Der Fall des Angeklagten in Magdeburg wirft viele Fragen auf, die im Strafprozess hoffentlich geklärt werden.
Prozess um Anschlag in MagdeburgInstitutionen müssen hinsehen

Der Angeklagte Taleb al-Abdulmohsen (M) und ein Dolmetscher unterhalten sich zu Beginn der Verhandlung in Magdeburg.
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Es wird auch darum gehen müssen, was aus der Vorgeschichte des Anschlags gelernt werden kann. Der mutmaßliche Täter war Arzt, und er hatte offenbar schon seit längerer Zeit Gewaltphantasien geäußert. Passiert ist aber ziemlich wenig. Da bedroht ein Mediziner eine Mitarbeiterin der Ärztekammer, stellt mehr oder weniger direkt einen Anschlag in Aussicht. Weil bei einer Durchsuchung dann aber keine konkreten, schriftlich verfassten Pläne dafür gefunden wurden, blieb das Vorkommnis folgenlos.
Es ist beklemmend, sich vorzustellen, dass so jemand jahrelang Patientinnen und Patienten behandelt hat – und das auch noch im äußerst sensiblen Bereich der Psychiatrie. Allein seine Einträge in sozialen Netzwerken hätten neben der Bedrohung bei der Ärztekammer die Sicherheitsbehörden auf den Plan rufen müssen. Haben sie aber nicht.
Woher kommt die Zurückhaltung, wo doch schon nach vergleichsweise harmlosen Verdachtsmomenten der vermeintlichen Beleidigung von Bundespolitikern schnell Durchsuchungen bei den Betroffenen stattfinden? Was macht eigentlich der Verfassungsschutz, wenn jemand wie der mutmaßliche Täter von Magdeburg sich von Islam und Fremden verfolgt sieht und zusehends radikalisiert?
Sind Behörden und Institutionen fachlich und personell gut genug aufgestellt, um solchen Verdachtsmomenten nachzugehen? Sind sie überhaupt willens dazu? Das wird bei dem Strafprozess nur bedingt herauszufinden sein. Gleichwohl wird es bei der gerichtlichen Aufarbeitung weitere Anhaltspunkte zur Klärung auch dieser Fragen geben. Diese Erkenntnisse dürfen dann von Politik und Gesellschaft nicht ignoriert werden.
Eigentümlich ist in diesem Fall, dass die geäußerten fremdenfeindlichen Motive von einem kommen, der selbst als Geflüchteter aus Saudi-Arabien nach Deutschland gekommen war. Das ist durchaus nicht selten. Fremdenfeindlichkeit ist kein biodeutsches Alleinstellungsmerkmal, Radikalisierung hat nichts mit der Hautfarbe zu tun. Das Ziel der radikalisierten Gewaltphantasien ist zwischen Einheimischen und Zugewanderten häufig unterschiedlich, es kann aber eben auch dasselbe sein.
Der irre Islam-Hass, der den mutmaßlichen Täter wohl angetrieben hat, gehört nicht in unsere Gesellschaft. Deshalb müssen Behörden und Institutionen künftig genauer hinschauen, wenn sich solche Ideologien manifestieren.

