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Es geht um JerusalemWarum Israel ein Gebiet namens E1 besiedeln will

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Karges Land, hohe strategische Bedeutung: Israels ultrarechter Finanzminister Bezalel Smotrich am 14. August bei der Vorstellung der Siedlungspläne für Gebiet E1.

Karges Land, hohe strategische Bedeutung: Israels ultrarechter Finanzminister Bezalel Smotrich am 14. August bei der Vorstellung der Siedlungspläne für Gebiet E1.

Israels Siedlungspläne lösen internationalen Protest aus. Einer ist aber besonders umstritten. Welche Folgen hätte die Umsetzung des Siedlungsplans für das Gebiet E1 bei Jerusalem?

Die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland sind völkerrechtswidrig – darin besteht kaum ein Zweifel. Auch ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag kam 2024 zu diesem Schluss. Während Israel 2005 seine Besetzung des Gazastreifens aufgab und seine dortigen Siedlungen räumte – nach den von ihr gewonnenen Wahlen 2006 errichtete dann die Hamas ihr brutales Regime –, hält es an der Besetzung des Westjordanlandes fest. Unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu werden auch die Siedlungen wieder ausgebaut. Auf internationale Kritik – auch bei der Bundesregierung – stößt dabei ein Projekt bei Jerusalem mit der Chiffre E1.

Erste Planungen schon in den 1990er Jahren

Seit 1975 besteht östlich von Jerusalem die jüdische Siedlung Ma’ale Adumin, eine Stadt mit fast 38.000 Einwohnern. Den etwa sieben Kilometer breiten Streifen zwischen der Stadtgrenze von Jerusalem und dieser Siedlung bezeichneten schon die Briten, die vor der Gründung Israels 1948 das Mandatsgebiet Palästina verwalteten, als Gebiet E1 (East 1). Den ersten Plan, Ma’ale Adumin hier zu erweitern, fasste Israel schon unter Ministerpräsident Jizchak Rabin in den 1990er Jahren. Angesichts internationalen Drucks wurde dieser Plan bisher nie umgesetzt.

Das bislang dünn besiedelte Gebiet E1 ist für Israel strategisch ebenso bedeutend wie für die palästinensische Autonomiebehörde: Es geht um die dauerhafte Kontrolle über Jerusalem. Realisiert Israel den Siedlungsplan, dann entsteht ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet im Osten der Großstadt. Das soll auch dem Schutz des von Israel als Hauptstadt beanspruchten Jerusalem dienen. Umgekehrt sehen auch die Palästinenser Jerusalem – zumindest den Ostteil der Stadt – als ihre Hauptstadt. Über das Gebiet E1 könnten sie ihren Zugang dorthin sichern. Eine israelische Besiedlung von E1 würde zudem die bisherige, ohnehin miserable Nord-Süd-Verbindung zwischen Jerusalems Nachbarstädten Ramallah und Bethlehem unterbrechen. Der direkte Weg durch die Jerusalemer Innenstadt ist für Araber, die nur einen Ausweis der palästinensischen Autonomiebehörde besitzen, nicht nutzbar. Israel baut aber eine teilweise durch Tunnels führende Transitroute – propagandistisch „Lebensgrundlagenstraße“ genannt.

Israel rechtfertigt seine Siedlungspläne teils mit militärischen Gründen, teils mit dem im Westjordanland nie aufgehobenen Recht des untergegangenen Osmanischen Reiches: Man besiedele Land, das niemals als Privatbesitz registriert worden sei und somit in Staatshand sei. Dass dieses Land keinesfalls unbewohnt ist, sondern beispielsweise im Fall von E1 von beduinischen Dorfgemeinschaften genutzt wird, ändert nichts an der – internationalen nicht anerkannten – israelischen Auffassung. Nach dem Osloer Abkommen von 1995, für das Rabin und Palästinenserpräsident Jassir Arafat den Friedensnobelpreis erhielten, verwaltet die palästinensische Autonomiebehörde nur kleine Teile des Westjordanlands selbst.

Israels Siedlungen sind ein großes Hindernis auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung. Das weiß die israelische Regierung von Benjamin Netanjahu und treibt diese Projekte umso stärker voran. Dabei waren Israelis und Palästinenser 2000 einer Lösung nahe: US-Präsident Bill Clinton hatte einen Vorschlag unterbreitet, zu dem es im Detail unterschiedliche Angaben gibt, dessen Grundsätze aber klar sind. Israel sollte einige Siedlungen wie Ma’ale Adumin behalten und hier auch eine Verbindung zum israelischen Kernland bekommen – das hätte das Gebiet E1 betroffen. Im Gegenzug hätte Israel bisheriges eigenes Staatsgebiet an die Palästinenser übertragen müssen, vor allem am Rand des Gazastreifens, der um etwa ein Fünftel vergrößert worden wäre.

Arafat stieg in der Ära Clinton aus Verhandlungen aus

Auch sollten die Palästinenser Transitrouten zur Verbindung ihrer Gebietsteile erhalten, sowohl östlich von Jerusalem als auch durch die Negev-Wüste zum Gazastreifen. Arafat stieg schließlich aus den Verhandlungen aus, obwohl er nach Angaben von Clinton-Berater Robert Malley in den territorialen Fragen kompromissbereit war. Für ihn ausschlaggebend dürfte der Streit um ein „Rückkehrrecht“ von Menschen mit palästinensisch-arabischen Vorfahren auf israelisches Staatsgebiet gewesen sein.