Mit Mützenich und Abdi haben zwei von drei Kölner SPD-Abgeordneten das „Manifest“ unterschrieben. Der Verstoß sorgt für scharfe Kritik.
Hitziger Streit in der SPD„Auch schön, wie hier Pistorius beleidigt wird“

Keine Einigkeit in der SPD: Boris Pistorius (r.) hat ein "Manifest" von Rolf Mützenich (l.) und weiteren Sozialdemokraten scharf kritisiert. (Archivbild)
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In der SPD ist ein offener Streit entbrannt: Während Ralf Stegner und Rolf Mützenich ihr „Manifest“ und die darin enthaltene Forderung nach einer Annäherung und Gesprächen mit Russland verteidigen, wird parteiintern scharfe Kritik an dem am Mittwoch bekannt gewordenen Grundsatzpapier laut.
In ihrem Manifest hatten der Außenpolitiker Stegner und der ehemalige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zusammen mit anderen Sozialdemokraten einen radikalen Kurswechsel in der Außenpolitik gefordert. Zu den Unterzeichnern gehört neben Mützenich auch die Kölner SPD-Abgeordnete Sanae Abdi.
Kölner SPD-Abgeordnete unterschreiben "Friedensmanifest"
Der im Wahlkreis Leverkusen – Köln IV in den Bundestag gewählte ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat das „Manifest“ unterdessen nicht unterschrieben und gilt als Vertreter eines harten Kurses gegenüber Moskau.
An der Forderung nach Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin und einer künftigen Zusammenarbeit mit Moskau war am Mittwoch scharfe Kritik laut geworden. „Dieses Papier ist Realitätsverweigerung“, erklärte etwa Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Boris Pistorius: „Dieses Papier ist Realitätsverweigerung“
„Es missbraucht den Wunsch der Menschen in unserem Land nach Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine. Nach Frieden“, fügte der SPD-Politiker an und verwies auf die zahlreichen Gesprächsversuche, die es insbesondere in den letzten Wochen mit dem Kreml gegeben hatte, die von Putin jedoch mit immer neuen Bedingungen und massiven Angriffen quittiert worden waren.

Ralf Stegner (SPD) spricht im Plenum des Bundestags. (Archivbild)
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„Verhandlungen bricht er ab. Und wenn er sie führt, bombardiert er gleichzeitig mit noch größerer Härte und Brutalität die Städte in der Ukraine“, entgegnete Pistorius den Forderungen im „Manifest“ seiner Parteikollegen. SPD-Chef Lars Klingbeil distanzierte sich am Donnerstag ebenfalls von dem "Manifest".
Lars Klingbeil: „Wir brauchen keine Kehrtwende“
Zu mehreren Aussagen in dem Grundsatzpapier habe er explizit eine andere Meinung, erklärte der Vizekanzler nach Angaben der SPD. „Wir brauchen keine Kehrtwende, was die Unterstützung der Ukraine angeht“, führte Klingbeil demnach aus.
Deutschland müsse sich nicht entscheiden zwischen militärischer Stärke und Ukraine-Unterstützung auf der einen sowie diplomatischen Bemühungen auf der anderen Seite, so der SPD-Chef. Auch von Kanzler Friedrich Merz (CDU) kam weitere Kritik aus der Bundesregierung an der Volte bei den Sozialdemokraten.
Kanzler Merz setzt weiterhin auf Einigkeit in Bundesregierung
„Wir sind uns in der Bundesregierung in der Bewertung des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt und in den Konsequenzen, die es daraus zu ziehen gilt, vollkommen einig“, erklärte der Kanzler am Mittwoch mit Blick auf das Grundsatzpapier der SPD-Politiker. „Ich setze darauf, dass diese Einigkeit auch bestehen bleibt“, fügte Merz an, der das „Manifest“ nicht direkt kommentieren wollte.
Seit seinem Amtsantritt hat Merz mehrfach deutlich gemacht, dass er an der Unterstützung der Ukraine festhalten wolle – und Moskau mit Konsequenzen gedroht. Auch eine Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine hatte Merz in der Vergangenheit immer wieder offen gelassen.
SPD-Politiker fordern in „Manifest“ eine „Zusammenarbeit mit Russland“
Bei Stegner, Mützenich und ihren Unterstützern stoßen derartige Schritte auf Ablehnung. „Militärische Alarmrhetorik und riesige Aufrüstungsprogramme schaffen nicht mehr Sicherheit für Deutschland und Europa, sondern führen zur Destabilisierung und zur Verstärkung der wechselseitigen Bedrohungswahrnehmung zwischen Nato und Russland“, heißt es in dem Papier. Nötig sei jetzt eine „schrittweise Rückkehr zur Entspannung der Beziehungen und einer Zusammenarbeit mit Russland“, fordern die SPD-Politiker weiter.
Bereits bevor Pistorius seine Kritik an dem „Manifest“ geäußert hatte, gab es Gegenwind in der SPD: Der außenpolitische Sprecher Adis Ahmetovic sprach von einem „inhaltlich in weiten Teilen fragwürdigen Papier“. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch distanzierte sich ebenfalls: Es handle sich um einen „Debattenbeitrag“, sagte Miersch dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Das Grundsatzpapier sei grundsätzlich „legitim, auch wenn ich zentrale Grundannahmen ausdrücklich nicht teile“, fügte Miersch an.
Lob von Sahra Wagenknecht und AfD für Stegner, Mützenich und Co.
Lob bekam das „Manifest“ unterdessen vor allem aus den Reihen des BSW. Parteigründerin Sahra Wagenknecht sprach auf der Plattform X von einer „dringend notwendigen Initiative“ der Sozialdemokraten und unterstellte Kanzler Merz und SPD-Chef Klingbeil einen „Kriegskurs“, der „brandgefährlich“ sei. Dagegen müsse man nun „ohne Vorbehalte zusammenarbeiten“, regte die BSW-Chefin an, die mit ihrer Partei den Einzug in den Bundestag verpasst hat.
Russische Staatsmedien berichteten unterdessen am Mittwoch ausführlich über das Manifest. Eine direkte Reaktion des Kremls auf die Forderungen gibt es unterdessen bisher nicht. Bei „Tass“ widmete man jedoch dem Lob aus der AfD für das „Manifest“ von Stegner, Mützenich und Co. einen ausführlichen Artikel. Auch Wagenknechts Unterstützung wurde dort hervorgehoben.
Mützenich und Stegner kontern Kritik: „Die Reflexe sind leider nicht neu“
Die Urheber des Manifests verteidigten ihren Vorstoß unterdessen gegen die mitunter scharfe Kritik. „Die Reflexe, die kommen, sind leider nicht neu“, sagte Mützenich dem „Tagesspiegel“. Das „Manifest“ allein auf Russland zu verengen, werde dem Dokument nicht gerecht, kritisierte der Kölner SPD-Politiker. „Daher hoffe ich auf angemessene und ernsthafte Auseinandersetzung mit unseren Ideen.“ Das Grundsatzpapier solle eine „breite, seit Jahren in der SPD und außerhalb geführte Diskussion ergänzen“, so Mützenich.
Auch Stegner reagierte am Mittwochabend auf die Kritik. Das „Friedensmanifest“ sei weder „pazifistisch“ noch leugne der Text „Putins Aggression“, schrieb Stegner bei X und sprach von einer „militanten“ und „respektlosen“ Reaktion auf das Grundsatzpapier. Es handele sich um einen „Debattenbeitrag für die Friedenspartei SPD, der die gegenteilige Auffassung, auf militärische Stärke zu setzen, für falsch und gefährlich hält und deutlich kritisiert, aber auch respektiert“, fügte Stegner an – und sorgte kurz darauf mit einer weiteren Wortmeldung für neuen Wirbel.
Ralf Stegner: „Über Waffen kann jeder Trottel reden“
„Über Waffen kann jeder Trottel reden, aber Diplomatie ist die wirkliche Kunst“, sagte Stegner in einem Interview mit „Cicero“ – was von einigen Beobachtern als Attacke auf Verteidigungsminister Pistorius verstanden wurde. „Auch schön, wie hier Pistorius beleidigt wird“, kommentierte etwa der Sicherheitsexperte Carlo Masala Stegners Worte.
Russland hat unterdessen zuletzt immer wieder deutlich gemacht, dass in Moskau weiterhin keinerlei Interesse an echten Verhandlungen besteht. Jegliche Vorstöße von US-Präsident Donald Trump und westlichen Staaten wurden vom Kreml mit neuen Bedingungen, Verbalattacken und heftigen Angriffen auf die Ukraine beantwortet.
Dabei spart Moskau nicht mit deutlichen Worten. „Schiebt euch eure Friedenspläne in eure pan-gender Ärsche“, hatte etwa der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew die jüngsten Bemühungen bereits Mitte Mai kommentiert – und bekräftigt, dass Moskau an seinen Kriegszielen festhalten werde.