Im Zusammenhang mit der Sabotage der Pipelines vor rund drei Jahren hat es nach Angaben der Bundesanwaltschaft eine Festnahme gegeben.
Anschlag auf Nord-Stream-PipelinesUkrainer wegen mutmaßlicher Sabotage festgenommen

Auf die Nord-Stream-Pipelines wurde 2022 ein Anschlag verübt. (Archivfoto)
Copyright: dpa
Fast drei Jahre nach der mutmaßlichen Sabotage der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee wurde einer der Verdächtigen während eines Urlaubs in Italien festgenommen. Der 49-jährige Ukrainer Serhij K. sitzt inzwischen in Haft im Badeort Rimini an der Adriaküste. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, an einer gemeinschaftlich geplanten Sprengstoffexplosion sowie an staatsgefährdender Sabotage beteiligt gewesen zu sein. Seine Auslieferung an die deutschen Behörden ist bereits vorgesehen.
Laut den deutschen Ermittlungsbehörden zählt Serhij K. zu jener Gruppe, die im September 2022 Sprengladungen an den Erdgasleitungen Nord Stream 1 und 2 in der Nähe der dänischen Insel Bornholm angebracht haben soll. „Der Beschuldigte soll eine koordinierende Rolle innerhalb der Operation eingenommen haben“, erklärte die Bundesanwaltschaft.
Festnahme während Familienurlaubs
Die italienische Polizei nahm K. in der Nacht auf Donnerstag in der Gemeinde San Clemente nahe Rimini fest. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern im Alter von sechs und neun Jahren hielt er sich dort in einem Bungalow auf. Ermittler kamen ihm durch die Überprüfung von Gästedaten auf die Spur – in Italien sind Vermieter verpflichtet, die Personalien ihrer Gäste zu erfassen. Auch Hubschrauber waren bei der Zugriffaktion im Einsatz.

Fast drei Jahre nach der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee ist einer der mutmaßlichen Drahtzieher aus der Ukraine beim Urlaub in Italien festgenommen worden.
Copyright: Sven Grundmann/NEWS5/dpa
Den Angaben zufolge ergab sich K. bei seiner Festnahme ohne Widerstand. Zunächst muss nun ein Berufungsgericht entscheiden, ob dem europäischen Haftbefehl stattgegeben wird – das gilt als Formsache. Der Transfer nach Deutschland könnte jedoch noch einige Wochen dauern.
Zusätzlich prüfen italienische Behörden, ob Serhij K. in Verbindung zu Angriffen auf russische Schiffe im Mittelmeer steht, die zur sogenannten „Schattenflotte“ gehören.
Die Anschläge auf die Pipelines
Der Vorfall im Herbst 2022 sorgte weltweit für Schlagzeilen. Mehrere Explosionen beschädigten die Gaspipelines so schwer, dass kein Erdgas mehr transportiert werden konnte. Die Detonationen ereigneten sich in der Nähe von Bornholm; kurz darauf wurden insgesamt vier Lecks an drei der vier Leitungen entdeckt. Während Nord Stream 1 bis dahin russisches Gas nach Deutschland lieferte, war Nord Stream 2 nach Beginn des russischen Angriffskrieges noch nicht in Betrieb genommen worden.
Schon bald nach dem Anschlag wurde spekuliert, wie die Sprengsätze angebracht worden waren. Fachleute hielten es für wahrscheinlich, dass professionelle Taucher die Ladungen in großer Tiefe platziert hatten. Verschiedene Länder leiteten eigene Untersuchungen ein – Schweden und Dänemark stellten ihre Ermittlungen allerdings ein.
Ein weiterer Verdächtiger auf der Flucht
Im Fokus der Ermittlungen steht auch Wolodymyr Z., ein ukrainischer Tauchlehrer, der sich nach offiziellen Angaben zunächst in Polen aufgehalten haben soll. Von dort aus reiste er zurück in die Ukraine, bevor die Behörden ihn festnehmen konnten. Ein europäischer Haftbefehl war zwar gestellt worden, doch offenbar fehlte die Eintragung in das Schengen-Informationssystem. Dadurch war Z. bei der Grenzkontrolle nicht als gesuchte Person registriert, erklärte eine Sprecherin der Warschauer Staatsanwaltschaft im Jahr 2024.
„Er überschritt die polnisch-ukrainische Grenze, bevor ein Zugriff möglich war – der Grenzschutz hatte keine rechtliche Grundlage, ihn aufzuhalten“, hieß es. Weitere Details wollte der Generalbundesanwalt nicht kommentieren, obwohl in Medienberichten bereits Informationen über die Ermittlungen kursierten.
Segeljacht im Zentrum der Ermittlungen
Ein weiterer zentraler Ermittlungsstrang betrifft die Segeljacht „Andromeda“, auf der im Juli 2023 Sprengstoffspuren entdeckt wurden. Es besteht der Verdacht, dass dieses Boot zum Transport des Sprengmaterials verwendet wurde. Medienberichten zufolge bestand das Sabotageteam mutmaßlich aus fünf Männern und einer Frau.
Die Bundesanwaltschaft erklärte nun, dass die Tätergruppe vermutlich die „Andromeda“ nutzte, die zuvor über Mittelsmänner mit gefälschten Dokumenten bei einer deutschen Firma gemietet worden war. Die Reise habe ihren Ausgangspunkt in Rostock gehabt.
Generalbundesanwalt sieht deutliche Fortschritte
Generalbundesanwalt Jens Rommel zeigte sich im Gespräch mit dem Spiegel im November zuversichtlich: „Wir haben inzwischen zwei Beschuldigte identifiziert.“ Die Ermittlungen liefen aber weiterhin auf Hochtouren – insbesondere die Identität weiterer Beteiligter, das Motiv sowie eine mögliche staatliche Steuerung der Operation seien noch unklar.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) sprach nach der Festnahme von einem „beeindruckenden Ermittlungserfolg“. Sie betonte: „Die Sprengung der Pipelines muss vollständig aufgeklärt werden – auch strafrechtlich. Es ist gut, dass wir hier entscheidend vorankommen.“ Sie dankte allen Beteiligten, die an dem komplexen Verfahren mitwirken, und unterstrich die Bedeutung eines funktionierenden Rechtsstaates.
Die politische Haltung Deutschlands gegenüber dem russischen Angriffskrieg bleibe dabei unberührt. „Unsere Solidarität mit der Ukraine ist ungebrochen“, stellte Hubig klar. (dpa)