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KorruptionsvorwürfeNetanjahu beantragt Begnadigung und löst politischen Sturm aus

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US-Präsident Donald Trump (r-l), der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Israels Präsident Izchak Herzog. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump (r.), der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Israels Präsident Izchak Herzog. (Archivbild)

US-Präsident Trump hatte seine Begnadigung gefordert, jetzt beantragt Netanjahu sie auch selbst. Doch die Opposition sieht darin einen Tabubruch.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Präsident Isaac Herzog offiziell um eine Begnadigung gebeten – ein Schritt, den das Präsidialamt als „außergewöhnlichen Antrag“ bewertet. Der 76-Jährige, der wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit angeklagt ist, begründet sein Vorgehen mit dem „nationalen Interesse“. Der Prozess spalte das Land und gefährde Israels Handlungsfähigkeit in einer Phase enormer sicherheitspolitischer Herausforderungen, so Netanjahu in einer Videobotschaft.

Seit fast sechs Jahren steht er wegen dreier Korruptionskomplexe vor Gericht. Die Vorwürfe reichen von Luxusgeschenken im Wert von mehr als 260.000 Dollar über politische Gefälligkeiten bis zu mutmaßlich beeinflusster Medienberichterstattung. Netanjahu weist alles zurück und spricht seit Jahren von einer „Hexenjagd“. Zuletzt kritisierte er vor allem die „unmögliche Forderung“ der Justiz, dreimal pro Woche aussagen zu müssen.

„Außergewöhnliches Gesuch mit weitreichenden Konsequenzen“

Herzogs Büro kündigte an, nach Einholung „aller relevanten Stellungnahmen“ eine verantwortungsvolle Prüfung vorzunehmen. „Das Büro des Präsidenten ist sich bewusst, dass es sich um ein außergewöhnliches Gesuch mit weitreichenden Konsequenzen handelt“, hieß es weiter in der Mitteilung. Auch das Justizministerium soll beteiligt werden. Der Präsident hatte bereits früher eingeräumt, der Fall belaste die israelische Gesellschaft schwer – zugleich betonte er, niemand stehe über dem Gesetz.

Während aus Netanjahus Koalition Rückendeckung kommt, reagiert die Opposition scharf. Oppositionschef Jair Lapid fordert in einer Videobotschaft, eine Begnadigung dürfe nur nach Schuldeingeständnis, Reue und einem sofortigen Rückzug aus der Politik erfolgen. „Nur ein Schuldiger fordert seine Begnadigung“, schrieb derweil Jair Golan, Vorsitzender der Partei Die Demokraten, auf X.

Der Oppositionspolitiker und Ex-Generalstabschef Gadi Eisenkot schrieb bei X: „Netanjahu, Israel ist ein Rechtsstaat. Es gibt kein Gesetzeswerk für den einfachen Bürger und ein anderes für dich.“ Netanjahu sei selbst der Hauptverursacher der Spaltung in Israel. Diese könne daher „nicht als Vorwand für seinen Antrag dienen, sich dem noch laufenden Strafverfahren zu entziehen“.

Die israelische Bewegung für Regierungsqualität schrieb in einem Post auf der Plattform X: „Präsident Herzog muss Nein zur Begnadigung Netanjahus sagen!“ Eine Begnadigung mitten im Prozess bedeute den „Tod der Demokratie“, hieß es in der Mitteilung. „Herzog darf die Gleichheit vor dem Gesetz nicht verletzen!“

Trump hatte Netanjahus Begnadigung gefordert

Unterstützung erhält Netanjahu hingegen aus den USA. Präsident Donald Trump hatte Herzog bereits öffentlich zu einer Begnadigung aufgefordert, der Prozess sei aus seiner Sicht „politisch motiviert“. Er lobte Netanjahu als „beeindruckenden und entschlossenen Kriegsministerpräsidenten“, dessen Aufmerksamkeit nicht „unnötig abgelenkt“ werden dürfe.

US-Präsident Donald Trump spricht bei seinem Besuch in Israels Parlament mit dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump spricht bei seinem Besuch in Israels Parlament mit dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. (Archivbild)

Auch bei einem Besuch in Israels Parlament im Oktober hatte Trump die Forderung geäußert. Herzog hatte in der Vergangenheit gesagt, kein Mensch stehe über dem Gesetz, er behalte sich aber vor, in der Frage nach seinem Gewissen zu handeln.

Umstrittener Justizumbau als Schwächung und Gefahr für die Demokratie

Netanjahus rechtsreligiöse Regierung treibt seit fast drei Jahren einen höchst umstrittenen Justizumbau voran, der eine Schwächung der Justiz bedeutet und gegen den es heftige Proteste gegeben hatte. Kritiker stuften das Vorgehen der Regierung als Gefahr für Israels Demokratie ein.

Die Regierung argumentierte dagegen, das Gericht sei in Israel zu mächtig, man wolle lediglich ein Gleichgewicht wiederherstellen. Viele sahen die heftigen internen Streitigkeiten als einen Grund dafür, dass Israel am 7. Oktober 2023 von dem verheerenden Angriff der islamistischen Hamas im Grenzgebiet so überrascht werden konnte. (dpa/afp)