Reul nimmt Stellung zu Ratingen„Dramatik der Lage war nicht absehbar“

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22.05.2023, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, nimmt an der Sitzung des Innenausschusses teil. Nach der Explosion in einem Hochhaus in Ratingen kommt der Innenausschuss des Landtags zu einer Sondersitzung zusammen.

Düsseldorf: Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, nimmt an der Sitzung des Innenausschusses teil.

NRW-Innenminister Herbert Reul hat versichert, dass die Gefahr für die Einsatzkräfte bei der Explosion in einem Ratinger Hochhaus nicht vorhersehbar gewesen sei, obwohl der Beschuldigte polizeibekannt war.

„Es handelte sich nicht um einen Gewalttäter im polizeilichen Sinne“, sagte Reul am Montag in einer Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses.

Der 57-Jährige, der Einsatzkräfte am 11. Mai in seiner Wohnung mit Benzin überschüttete, anzündete und dabei neun Retter so schwer verletzte, dass sie in Kliniken behandelt werden mussten, sei polizeilich „nur“ wegen einfacher Körperverletzungsdelikte bekannt gewesen, so Reul. Konkret soll der Mann mehrfach Nachbarn geohrfeigt haben. Am nächsten Tag sollte bei ihm ein Haftbefehl für eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Körperverletzung vollstreckt werden. Für eine Einordnung als „Gewalttäter“ hätten aber die Voraussetzungen gefehlt, beteuerte der Minister. Die sei nur vorgesehen, wenn ein Mensch zuvor durch „erhebliche Gewalt“ aufgefallen sei. Die Polizisten hätten vor ihrem Einsatz in Ratingen von den Körperverletzungen und vom offenen Haftbefehl gewusst, sagte Reul. „Sie waren bereits sensibilisiert.“

Es sei um einen Routineeinsatz gegangen – mit dem Ziel, eine hilflose Person, die in der Wohnung vermutet wurde, zu retten. Anlass war die Vermutung des Hausmeisters, die betagte Mutter des Beschuldigten könnte Hilfe benötigen. In der Wohnung fanden die Einsatzkräfte später eine teilweise skelettierte Leiche, die in einem Rollstuhl saß – wahrscheinlich die Mutter des Ratingers. Es soll sich nach heutigem Ermittlungsstand um einen natürlichen Tod gehandelt haben, erklärte ein Vertreter des NRW-Justizministeriums. Bei dem Einsatz wurden insgesamt 35 Menschen verletzt. Drei von ihnen – eine Polizistin, ein Polizist und ein Feuerwehrmann – befinden sich laut Landesregierung weiter in Lebensgefahr.

Die Körperoberfläche der verletzten Polizistin sei zu 80 Prozent verbrannt, sagte ein Vertreter der Justiz im Ausschuss. Herbert Reul machte noch andere schreckliche Details öffentlich: Schwer verletzte Einsatzkräfte sollen demnach brennend zehn Etagen herab auf die Straße gelaufen sein.

Der Innenausschuss hatte sich auf Antrag der SPD zur Sondersitzung getroffen. Dabei ging es nicht nur um die Frage, ob die Retter womöglich besser hätten geschützt werden können, sondern auch darum, wie Opfer und ihre Familien nach solchen Taten bestmöglich begleitet werden können. Man kümmere sich intensiv um die Betroffenen von Ratingen, versicherte Reul. Dafür gebe es bei Polizei und Feuerwehr heute schon „ein verdammt gutes System“. Zudem denke das Innenministerium darüber nach, betroffenen Beamtinnen und Beamten und deren Familien persönliche „Scouts“ als Helfer an die Seite zu stellen.

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