Tödliche Schüsse in Gelsenkirchen und WuppertalSoll die Polizei Taser einsetzen?

Ein Polizeibeamter hält einen Taser im Anschlag.
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- Innerhalb weniger Woche sind in Gelsenkirchen und Wuppertal Menschen von Polizisten erschossen worden.
- Nun fordert die NRW-Polizei erneut, Taser, elektrische Schockpistolen, einsetzen zu dürfen.
- Ein Ausbildungskonzept des Innenministeriums liegt vor. Doch es gibt Widerstände. Die Frage des Tages.
Düsseldorf – Mit einem Messer und einem Knüppel in der Hand ist ein 37-jähriger Türke in Gelsenkirchen vor einer Wache von einem 23-jährigen Kommissaranwärter erschossen worden. Vier Schüsse gab der Polizist am Sonntagabend auf den Angreifer ab, der vorher vor dem Gebäude randaliert und „Allahu akbar“ gerufen haben soll. Die Polizei in Krefeld überprüft nun, ob die Schussabgabe gerechtfertigt gewesen war. Ähnlich wie in Gelsenkirchen verhält es sich im Fall des 25-jährigen Mannes aus Wuppertal, der im Dezember mitten auf der Straße von Polizisten erschossen wurde. Er hatte zuvor mit einem Hammer Außenspiegel abgeschlagen. Der 25-Jährige, der an den Schussverletzungen durch Polizisten starb, soll einem Zeugen zufolge häufig alkoholisiert gewesen sein.
Rufe nach Tasern werden wieder lauter
Selbst wenn der Schusswaffengebrauch rechtmäßig gewesen sei, müssen die Polizisten diesen psychisch verarbeiten. „,Viele traumatisiert das“, heißt es aus Kreisen der NRW-Polizei. Weiter ist zu hören, dass die Rufe nach einer Einführung von Tasern wieder deutlich lauter werden. „Ob der Taser in den beiden Fällen wirklich hätte Verwendung finden können, ist aber noch unklar“, heißt es aus Sicherheitskreisen.
Taser in der Kritik
Amnesty International kritisiert den Einsatz von Tasern heftig und zählte in den USA zwischen 2001 und 2017 über 700 Todesfälle im Zusammenhang mit ihrem Einsatz. Die Nachrichtenagentur reuters hat bis 2017 über 1000 Todesfälle dokumentiert, die mit Tasern in Verbindung gebracht werden. In über 150 davon wurde der Taser als wesentliche Todesursache festgestellt. Experten streiten über das Gesundheitsrisiko für Taser-Zielpersonen. Taser können möglicherweise Herzrhythmusstörungen oder Herzstillstände auslösen.
Seit Jahren fordern Polizisten in NRW ihren Einsatz. Die Waffe schießt über kleine Projektile elektrische Impulse in den Körper. Sie kommt vor allem bei Angriffen mit Messern aus kürzester Distanz zum Einsatz. Außerdem sei sie laut Polizei effektiver als der Einsatz von Pfefferspray, bei dem sich die Polizisten auch immer selbst verletzen würden.
Die NRW-Polizei testet den Einsatz von Tasern
Obwohl die Landesregierung die Einführung der Elektroschock-Pistolen ermöglicht hat, ist es dazu bislang noch nicht gekommen. Aus finanziellen Gründen sei das momentan nicht möglich, hieß es vor einem halben Jahr zurückhaltend. Und: Man wolle erst Erfahrung sammeln. Die Einführung stehe bei ihm nicht auf der Prioritätenliste, sagte Innenminister Herbert Reul damals.
Hier werden Taser bereits eingesetzt
In einigen Bundesländern sind Taser bereits seit mehr als 15 Jahren im Einsatz, bislang aber weitgehend nur bei Spezialeinsatzkommandos. Insgesamt wurden sie in dieser Zeit etwa 400 Mal benutzt. Als erste Bundesländer haben Hessen und Rheinland-Pfalz Elektroschockpistolen bei der Streifenpolizei eingeführt, das Saarland will 2020 folgen. In Bremen und in Berlin gab es Testphasen. Im Mai 2019 starb ein 49-Jähriger in Frankfurt nach einem polizeilichen Taser-Einsatz, im Januar 2018 kam in Fulda ein weiterer Mensch ums Leben. (EB)
Nach Informationen unserer Redaktion testet die NRW-Polizei nun aber den Einsatz von Tasern. „Das Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste sowie das Landesamt für Ausbildung und Fortbildung der Polizei erproben den Taser derzeit mit ausgewählten Polizeibehörden“, bestätigte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Teile und somit erste Ergebnisse des Testberichts würden schon im Ministerium vorliegen. „Sobald der Bericht vollständig ist, erfolgt eine Abwägung zwischen Chancen und Risiken für einen Pilotversuch und die Einführung“, hieß es.
Erich Rettinghaus, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, erklärte: „Die Geräte werden nicht gekauft, sondern geleast. Das hat auch den Vorteil, dass die Taser, sobald die Technik veraltet ist, gegen neue ausgetauscht werden können.“ Rettinghaus betonte, dass ein Taser eine Abschreckungswaffe sei. „Das Gerät ersetzt nicht die Schusswaffe.“
50-seitiger Bericht aus Rheinland-Pfalz
Die Entscheidung zur Einführung fußt auf einem umfassenden, fast 50-seitigen Testbericht der Polizeiinspektion Trier, in der die Taser ein Jahr lang im Streifendienst erprobt worden sind. Der Bericht schließt mit einem deutlich positiven Fazit. Insbesondere die präventive Wirkung der Geräte sei herausragend. „Alleine das Mitführen in der Signalfarbe beinhaltet eine deeskalierende Strahlkraft“, heißt es wörtlich in dem Bericht. Und weiter steht dort: „Regelmäßig führte das Distanzelektroimpulsgerät zur Entspannung der Einsatzlage – noch vor einer formalen Androhung.“
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„Der Taser bewährte sich auch in Einsatzlagen, in denen gefährliche Gegenstände oder Waffen von Tätern verwendet wurden“, so das Fazit. Insbesondere eigne sich der Einsatz der Elektrowaffe bei alkoholisierten Personen, bei denen körperliche Gewaltanwendungen und Pfefferspray nur eingeschränkt wirken würde. Skeptiker hingegen sehen das deutlich anders.