Sahra Wagenknecht war mal wieder im ZDF zu Gast. Bereits in der Sendung gibt es deutlichen Widerspruch. Danach ebbt die Kritik nicht ab.
BSW-Chefin bei „Markus Lanz“„Unerträglich“ – Wagenknecht-Auftritt im ZDF sorgt für Empörung

Sahra Wagenknecht war am Donnerstagabend (30. Oktober) in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ zu Gast. Für ihre Worte zu Russland und der Ukraine bekommt die BSW-Chefin viel Kritik.
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Sahra Wagenknecht bekommt nach einem Auftritt in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ scharfe Kritik aus der SPD und von Experten. Bereits im TV-Studio musste sich die BSW-Chefin deutliche Worte für ihre Ausführungen gefallen lassen. Besonders eindrucksvoll fiel dabei die Entgegnung der russischen Politikaktivistin Marija Aljochina aus, die Mitglied der kremlkritischen Band Pussy Riot ist und kurz vor ihrem Besuch bei Lanz in Köln ihr Buch „Political Girl. Leben und Schicksal in Putins Russland“ präsentiert hatte.
„Sie wiederholen fast Wort für Wort genau das, was in Russland von den Propaganda-Sendern zu hören ist“, sagte Aljochina nun im ZDF in Wagenknechts Richtung. „Ich weiß nicht, ob Sie in Russland gewesen sind – und wenn Sie dort waren, wann Sie da waren“, fügte die Aktivistin an. Sie habe für ihre Kritik am Kreml „zwei Jahre in einem Gulag gesessen“, führte Aljochina aus. Ausgereist sei sie, „um die Wahrheit zu sprechen“, erklärte die Künstlerin. „Die Wahrheit, die in Russland so drastisch bestraft wird.“
„Wort für Wort, was in Russland von Propaganda-Sendern zu hören ist“
Putins Expansionspläne dürfe man nicht unterschätzen, warnte die 37-Jährige. „Warum glauben Sie, dass er Sie nicht attackieren will?“, frage Aljochina mit Blick auf einen möglichen russischen Angriff auf Nato-Staaten. Sollte es Russland gelingen, die Ukraine einzunehmen, werde Putin dort neue Soldaten rekrutieren und seine Feldzüge dann in Richtung Westen fortsetzen, warnte die Kremlkritikerin. „Ich will, dass die Ukraine überlebt“, stellte Aljochina klar.
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Wagenknecht hatte zuvor bezweifelt, dass Russland tatsächlich hinter den jüngsten Provokationen wie Drohnen im europäischen Luftraum steckt. Widerspruch gab es für die Ausführungen der BSW-Chefin auch von den weiteren Studiogästen, der Journalistin Kerstin Münstermann und dem Politikwissenschaftler Carlo Masala sowie von Moderator Markus Lanz.
Karl Lauterbach äußert scharfe Kritik an Sahra Wagenknecht
Nach der Sendung ebbte die Kritik an Wagenknecht nicht ab – im Gegenteil: Der Kölner SPD-Politiker und ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nahm dabei auf der Plattform X kein Blatt vor den Mund. Dass die BSW-Chefin es so darstelle, als sei „Putin kein Verbrecher, sondern im Recht“, sei „unerträglicher Populismus“, der Wagenknecht mit der AfD verbinde, schrieb Lauterbach dort. „Dies mitleidslos im Beisein einer von Putin inhaftierten Frau vorzutragen, zeigt, worauf wir uns einstellen müssten, wenn solche Kader regieren würden“, fügte der SPD-Politiker an.
„Wer, wie Frau Wagenknecht, Taten von Kriegstreibern wie Putin relativiert, beschönigt oder gar rechtfertigt, ist selbst ein Kriegstreiber, bzw. im Falle von Frau Wagenknecht, eine Kriegstreiberin“, stimmte der hessische Landespolitiker Stephan Grüger (SPD) mit einem Beitrag bei X in die Kritik mit ein.
Russland-Experten sehen „Irrsinn“ bei Sahra Wagenknecht
Auch Politikwissenschaftler und Historiker missbilligten Wagenknechts Auftritt im ZDF. „Irrsinn“ habe die BSW-Chefin in der Talkshow abgeliefert, befand etwa der Russland-Experte Matthäus Wehowski. Wagenknecht dürfe „seit Jahren fast unwidersprochen russische Kriegspropaganda im TV verbreiten“, stelle sich jedoch trotzdem als Opfer einer angeblich „eingeschränkten Meinungsfreiheit“ dar, schrieb der Historiker am Freitag bei X.
„Mit welchem Recht sitzt sie dort überhaupt? Warum nicht Tierschutzpartei oder Volt?“, fragte Wehowski zudem – und spielte damit darauf an, dass Wagenknechts BSW den Einzug in den Bundestag wie andere kleine Parteien bei der vergangenen Wahl verpasst hatte. Das BSW besteht unterdessen weiterhin auf eine Neuauszählung der abgegebenen Stimmen.
„Nato-Osterweiterung“ als Grund: „Masala bringt es auf den Punkt“
Dass die Parteichefin immer wieder die „Nato-Osterweiterung“ als Grund für Russlands Krieg anführe, diene „der Propaganda für das westliche Publikum“, führte der Historiker zudem aus. Der Politikwissenschaftler Carlo Masala hatte dieses Narrativ zuvor in der Sendung bereits mit der Frage gekontert, warum Russland den Krieg nicht beendet, nachdem US-Präsident Donald Trump erklärt habe, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werde.

Carlo Masala spricht am 30. Oktober in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz.
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„Masala bringt es auf den Punkt“, erklärte nun auch Wehowski. „Russlands Motive für die Invasion der Ukraine liegen tief in russischer Geschichte und Politik begründet“, hieß es weiter. „Der Kreml akzeptiert keine Souveränität seines ‚nahen Auslands‘“, fügte der Historiker an.
„Alles über die selbsternannte Friedenspolitikerin gesagt“
„Wenn eine ins Exil geflohene Russin in einer Talkshow zuerst fassungslos die Ausführungen Wagenknechts über sich ergehen lässt und Wagenknecht dann schlussendlich attestiert, Kreml-Propaganda zu verbreiten, dann ist alles über die selbsternannte Friedenspolitikerin gesagt“, schrieb unterdessen der Osteuropa-Experte Thomas Dudek bei X zum Auftritt der BSW-Chefin.
Eine weitere Stimme aus Köln lieferte derweil Thomas Jäger. „Ach, gestern war wieder Kreml-TV“, kommentierte der Professor für Internationale Politik an der Universität Köln die ZDF-Sendung in dem sozialen Netzwerk mit knappen Worten. Wagenknecht reagierte unterdessen bisher nicht auf die scharfe Kritik an ihrem Auftritt im ZDF. Auch bei anderen führenden BSW-Politikern herrschte am Freitag zunächst Schweigen.
Sahra Wagenknecht lag bereits vor Kriegsbeginn falsch
Die Parteichefin hatte in dieser Woche bereits vor ihrem Auftritt im ZDF für Wirbel gesorgt, als sie mit Blick auf Warnungen vor einem möglichen russischen Angriff auf Nato-Länder erklärt hatte, dass sie an dieses Szenario nicht glaube. Putin sei schließlich „kein Selbstmörder“, befand Wagenknecht und weckte damit Erinnerungen an Aussagen, die sie kurz vor Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine getroffen hatte.
„Russland hat faktisch kein Interesse, einzumarschieren“, hieß es von Wagenknecht damals wenige Tage vor Kriegsbeginn in einer ARD-Talkshow. „Wir können heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: ein durchgeknallter Nationalist, der sich berauscht, Grenzen zu verschieben“, fügte sie hinzu. Später räumte die BSW-Chefin einen „Irrtum“ bei ihrer damaligen Einschätzung ein.

