Kommentar zum Bund-Länder-BeschlussDavor kann sich der Kanzler nicht drücken

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung.
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Das wird die Omikron-Welle nicht aufhalten. Was die Runde der Länderchefs mit Kanzler Scholz gestern beschloss, ist eher ein Booster-Werbeprogramm. Und die Quarantäne-Lockerung könnte bei Massenerkrankungen helfen, die Versorgung aufrecht zu erhalten. Hoffentlich. Das sind die naheliegendsten, pragmatischen – nicht unbedingt logisch nachvollziehbaren – Maßnahmen, wenn die Regierung in der Pandemie wie bisher auf Sicht fährt.
Jetzt wird die allgemeine Impfpflicht angesteuert. Alle 16 Bundesländer und der Bundeskanzler haben sich gestern dafür ausgesprochen und wollen zügig weiterkommen. Die Frage ist nur: Wohin eigentlich? Denn es geht nicht nur um die Grundsatzfrage, sondern um die Ausgestaltung: Wer muss geimpft werden? Wie oft? Wie wird die Pflicht kontrolliert? Gibt es ein Impfregister? Eine Orientierungsdebatte im Bundestag soll Antworten geben – aber sie wird kein klares Konzept liefern.
Eine Einigung zur Impfpflicht ist dringend notwendig
Die Meinungen sind quer durch das Parlament und innerhalb der Fraktionen uneinheitlich. Olaf Scholz findet, dies sei mit einer Abstimmung zu parteiübergreifenden Gruppenanträgen zu lösen. Dieses Verfahren ist bei grundsätzlichen ethischen Fragen – wie etwa Sterbehilfe – absolut angemessen. Aber in einer akuten Lage wie in der Pandemie, die entschlossenes politisches Handeln und die saubere Abarbeitung von Detailfragen erfordert, ist die Regierung mit der Expertise der Fachministerien und angeschlossenen Behörden in der Verantwortung.
Wenn es die grundsätzliche Einigung zur Impfpflicht – zumindest schon einmal in der Bund-Länder-Runde – gibt, dann ist es jetzt die Aufgabe des Kanzlers, klare Kante zu zeigen, die unterschiedlichen Positionen in der Ampel-Koalition zu bündeln und einen vernünftigen Gesetzesentwurf vorzulegen. Davor kann er sich nicht drücken.