Ukraine soll „weiße Flagge“ hissenPapst Franziskus ohne politisches Gespür

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Papst Franziskus gestikuliert vor einer Messe im Petersdom, in der Monsignore Turturro, der apostolische Nuntius von Paraguay, zum Bischof geweiht wird.

Der Papst und die Politik: Eigentlich wäre Franziskus der geborene Vermittler in vielen Konflikten. Aber so eine Rolle setzt entsprechendes Gespür voraus.

„Wenn man sieht, dass man besiegt wird“, dann soll man verhandeln, rät Papst Franziskus der Ukraine. Warum er sich auf keinen Fall so hätte äußern dürfen, selbst wenn er die Lage so einschätzt. Und warum auch seine Äußerungen zum Gaza-Krieg kontraproduktiv sind.

Hätte er nur geschwiegen. Der Aufruf von Papst Franziskus an die Ukraine, sie möge „die weiße Flagge“ hissen, zeugt von erschreckender Naivität. Er ist ein Schlag ins Gesicht sowohl der griechisch-katholischen Kirche als auch der Orthodoxen Kirche der Ukraine, deren Arbeit in den russisch besetzten Gebieten unterdrückt wird. Ist dem Papst die Realität von Morden, Folter und Deportationen in diesen Landstrichen überhaupt bewusst?

Es ist bezeichnend für die Qualität des jüngsten Papst-Interviews, dass Vatikansprecher Matteo Bruni sich um Schadensbegrenzung bemühen muss, bevor es überhaupt ausgestrahlt ist. Franziskus habe mit der weißen Flagge ja keine Kapitulation gemeint, sagt Bruni. Was hilft das, wo es doch den fatalen Papst-Satz gibt: „Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben zu verhandeln“? Das lässst sich 1:1 als russisches Narrativ lesen: Die Ukraine verliert nach der wieder und wieder bekräftigten russischen Auffassung so oder so, und Verhandeln setzt voraus, das Moskauer Diktat zu akzeptieren. Gibt es im vatikanischen Staatssekretariat niemanden, der den Papst darüber informiert? Könnte Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin, auch wenn er viel Zeit für die Disziplinierung deutscher Bischöfe braucht, dafür mal ein paar Stunden abzweigen?

Der Papst nimmt sich als Vermittler selbst aus dem Spiel – obwohl er sich ausdrücklich für diese Rolle anbietet.

Selbst wenn der Papst persönlich die Dinge so sieht, wie sein Interview vermuten lässt: Bei seiner Wortwahl wird er keinen Zugang zur ukrainischen Regierung mehr finden. Und das ist das Schlimmste an der Sache: Der Papst nimmt sich als Vermittler selbst aus dem Spiel – obwohl er sich ausdrücklich für diese Rolle anbietet. Das gilt nicht nur für den russisch-ukrainischen Krieg, sondern auch für Gaza. Wer Israel und die Terrororganisation Hamas im Stile von Franziskus auf eine Stufe stellt („Die Unverantwortlichen sind die beiden“), der kann nicht erwarten, dass sein Nuntius in Jerusalem ernst genommen wird. Es macht nichts besser, wenn Franziskus verharmlosend vom gewiss hässlichen „Guerillakrieg“ der Hamas spricht.

Dabei ist es eine große Chance der katholischen Kirche, dass ihr Oberhaupt auch Völkerrechtssubjekt ist. Das diplomatische Netzwerk des Papstes ist von unschätzbarer Bedeutung. Immerhin half sein Abgesandter Matteo Kardinal Zuppi bei der Rückführung verschleppter ukrainischer Kinder, mehr konnte er nicht erreichen. Diplomatie verlangt Takt, Diskretion und politisches Gespür – das Gegenteil von dem, was Franziskus an den Tag legt.

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