VerfassungsschutzberichtPolitische Straftaten in NRW deutlich gesunken

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Verfassungsschutzbericht Reul

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, trägt während einer Pressekonferenz den Verfassungsschutzbericht für Nordrhein-Westfalen vor.

Die Zahl der politischen Straftaten in Nordrhein-Westfalen ist im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Rechtsextremisten verübten 3760 Straftaten - fast 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Zudem wurden 1370 linksextreme Straftaten gezählt, das sind zwölf Prozent weniger als im Vorjahr, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Freitag in Düsseldorf bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichtes.

„Ein einziger reicht“

Für eine Entwarnung sei es aber trotz der erfreulichen Entwicklung zu früh. Im langfristigen Zehn-Jahres-Verlauf seien die Straftaten in beiden Feldern steigend. „Da liegen wir in beiden Extremismusbereichen nach wie vor auf erschreckend hohem Niveau.“

Außerdem zeige der Fall des Tunesiers, der in Köln einen terroristischen Biobomben-Anschlag geplant habe: „Die Gefahr ist unverändert hoch. Ein Einziger reicht.“ Der Mann sei den Behörden zuvor lediglich als „Prüffall Islamismus“ bekannt gewesen. Der Anlass für diese Einstufung: Wegen Glaubensfragen soll es in seiner Wohnung zu häuslicher Gewalt gekommen sein.

Der Hinweis auf die tatsächliche Gefährlichkeit des Tunesiers sei von einem ausländischen Geheimdienst gekommen, räumte Reul ein. Er fordere aber ausdrücklich nicht, die deutschen Dienste mit den gleichen Mitteln und Instrumenten auszustatten. „Das ist bei uns unvorstellbar“, sagte Reul. Der Minister sprach sich aber dafür aus, die Liste der Stoffe zu erweitern, bei denen die Händler gehalten sind, die Behörden über verdächtige Bestellungen zu informieren. Bislang sei diese Liste auf Sprengstoffe und ihre Grundbestandteile beschränkt gewesen. Nach dem Kölner Fall sollte dies dringend um Gifte wie Rizin und ihre Vorläuferprodukte erweitert werden. „Im Fall von Rizin sind das Bohnen“, sagte Reul.

Erstmals nach jahrelangem Anstieg stagnierte der Zulauf der salafistischen Szene. Wie im Vorjahr wurden 2017 in NRW 3000 der radikalen Islamisten gezählt. Das Verbot der „Lies!“-Aktion habe dazu geführt, dass die Salafisten aus dem Straßenbild verschwunden und ihre öffentliche Missionierung zum Erliegen gekommen sei.

Allerdings gebe es innerhalb der Szene eine besorgniserregende Entwicklung, warnte NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier: Die Zahl der gewaltbereiten Salafisten sei in NRW im Vergleichszeitraum von 700 auf 800 gestiegen.

Zudem bereiteten rund 80 Kinder in der salafistischen Szene Sorgen, darunter auch die Kinder von Syrien-Rückkehrern. „Diese Kinder stellen uns vor ganz besondere Herausforderungen“, sagte Reul. Derzeit sei es den Behörden nicht erlaubt, sie zu erfassen oder zu beobachten. „Ich glaube, es wäre klug, die Altersgrenze zu überarbeiten“, sagte Reul.

Etwas weniger Rechtsextremisten

Die Zahl der Rechtsextremisten in NRW sank um 100 auf 3370 Köpfe, die der Linksextremisten blieb mit 2420 konstant. Die rechtsextreme Szene neige inzwischen zum Verschleiern ihrer Aktionen. „Das ist nichts anderes als Hitlerjungen in Hipster-Klamotten“, sagte Reul.

Die Zahl der sogenannten Reichsbürger nahm weiter zu, von 2600 im vergangenen Jahr auf 2750 im April diesen Jahres. Erstmals wurden 2017 ihre Straftaten erfasst, 85 Delikte wurden registriert. Laut Bericht gibt es zudem 4700 Extremisten ausländischer Organisationen in NRW.

Bei den Linksextremisten hat der Verfassungsschutz vor allem die Szene im Hambacher Forst im Blick: Sie sei zwar kleiner, aber auch radikaler geworden. Ihre illegal errichteten Baumhäuser seien von den Gerichten inzwischen als Wohnungen anerkannt worden, was zu Problemen führe. So könnten ihnen mangels zustellungsfähiger Anschriften keine Räumungsanordnungen zugestellt werden.

Die Landesregierung habe im vergangenen Jahr 115 zusätzliche Stellen im Verfassungsschutz geschaffen. Die SPD kritisierte, der Verfassungsschutz müsse besser kontrolliert werden. Bislang habe das dafür zuständige Gremium im Landtag während der Amtszeit Reuls kein einziges Mal getagt. (dpa)

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