Serap Güler zur Wahl in der Türkei„Der allerwichtigste Grund ist Erdogans Image vom starken Mann"

Lesezeit 3 Minuten
Serap Güler in der ARD-Talkshow 'hart aber fair' im Studio Adlershof. Berlin, 26.09.2022

Welche Themen waren für türkische Wähler wichtig? Serap Güler hat der Rundschau ihre Einschätzung übermittelt.

Warum hat Recep Tayyip Erdogan trotz durchwachsener Bilanz die Präsidentschaftswahl in der Türkei gewonnen? Und warum ist die Zustimmung unter in Deutschland lebenden Türken besonders hoch? Fragen an die CDU-Abgeordnete Serap Güler.

Recep Tayyip Erdogan hat nicht nur Bürgerrechte, gerade auch Frauenrechte eingeschränkt, seine Regierung hat auch in der Wirtschaftspolitik und beim Umgang mit den Folgen des schweren Erdbebens wenig überzeugend gearbeitet. Wie kann es sein, dass trotzdem eine knappe Mehrheit für diesen Präsidenten stimmt?

Wir dürfen nicht den Fehler machen, anderen unser Wertesystem zu oktroyieren. Das gilt auch für Themen wie Frauenreche und Meinungsfreiheit. Es gibt in der Türkei viele, 48 Prozent, die das genauso hochhalten wie wir. Und es gibt eine knappe Mehrheit, der anderes wichtiger war. Erdogan hat polarisiert, er hat die Menschen mit zwei Themen getriggert: Erstens Sicherheit, Kampf gegen den Terror. Er hat die Opposition, allen voran seinen Gegenkandidaten Kemal Kiliicdaroglu, in die Ecke der Terroristen gestellt – ausgerechnet Kilicdaroglu, der früher ja selbst von der PKK bedroht wurde. Das zweite Thema war Religion, er hat sich als Garant dafür hingestellt, dass die Religion im öffentlichen Raum präsent bleibt, während er die Opposition als Leute hinstellte, die die Religion verbannen wollen. Das war vielen der 52 Prozent wichtiger als die Themen, die Sie genannt haben.

Im Wahlkampf hat Erdogan auch in der Außenpolitik auf scharfe Töne gesetzt. Gibt es Hoffnung, dass er sich jetzt wieder mäßigt?

Im letzten Jahrzehnt war Erdogans Kurs vor Wahlen immer schärfer, immer polemischer, und danach ist man zur Sacharbeit zurückgekehrt. Ich möchte fast darauf wetten, dass er ziemlich bald sein Veto gegen eine Nato-Mitgliedschaft Schwedens aufgibt und sich konstruktiv zeigt, was er hinter den Kulissen ja durchaus ist. Das Veto passte einfach wunderbar zu seinem Anti-Terror-Narrativ.

Aber vergessen wir hier nicht: Die Menschen hier bekommen die Restriktionen nicht mit, die es in der Türkei gibt.
Serap Güler

Unter in Deutschland lebenden türkischen Bürgern ist die Zustimmung zu Erdogan noch höher als im Land selbst. Was hat das zu bedeuten?

Man muss auf die absoluten Zahlen schauen. 1,5 Millionen Türken waren hier wahlberechtigt. Von denen haben 480 000 für Erdogan gestimmt. Ja, das war nicht wenig, das waren 67 Prozent derer, die wirklich gewählt haben, aber nicht 67 Prozent der Wahlberechtigten. Aber vergessen wir hier nicht: Die Menschen hier bekommen die Restriktionen nicht mit, die es in der Türkei gibt. Sie leben hier in Freiheit ….

Aber sie müssen doch mitbekommen, wie es in der Türkei aussieht!

Zwar berichten Medien hier über die Lage in der Türkei,  aber das wird in diesen Kreisen oft als Erdogan-Bashing, als Fake News wahrgenommen. Türkische Medien stellen Erdogan als den gütigen, gnädigen, starken Präsidenten dar. Diese Berichterstattungen konstrastieren so stark, dass sich daraus das Narrativ machen lässt, die Türkei werde im Westen schlecht gemacht. Und immer noch gibt es gerade jüngere türkische Staatsbürger, die sich hier nicht wirklich willkommen fühlen. Der allerwichtigste Grund ist ab er das Image von Erdogan als dem starken Mann. Er hat die Türkei in dieser Wahrnehmung zu einem großen, starken Land gemacht. Die Sehnsucht nach Stärke, nach Führung ist unter den hier lebenden türkischen Bürgern sehr ausgeprägt.

Rundschau abonnieren