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Rundumschlag nach SpekulationenLawrow attackiert Deutschland – Machtkampf in Moskau?

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow (l.) bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau. (Archivbild)

Russlands Außenminister Sergej Lawrow (l.) bei einem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau. (Archivbild)

Mit einem Rundumschlag in einem Interview meldet sich Sergej Lawrow zurück. Zuvor hatte es Gerüchte über einen Disput mit Putin gegeben.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat sich nach reichlichen Spekulationen über einen möglichen Disput mit Kremlchef Wladimir Putin am Dienstag mit einem Interview im russischen Staatsfernsehen zurückgemeldet – und dabei Moskaus Maximalforderungen bezüglich des Kriegs gegen die Ukraine bekräftigt.

Die „Grundursachen des Konflikts“ müssten beseitigt werden, betonte Lawrow und sprach erneut von einer Denazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine. „Der Kreml verlangt weiterhin die Kapitulation und vollständige Unterwerfung der Ukraine“, ordnete der Russland-Experte Matthäus Wehowski die Äußerungen bei X ein.

Sergej Lawrow bekräftigt Moskaus Maximalforderungen

Ein von Europa angestrebter Waffenstillstand sei ein „aussichtsloses Szenario“, hieß es außerdem von Lawrow, der den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in dem Interview als „Nazi“ bezeichnete und ähnliche Vorwürfe schließlich auch gegenüber Deutschland erhob.

Lawrows Interview war sein erster Fernsehauftritt seit fast zwei Wochen. Der russische Chefdiplomat war zuletzt Ende Oktober öffentlich aufgetreten. In mehreren ausländischen Medien wurde darüber spekuliert, dass der Minister in Ungnade gefallen sei, was der Kreml jedoch dementierte – mittlerweile bereits zwei Mal. Nun meldete sich Lawrow zurück und unterstellte Deutschland einen „Nazi-Rückfall“. 

Lawrow spricht von „Nazi-Rückfällen“ in Deutschland

„Wenn solche Nazi-Rückfälle in der Heimat des Nationalsozialismus auftreten, ist das natürlich beunruhigend“, erklärte Lawrow mit Blick auf frühere Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der angesichts der Bedrohung durch Russland als Ziel ausgegeben hatte, Deutschland wieder zu einer führenden Militärmacht in Europa zu machen.

„Das wird natürlich von uns allen, die an einer stabilen Welt interessiert sind, Prinzipientreue verlangen, wenn die endgültigen Vereinbarungen diskutiert werden“, führte Lawrow weiter aus. „Es ist nicht notwendig zu erklären, welches Signal solche Äußerungen senden“, so der Minister. Deutschland sei bereits „die führende Militärmacht“ gewesen, als es „den Großteil Europas erobert und mehr als die Hälfte Europas unter Waffen gestellt hat, um die Sowjetunion anzugreifen“, hieß es weiter.

Moskau attackiert Baltikum: „Abscheuliche Taten“

Die Entnazifizierung sei in Deutschland einst als „Akt der Reue“ durchgeführt worden, erklärte der langjährige Gefährte von Kremlchef Putin weiter. „Leider haben wir heute, vielleicht sogar beginnend mit Deutschland, den Eindruck, dass diese Reuebekundungen wenig wert sind“, hieß es weiter von Lawrow, der das Interview zudem dafür nutzte, den baltischen Staaten Provokationen gegenüber Moskau vorzuwerfen.

„Sie haben den Auftrag, in den Beziehungen zur Russischen Föderation so viele abscheuliche Taten wie möglich zu begehen“, polterte Lawrow. Belege für seine Behauptungen blieb der Außenminister dabei schuldig. Vielmehr nutzte der 75-Jährige das Interview für einen Rundumschlag – und attackierte auch die USA: Die seit Wochen von der US-Armee verübten tödlichen Angriffe auf angebliche Drogenboote in der Karibik seien „inakzeptabel“ erklärte der Außenminister. „So handeln üblicherweise gesetzlose Länder“, fügte er hinzu.

Spekulationen über Sergej Lawrow: Bei Putin in Ungnade gefallen?

Die Spekulationen um Lawrow hatten unterdessen in der letzten Woche Fahrt aufgenommen, nachdem der Außenminister bei einem Treffen des russischen Sicherheitsrates gefehlt hatte und bekannt geworden war, dass er nicht die russische Delegation beim G20-Gipfel in Johannesburg anführen wird.

Schnell wurden Mutmaßungen über einen Disput mit Kremlchef Putin laut. Moskau wies Berichte, dass Lawrow nach einem angeblich misslungenen Gespräch mit US-Außenminister Marco Rubio in Ungnade gefallen sei, daraufhin zurück. „Wir führten ein gutes, höfliches Gespräch ohne jegliche Ausfälle“, erklärte auch der Außenminister nun.

„Lawrows Position ist erheblich geschwächt“

Ob die Posse um Lawrow damit endet, ist jedoch offen. Beim Empfang des kasachischen Präsidenten Qassym-Schomart Toqajew am Mittwoch im Kreml fehlte der Außenminister Berichten zufolge erneut – was die Spekulationen sofort wieder befeuern dürfte.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sorgt für Spekulationen. (Archivbild)

Russlands Außenminister Sergej Lawrow sorgt für Spekulationen. (Archivbild)

Auch russische Experten zweifeln an einem schnellen Ende des in Moskau offenbar ausgebrochenen Machtkampfes, wie „t-online“ berichtete. Momentan habe der Kremlchef wohl kein unmittelbares Interesse daran, seinen Außenminister abzusetzen, erklärte demnach etwa der Politologe Dmitri Oreschkin im Gespräch mit dem unabhängigen TV-Sender Dozhd. „Aber es kann nicht geleugnet werden, dass Lawrows Position erheblich geschwächt ist“, fügte der langjährige Kreml-Beobachter allerdings hinzu.

Außenminister im Fokus: „Wenn Peskow A sagt, dann stimmt B“

Im herrschenden Konkurrenzkampf zwischen Außenministerium und Präsidialverwaltung um die Repräsentanz Russlands in der internationalen Politik habe der Minister zuletzt den Kürzeren gezogen, erklärte Oreschkin weiter. „Doch Lawrow ist nach dem K.-o. wieder von seinen Knien auferstanden“, fügte er hinzu.

Dass Kremlsprecher Dmitri Peskow die Berichte über den Außenminister gleich zweimal eilig zurückgewiesen habe, sei jedoch bedrohlich für Lawrow. „Wenn Peskow A sagt, dann stimmt B“, erklärte der Politologe, der die Abwesenheit des Ministers bei der Sitzung des Sicherheitsrates zudem als Ohrfeige bezeichnete. Noch brauche Putin jedoch jemanden, der den „bösen Polizisten“ mimt, während der Kremlchef selbst den guten spielt, erklärte Oreschkin.