Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Jost Springensguth wird 80Die Lust an der politischen Spitze bleibt

4 min
Er stößt zu den unangenehmen Themen hinter dem täglichen Politgeplapper vor: Jost Springensguth.

Er stößt zu den unangenehmen Themen hinter dem täglichen Politgeplapper vor: Jost Springensguth.

Prominenter Journalist, Autor und Medienberater: Neun Jahre lang war Jost Springensguth Rundschau-Chefredakterur. Am 23. September vollendet er sein 80. Lebensjahr.

Was ist die größte Herausforderung für das deutsche Grundgesetz? Gewiss nicht die regelmäßig – aktuell von Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow – erhobene Forderung nach einer neuen Verfassung, die nach Artikel 146 dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden sollte. Wer den Leitartikel aufbewahrt hat, den Rundschau-Chefredakteur Jost Springensguth 2009 zum 60. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes schrieb, der konnte die Ramelow-Debatte mit Gelassenheit verfolgen. „Solche Überlegungen sind mehr emotional geprägt als von staatsrechtlicher Vernunft getragen“, schrieb Springensguth seinerzeit. Und: Wichtiger als Vorschläge einer „Neuformatierung“ sei die Frage, wie resistent unsere Verfassungsordnung „im weiteren Prozess der europäischen Integration und der Globalisierung“ sein werde.

Sätze, die typisch für den Journalisten Jost Springensguth sind, der heute, am 23. September 2025, seinen 80. Geburtstag feiert. Statt Diskussionen einfach abzuschließen, gibt er ihnen lieber eine neue Richtung. Er würzt seine Analysen mit einem Hauch trockener Provokation und stößt zu den unangenehmen Themen vor, die vom täglichen Politgeplapper sonst überdeckt werden.  Angesichts des notorischen Gefühls von Zurückgesetzt-Sein in den neuen Bundesländern erlaubt er sich zum Beispiel den Hinweis auf die Folgen des untauglichen DDR-Systems.

Bis heute mit Köln verbunden

Springensguth wusste diesbezüglich (wie immer) genau, worüber er schrieb. Er stammte selbst aus Eisleben im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt. Dort ist er am 23. September 1945, also viereinhalb Monate nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands, geboren worden, und den Kontakt in die Heimat hat er nie verloren. Sein Weg in den Journalismus war klassisch: Auf das Volontariat beim damaligen Bocholter Volksblatt folgten dort Stationen als Redakteur und als Lokalchef. Dann ein Jobwechsel: Von 1977 bis 1981 war er Pressesprecher der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Danach hatte er herausgehobene Positionen bei Zeitungen inne, unter anderem als Chefredakteur in Flensburg und Münster. Es folgte die Entscheidung für Köln, eine Stadt, der er bis heute verbunden ist, auch wenn er längst wieder in Münster wohnt. 2000 trat er sein Amt als Chefredakteur der Rundschau an.

Jost Springensguth war und ist ein überzeugter Anhänger der spezifisch deutschen Zeitungskultur: investigativ recherchierte politische Nachrichten, weithin zitierte Interviews, Analysen und Meinungsstücke sind nicht wenigen großen Blättern vorbehalten, sondern eine Vielzahl von Regionalzeitungen spielt in dieser Liga mit und erreicht zusammen weitaus mehr Leserinnen und Leser als die überregionale Presse. Ein intensiver publizistischer Wettbewerb und eine enorme Vielfalt an Perspektiven sind die Folge – auch heute noch, trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Tageszeitungsgeschäft. Springensguth entwickelte das politische Profil der Rundschau weiter und band seine Ressortleiter dabei konsequent ein. Er sah sie, das hat er dem Verfasser dieser Zeilen einmal gesagt, als die Offiziere, die mit der Chefredaktion gemeinsam auf der Kommandobrücke standen. Zudem trieb Springensguth eine Überarbeitung des Zeitungslayouts voran und führte die Regionalseite „Rheinland“ ein.

Wechsel in die Kommunikationsberatung

Der Kommentar zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes sollte der letzte Springensguth-Leitartikel in der Rundschau sein. Denn nach neun Jahren auf der Kölner Brücke hatte sich der Kapitän entschieden, seinen persönlichen Kurs neu zu bestimmen: Im Alter von 63 Jahren wurde er selbständiger Kommunikationsberater. Sein erster Mandant war der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), den er im Landtagswahlkampf beriet. Wahlkampfleiter war damals übrigens der heutige Regierungschef Daniel Günther. Später beriet Springensguth weitere Politiker – so den heutigen Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) in zwei Kommunalwahlkämpfen –, aber auch Unternehmer wie Clemens Tönnies. Mit seinem Sohn Alexander führte er einige Jahre lang die Kommunikationsagentur Cyrano in Münster.

Springensguth war von 1995 bis 2004 Mitglied der Jury und später – bis 2021 – des Kuratoriums für den Theodor-Wolff-Preis und hat sich als Dozent am damaligen Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses und an der FH Gelsenkirchen für die Journalistenausbildung engagiert. Lange Jahre war er Geschäftsführer der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe und seit 1998 mit der Organisationsleitung zur Vergabe des Internationalen Preises des Westfälischen Friedens betraut – neben dem Aachener Karlspreis eine der großen in Deutschland verliehenen Auszeichnungen für eine politische Lebensleistung. 2021 erhielt er selbst den Verdienstorden des Landes NRW.

Die große private Leidenschaft des Jubilars ist die Jagd, verbunden mit einem tiefen Interesse für den ländlichen Raum. Aus dieser Verbundenheit hat sich seine Tätigkeit für den Online-Blog „Natur und Mensch“ (seit 2021) entwickelt, auf dem er zum Beispiel beobachtet, wie sich Parlamentarier im Sommerloch abseits der Hauptstadt „dort sehen … lassen, wo sie gewählt sind“. Während Kanzler Friedrich Merz einmal den Schraubenschlüssel zur Hand nehmen müsste, um die Fehlzündungen beim Koalitionsmoped zu stoppen. Die Lust an der politischen Spitze, das sieht man, ist Springensguth auch im 80. Lebensjahr nicht vergangen. Heute vollendet er es. Herzlichen Glückwunsch!