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ErmittlungspanneBehörden hätten womöglich früher auf Missbrauchsfall stoßen können

Lesezeit 3 Minuten
PK Bergisch Gladbach 31.10.19

Polizei und Staatsanwaltschaft äußerten sich bereits am 31. Oktober zum Fall des mutmaßlichen Kindesmissbrauchs in Bergisch Gladbach.

Düsseldorf – Rund ein Jahr nach Bekanntwerden der Ermittlungspannen im Missbrauchsskandal von Lügde haben NRW-Behörden möglicherweise in einem weiteren Fall von massivem Kindesmissbrauch Fehler gemacht. Nach Informationen unserer Redaktion übergab die Polizei der Staatsanwaltschaft Kleve schon am 10. Juni Akten über einen mutmaßlichen Täter im Großraum Wesel. Festgenommen wurde der Soldat allerdings erst am 25. Oktober, als er im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu einem mutmaßlichen Missbrauchs-Netzwerk rund um Bergisch Gladbach ins Visier der Kölner Staatsanwaltschaft geriet.

Eine zwischenzeitliche Hausdurchsuchung bei dem Soldaten veranlasste die Staatsanwaltschaft Kleve offenbar nicht. Das geht aus Schriftwechseln hervor, die unsere Redaktion einsehen konnte, sowie aus Informationen aus Polizeikreisen.

Behörden verweisen auf laufende Ermittlungen

Deshalb steht die Frage im Raum, ob das Missbrauchs-Netzwerk, über den immer dramatischere Details bekannt werden, früher hätte enttarnt werden können. Genau diese Frage wollten am Donnerstag weder die Staatsanwaltschaft Kleve noch das NRW-Innenministerium oder das NRW-Justizministerium beantworten und verweisen auf laufende Ermittlungen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Kleve wollte aus gleichem Grund auch nicht dazu äußern, warum sie keine Wohnungsdurchsuchung bei dem Soldaten veranlasst, und welche Maßnahmen sie stattdessen ergriffen hat.

Ende Oktober wurde bei der Durchsuchung der Wohnung eines 42-Jährigen in Bergisch Gladbach umfangreiches Datenmaterial sichergestellt, das unter anderem schweren sexuellen Kindesmissbrauch zeigen soll. Nach Angaben von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wurden seither inzwischen sechs namentlich bekannte Tatverdächtige festgenommen. Einer davon ist nach Informationen unserer Redaktion der Soldat aus dem Großraum Wesel.

Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sollen einige der Beschuldigten ihre Kinder ausgetauscht haben, um sie zu missbrauchen. Dies gehe aus Aussagen eines Verdächtigen aus Krefeld hervor, der in Untersuchungshaft sitzt, berichten Ermittlerkreise. Demnach hat er nicht nur seine Tochter, sondern auch die Nichte eines Komplizen aus Viersen missbraucht. 

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Laut Reul geht die Polizei inzwischen von neun Opfern im Alter von einem bis zehn Jahren aus. Bei den Opfern handelt es sich teilweise um Kinder oder Stiefkinder der Tatverdächtigen. Bei neun Durchsuchungen, acht davon in NRW, stellten die Behörden zehn Terabyte Daten sicher. „Die Polizei arbeitet sehr gründlich und ordentlich. Die sind, so befürchte ich, wohl noch nicht am Ende“, sagte Reul.

153 Ermittler sollen Missbrauchsfall aufklären

Im Missbrauchsfall von Lügde wurden die beiden Haupttäter im September zu hohen Haftstrafen verurteilt. Ihnen wurde der hundertfache Missbrauch von 32 Kindern nachgewiesen. Die Polizei machte bei den Ermittlungen anfangs verheerende Fehler. Unter anderem war Beweismaterial aus einer Asservatenkammer verschwunden.

Im Fall Bergisch Gladbach geht Reul mit einem massiven Aufgebot gegen die mutmaßlichen Täter vor: 153 Bedienstete sind an den Ermittlungen beteiligt. Zum Vergleich: In Lügde waren in der Spitze rund 90 Beamte im Einsatz.

Gegen den Soldaten aus dem Großraum Wesel wurde im Juni offenbar lediglich eine Kontaktsperre verhängt, nachdem ein Krankenhaus in Geldern bei Kindern aus seinem Umfeld sexuellen Missbrauch festgestellt hat. Das Innenministerium erfuhr nach eigenen Angaben erstmals am 25. Oktober von dem Fall. Das Justizministerium ließ die Frage nach dem Zeitpunkt seiner Kenntnis von dem Fall unbeantwortet.