Nach den US-Sanktionen setzt Putins Gesandter auf nette Gesten. Die Botschaften dahinter fallen jedoch so eindeutig aus wie die im Staats-TV.
Süße Speisen, klare BotschaftenPutins Gesandter setzt auf Pralinen – und erntet sogar in Moskau Häme

Kremlchef Wladimir Putin (r.) hat Kirill Dmitrijew in die USA geschickt (im Hintergrund). Der Sondergesandte musste sich jedoch deutliche Worte von US-Finanzminister Scott Bessent gefallen lassen. (Archivbild)
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Kaum hatte US-Präsident Donald Trump die ersten harten Sanktionen in seiner zweiten Amtszeit gegen Russland verhängt, schickte Kremlchef Wladimir Putin bereits Kirill Dmitrijew in die USA. Der Moskauer Sondergesandte für die Gespräche mit der Trump-Administration nutzte seine Reise für warme Worte, TV-Interviews und überreichte dazu passend einer amerikanischen Politikerin dann auch noch eine Packung Putin-Pralinen – Süßigkeiten also, die mit Zitaten des Kremlchefs versehen waren.
Dass Dmitrijew im Vergleich zu anderen Moskauer Vertretern wie Ex-Kremlchef Dmitri Medwedew als das „freundliche Gesicht“ des Kremls auftritt, ist nicht neu. In den sozialen Netzwerken setzt der Sondergesandte regelmäßig auf blumige Botschaften der russisch-amerikanischen Freundschaft, garniert mit einer großen Anzahl von Emojis.
Putins Sondergesandter: Bedrohliche Botschaften nett verpackt
Trotz der jüngsten von der Trump-Regierung verhängten Sanktionen setzte Dmitrijew diesen Kurs bei seiner USA-Reise nun fort – und behauptete etwa, eine diplomatische Lösung für Russland Krieg gegen die Ukraine sei bereits zum Greifen nahe. „Ich glaube, Russland und die USA und die Ukraine sind tatsächlich ziemlich nah an einer diplomatischen Lösung“, erklärte Dmitrijew im Gespräch mit CNN, blieb jedoch eine Begründung für diesen Optimismus schuldig.
Gleichzeitig betonte jedoch auch der Sondergesandte, dass die „Grundursachen des Konflikts“ beseitigt werden müssten – und nahm damit direkten Bezug auf die Maximalforderungen, die Moskau weiterhin aufrechterhält. Russland wolle eine „Endlösung“ des Krieges, erklärte Dmitrijew etwa. Nur so könne ein Wiederaufflammen in der Zukunft verhindert werden, führte der Sondergesandte aus, der damit Putins Bedingungen untermauerte.
Kirill Dmitrijew warnt vor „Vernichtung der Menschheit“
Dass der Sondergesandte lediglich gute Miene zum bösen Spiel macht, wurde jedoch nicht nur durch den Verweis auf die von Moskau immer wieder bemühten „Grundursachen“ deutlich. Zum einen kamen auch von Dmitrijew verkappte Atom-Drohungen. Die „Sicherheit der ganzen Welt“ stehe nun auf dem Spiel, erklärte der Sondergesandte etwa und warnte vor einer kurz bevorstehenden „vollständigen Vernichtung der Menschheit“ – eine klare Anspielung auf Russlands Nuklearwaffen.

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit seinem Sondergesandten Kirill Dmitrijew. (Archivbild)
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Zum anderen sprachen selbst Dmitrijews Gastgeschenke eine klare Sprache – und standen schlussendlich sinnbildlich für das übliche Vorgehen des Sondergesandten, bedrohliche Botschaften hinter freundlichen Gesten zu verstecken. Deutlich wurde das vor allem bei einem Treffen mit der republikanischen Kongressabgeordneten Anna Paulina Luna am Sonntag.
Schokolade mit klarer Botschaft: Dmitrijew überreicht Putin-Pralinen
Dmitrijew nutzte das Aufeinandertreffen für betont warme Worte – und überreichte Luna nicht nur einen großen Blumenstrauß, sondern auch eine Packung Putin-Pralinen, die der Sondergesandte prompt in den sozialen Netzwerken präsentierte. Und die Schokolade passte ins Bild. „Große Worte eines großen Mannes“ war auf der Packung zu lesen, die mit einem Foto von Putin versehen war. Darin befanden sich zwölf Pralinen, jeweils verziert mit Zitaten des Kremlchefs, die wenig Interpretationsspielraum lassen.
„Russlands Grenzen enden nirgendwo“ oder „Russland fürchtet nichts“, war dort etwa zu lesen. „Wenn ein Kampf nicht vermieden werden kann, ist es besser, zuerst zuzuschlagen“, schaffte es ebenfalls in die kulinarische Zitatsammlung. Ebenso: „Wir sind bereit, jede Herausforderung der Zeit anzunehmen und zu gewinnen!“
US-Finanzminister findet deutliche Worte für Dmitrijew
Während sich die US-Regierung in der Vergangenheit durchaus beeinflussbar durch Gespräche mit Kreml-Vertretern gezeigt hat, scheinen Dmitrijews Bemühungen diesmal zu verpuffen. Die Kongressabgeordnete Luna zeigt sich zwar fröhlich grinsend mit den Pralinen, das scheint jedoch der größte Erfolg des Kremls bei Dmitrijews jüngster USA-Reise zu bleiben.
US-Finanzminister Scott Bessent fand nämlich ungewohnt deutliche Worte für Putins Sondergesandten, der bei Interviews auch behauptet hatte, die US-Sanktionen würden „keine Auswirkungen auf die russische Wirtschaft haben“. In einem Gespräch mit CBS News konterte Bessent diese Darstellung am Sonntag.
Bessent nennt Dmitrijew einen „russischen Propagandisten“
Indien habe bereits „komplett aufhört, russisches Öl zu kaufen“, erklärte der US-Finanzminister. Auch viele chinesische Raffinerien hätten mittlerweile geschlossen, führte Bessent aus und ließ dann Klartext über Dmitrijew folgen: „Sie wollen wirklich veröffentlichen, was ein russischer Propagandist sagt? Ich meine, was soll er sonst sagen? Dass alles schrecklich wird und Putin an den Verhandlungstisch gezwungen wird?“, entgegnete Bessent auf eine Frage nach der Wirksamkeit der US-Sanktionen.

US-Finanzminister Scott Bessent während einer Pressekonferenz. (Archivbild)
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„Ich glaube, die Inflation liegt bei über 20 Prozent, und alles, was wir tun, wird Putin an den Verhandlungstisch zwingen“, führte der Republikaner mit Blick auf die russische Wirtschaft aus. „Öl finanziert die russische Militärmaschinerie, und ich denke, wir können seine Gewinne deutlich reduzieren“, fügte Bessent an – und betitelte Dmitrijew schließlich erneut als „russischen Propagandisten“, den man nicht zu zitieren brauche.
Dmitrijew-Reise ein Zeichen für „Besorgnis“ im Kreml?
Während die US-Regierung den Sondergesandten auflaufen ließ – Gespräche mit hochrangigen US-Vertretern fanden nicht statt – sehen Experten in der eiligen Reise Dmitrijews ein Zeichen für die wahre Stimmungslage im Kreml. „Die Entsendung zu einer Pressereise in die USA zeigt, dass Russland über die Auswirkungen der US-Politik besorgt ist“, kommentierte etwa das amerikanische Institut für Kriegsstudien den Auftritt Dmitrijews in den USA.
Auch der britische Menschenrechtsaktivist Sir William Browder, einst einer der größten ausländischen Investoren in Russland, fand klare Worte. Dass Moskau an der ohnehin geplanten Reise des Sonderbotschafters trotz der US-Sanktionen festgehalten habe, zeige „wie verunsichert Putin ist“, schrieb Browder auf der Plattform X. Die russische Ölindustrie ins Visier zu nehmen, sei ein „Volltreffer“ gewesen, fügte der Kremlkritiker an.
„Wer hat diesen Clown aus dem Land gelassen?“
Dmitrijew muss sich derweil nicht nur Spott von US-Finanzminister Bessent gefallen lassen, auch in Russland werden Zweifel an dem Sondergesandten und seinem Vorgehen laut. „Man fragt sich, wer in Washington davon beeindruckt sein soll“, polterte etwa TV-Propagandist Sergej Mardan in seinem Telegram-Kanal. BR-Journalist Peter Jungblut berichtete unterdessen von wenig respektvollen Kommentaren unter Berichten russischer Medien. „Wer hat diesen Clown aus dem Land gelassen?“, fragte so mancher Leser demnach dort angesichts Dmitrijews Auftritt in den USA.
Der Politologe Marat Baschirow verwies unterdessen auf die Rollenverteilung zwischen Dmitrijew und Medwedew. Um mit der Trump-Regierung zu verhandeln, müsse man „Elemente der Popkultur“ aufgreifen, erklärte der Politikwissenschaftler bei Telegram. „Dieses Narrativ wird von Medwedew und Dmitrijew bedient. Ersterer schikaniert uns mit seinen Online-Posts, während Letzterer persönlich Pralinen mit Zitaten von Präsident Putin in die USA brachte“, führte Baschirow aus. Im Umgang mit der Trump-Regierung sei eine „Mischung aus Tradition und Innovation“ notwendig, befand der Politologe, der Dmitrijews Reise als einer der wenigen etwas Positives abgewinnen konnte.
Staats-TV auf Kriegskurs: „Wir sollten die USS Gerald Ford zerstören“
Im russischen Staatsfernsehen setzt man unterdessen weiterhin auf radikale Töne. „Sie haben keine Überlegenheit bei strategischen Atomwaffen, deshalb bekämpfen sie uns wirtschaftlich“, verkündete dort am Wochenende der populäre TV-Propagandist Wladimir Solowjow mit Blick auf die US-Sanktionen – und unterstrich Moskaus Konfrontationskurs.
Der Krieg werde „mindestens zwei bis drei weitere Jahre“ andauern, prophezeite der Moderator in seiner Sendung bei Rossija 1 und kündigte an, dass Russland, sollte es in die vollständige Isolation getrieben werden, „endlich alles auf der Erde auslöschen“ werde. Moskau dürfe die US-Sanktionen nicht einfach so hinnehmen, forderte Solowjow weiter – und machte schließlich klar, dass Russlands Propagandamaschinerie weiter auf einen Eskalationskurs setzt.
Hinsichtlich der Spannungen zwischen Venezuela und den USA sollte Moskau dem südamerikanischen Land „stillschweigend alles geben, was sie brauchen“, erklärte Solowjow und fand angesichts der Entsendung eines amerikanischen Flugzeugträgers in die Karibik schließlich Worte, die noch weniger Zweifel aufkommen lassen: „Wir sollten die USS Gerald Ford zerstören“, forderte der TV-Moderator kurzerhand zur Primetime im Staatsfernsehen. An Moskaus Kriegskurs ändern auch Putins Pralinen offenbar nichts.

