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„Tagebuch eines Häftlings“ erscheintSarkozy inszeniert sich als tragischer Märtyrer

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Ein Justizopfer? Nicolas Sarkozy

Ein Justizopfer? Nicolas Sarkozy

Nur drei Wochen saß Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy im Gefängnis – doch daraus macht er ein ganzes Buch. In seinem „Tagebuch eines Häftlings“ stilisiert er sich zum Opfer.

Nicolas Sarkozy hat bekanntlich Geschäftssinn und gutes Gespür für das perfekte Timing. Nur 20 Tage verbrachte Frankreichs Ex-Präsident im Gefängnis, am 10. November kam er unter Auflagen vorzeitig frei, und genau einen Monat später erscheint nun sein „Tagebuch eines Häftlings“. Es ist seine persönliche Opfer-, ja Märtyrererzählung, und auch der Verlag Fayard ist nicht zufällig gewählt. Er gehört seinem Freund Vincent Bolloré, einem milliardenschweren Geschäftsmann, der ein rechtsextremes Medienimperium aufgebaut hat. Das Buch wurde in Rekordgeschwindigkeit für die Adventszeit veröffentlicht – ein Weihnachtsgeschenk für Sarkozys Fans.

Zahlreiche Unterstützer und Haftberichte

Dass sie noch immer zahlreich sind, davon zeugten tausende Briefe und Päckchen, die er angeblich in Haft erhielt. Manche schickten dem Ex-Politiker und vielfachen Millionär sogar Geld, um im Gefängnis-Supermarkt einzukaufen. Sein Umfeld hatte durchsickern lassen, dass er dort das Essen nicht anrührte, aus Angst, jemand hätte hineingespuckt „oder gar Schlimmeres“. Der 70-Jährige ernährte sich von Joghurts, Müsliriegeln und manchmal „süßen Leckereien“, wie er schreibt. Die Inhaftierung habe er als Prüfung empfunden, die er „so produktiv wie möglich“ gestalten wollte – daher sein „Tagebuch“, das er täglich führte, um seinen Anwälten abends die handgeschriebenen Seiten zu übergeben.

Politische Enthüllungen und Sarkozys Einfluss

Für Aufmerksamkeit sorgen in Frankreich vor allem die politischen Passagen. So berichtet Sarkozy von einem Telefonat mit der Rechtsextremen Marine Le Pen, die zu Jahresbeginn wegen Veruntreuung von EU-Geldern verurteilt wurde. Seitdem eint die beiden ihre jeweils harsche Kritik an der Justiz. Er habe ihr versichert, er werde bei Wahlen nicht mehr zu einer Brandmauer zu den extrem Rechten aufrufen, so der Konservative, der trotz seiner vielen Affären weiterhin über politischen Einfluss verfügt.

Gaddafi-Zahlungen und Haftantritt

Verurteilt worden war er aufgrund von Zahlungen des früheren libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi zur Unterstützung von Sarkozys Wahlkampf 2007. Der Berufungsprozess findet 2026 statt, doch musste der Ex-Präsident aufgrund der besonderen Schwere seiner Schuld die Haftstrafe sofort antreten. Zwei seiner engsten Vertrauten, die ebenfalls verurteilt wurden, hatten sich 2005 in Tripolis mit al-Gaddafis rechter Hand Abdallah as-Sanusi getroffen. Dieser war 1999 in Paris in Abwesenheit als Hauptverantwortlicher für einen Terroranschlag auf ein französisches Flugzeug mit 170 Toten zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Vergleich mit Dreyfus und Vorwürfe der Unschuld

Sarkozy beteuerte stets seine Unschuld und tut im Buch erneut alle Vorwürfe als absurd ab. Er geht sogar so weit, sich mit dem Offizier Alfred Dreyfus zu vergleichen, der 1894 aufgrund einer antisemitischen Intrige zu Unrecht wegen Landesverrats verurteilt und auf der Teufelsinsel vor der Küste von Französisch-Guyana inhaftiert wurde. Die Übereinstimmungen seien „verblüffend“, schreibt Sarkozy: Sie beide wurden degradiert – er selbst verlor die höchste französische Auszeichnung, die Ehrenlegion – und eingesperrt, jeweils auf Basis falscher Anschuldigungen. Erwiesen ist das allerdings nur im Fall von Dreyfus. Sarkozy wurde bereits in zwei anderen Verfahren in letzter Instanz verurteilt.

Krankenhausbesuch und Kritik an Haftumständen

Im Buch beschreibt er auch einen Besuch in einem Krankenhaus für krebskranke Kinder kurz vor seiner Inhaftierung. Die kleinen Patienten hätten sich für ihn als echte Vorbilder erwiesen durch die Stärke, mit der sie ihr Schicksal ertrugen. Dennoch beklagt er sich reichlich – über die nächtlichen Schreie anderer Insassen, die er aufgrund seiner Isolationshaft nicht sah, aber hörte, die harte Matratze, den kleinen Sportsaal, die grauen, fensterlosen Mauern. In seiner Zeit als aktiver Politiker sprach sich Sarkozy nie für mehr Komfort in den stark überfüllten französischen Gefängnissen aus. Als innenpolitischer Hardliner forderte er vielmehr, dass Verurteilungen über sechs Monaten nicht auf Bewährung ausgesetzt und Hafterleichterungen nicht ermöglicht werden sollten.