einem Deckmantel eröffnet, die Maschinen und damit auch Drohnenteile importiert hat, ein Lagerhaus gemietet und von dort ihre Operation gestartet.“ Melman geht davon aus, dass rund dreißig bis vierzig Mossad-Agenten in kleinen Teams auf iranischem Boden operiert haben.

Komplette Lufthoheit über Teheran

Die Drohnenangriffe erklären, weshalb Iran bis zur Nacht auf Sonntag „nur“ rund 270 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert hat, obwohl Teheran zu Beginn des Kriegs laut Schätzungen über mehr als 2000 Langstreckenraketen verfügte.

Signifikanter für den Erfolg der Operation dürften die Angriffe auf die iranische Flugabwehr gewesen sein: Schon einen Tag nach Beginn der Angriffe konnte Israel die komplette Lufthoheit über Teheran erlangen. Aus israelischen Militärkreisen heißt es, dass bis einschließlich Sonntag pausenlos Kampfjets am iranischen Himmel im Einsatz gewesen seien.

Die Drohnenangriffe galten nicht nur militärischer Infrastruktur, sondern auch Physikern und Militärs, von denen sich viele in ihren Wohnungen befanden. „Israel konnte nicht nur bekannte Personen wie Hussein Salami töten, den Befehlshaber der Revolutionswächter. Der Mossad wusste auch, wo Atomwissenschaftler leben – ganz normale Menschen“, sagt Danny Citrinowicz vom Institute for National Security Studies in Tel Aviv.

Um die Aufenthaltsorte der Zielpersonen zu erfahren, war Israel auf lokale Informanten angewiesen. „Israels Nachrichtendienste konnten sich auf einen großen Teil der Bevölkerung stützen, der mit dem iranischen Regime unzufrieden ist“, sagt Eitan Shamir, Leiter des Begin-Sadat-Zentrums für strategische Studien, im Gespräch. Außerdem könne der Mossad die ethnischen Konflikte und die Armut innerhalb Irans für sich nutzen, um Informanten zu gewinnen.

Israels langjährige Präsenz und Operationserfahrung im Iran

Hinzu kommt, dass Israel bereits seit rund zwanzig Jahren nachrichtendienstliche Operationen in Iran durchführt. In der Vergangenheit verübte der Mossad Sabotageakte, tötete Atomwissenschaftler, nahm Bodenproben in der Nähe der Nuklearanlagen und entwendete geheime Dokumente. Die israelischen Nachrichtendienste bauten vor Beginn der Operation „Aufstrebender Löwe“ auf ihrer Erfahrung auf und vergrößerten ihre bereits bestehende Infrastruktur im Feindesland.

Laut Amos Yadlin sind Israels nachrichtendienstliche Fähigkeiten kaum vergleichbar mit jenen eines anderen Landes. Yadlin leitete bis 2010 den israelischen Militärgeheimdienst Aman. „Schon im Krieg gegen den Hizbullah hat Israel demonstriert, dass es diese Fähigkeiten besitzt – und jetzt noch einmal in Teheran. Das ist eine größere Herausforderung, weil es sehr viel weiter entfernt liegt.“

Auch im vergangenen Herbst hatte Israel in Libanon eine Strategie der „Enthauptung“ verfolgt: Mit präzisen Schlägen wird die militärische Führungsriege ausgeschaltet, um anschließend mit Luftangriffen die militärischen Mittel des Gegners zu dezimieren.

Laut Yadlin darf nicht unterschätzt werden, wie bedeutend die Schläge gegen die militärische Führungsriege Irans seien. „Das waren die Männer, die hinter dem sogenannten Ring aus Feuer standen: dem Milizensystem, das Israel einkreisen sollte.“

Die Gefahr eines Abnutzungskriegs mit Iran

Israelische Sicherheitsexperten warnen allerdings vor verfrühter Euphorie. Noch ist unklar, ob Israel das Nuklearprogramm Irans wirklich zerstören kann. Bisher hat die israelische Luftwaffe laut eigenen Angaben die tief unter der Erde vergrabene Atomanlage Fordo noch nicht angegriffen – wohl weil die dafür benötigten bunkerbrechenden Bomben fehlen.

„Was ist, wenn Iran das übrig gebliebene Uran auf waffenfähige 90 Prozent anreichert und dann die Inspektoren aus dem Land schmeißt?“, gibt Danny Citrinowicz zu bedenken. „Dann könnten wir zwar einen taktischen Erfolg feiern, hätten strategisch aber verloren.“

Auch der Geheimdienstexperte Yossi Melman ist skeptisch, ob Israels nachrichtendienstliche Erfolge dem jüdischen Staat zum Sieg verhelfen können. „Israel ist sehr gut darin, Kriege zu beginnen, aber nicht unbedingt darin, sie zu beenden“, sagt der Journalist. „Israel fehlt eine Exit-Strategie. Es sieht leider danach aus, als würden wir in einen Abnützungskrieg mit Iran gezogen – das ist schlecht für Israel.“

Iranische Reaktion und mögliche Eskalation

Nur wenige israelische Beobachter und Experten gehen derzeit davon aus, dass der Krieg das iranische Volk zum Aufstand gegen das Regime bewegen wird. Teheran verfügt derweil noch über große Vorräte ballistischer Raketen – die im ganzen Land verstreut sind. Das iranische Regime scheint gewillt und fähig, die Geschosse in höherer Frequenz einzusetzen: Nach zwei nächtlichen Angriffswellen heulten am Sonntag in Israel erstmals auch tagsüber die Alarmsirenen wegen iranischen Beschusses.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).