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Chatbot „Telli“Wie KI in NRW-Schulen zum Einsatz kommen soll

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Zwei Mädchen der Oberschule Habenhausen arbeiten mit dem KI-Chatbot "Telli“.

Zwei Mädchen der Oberschule Habenhausen arbeiten mit dem KI-Chatbot „Telli“.

Mehr Künstliche Intelligenz an Schulen in NRW: Der Chatbot Telli und die Agenten kommen. Eine Lösung soll aber nicht vorgegeben werden.

Kurz nachdem die Gesellschaft für deutsche Sprache am Freitag „KI-Ära“ zum „Wort des Jahres 2025“ kürte, schlug NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) demonstrativ ein neues Kapitel der „KI-Ära“ in den Schulen an Rhein und Ruhr auf: Zwei Projekte machten so große Fortschritte, dass Lehrkräfte, Schulleitungen sowie Schülerinnen und Schüler sie bald schon im Alltag nutzen könnten.

Worum geht es?

Erstens darum, allen Schulen die bisherigen Ergebnisse des Projekts „Künstliche Intelligenz im Mathematik- und Deutschunterricht“ (Kimadu) zur Verfügung zu stellen. Das Projekt unter der Leitung der Universität Siegen läuft seit Februar an 25 Schulen aller Schulformen flächendeckend in NRW.

Das wichtigste Ergebnis: Die „KI-Agenten“ kommen. Das sind digitale Helferlein, die von Pädagogen sowie Schulkindern mitentwickelt wurden und die eines vielleicht nicht fernen Tages im und außerhalb des Unterrichts Kinder und Jugendliche beim Lernen unterstützen. Sie heißen zum Beispiel „Schokoproblem-Helfer“ oder „Fürst Stochastikus“. Ein Agent namens „Sam“ soll Kindern dabei helfen, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Was können diese „Agenten“?

Zunächst ist es wichtig, zu erwähnen, was sie könnten, aber nicht sollen: „Der KI-Agent gibt nicht die Lösung vor. Er sagt nicht: 2 + 2 = 4“, erklärt der Siegener Mathematik-Didaktiker Prof. Ingo Witzke. Der Agent helfe aber dabei, die Lösung zu finden – allzeit geduldig, ohne erhobenen Zeigefinger. Im Fach Deutsch zum Beispiel beim Lesen und Schreiben lernen, in Mathe bei Geometrie und Algebra.

Worum geht es noch?

Zweitens um den KI-Chatbot „Telli“, der aktuell in den Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen eingeführt wird, bis zum Jahresende wohl auch in allen anderen Schulformen. „Das wird sich sehr schnell verbreiten“, so Feller. Dieser Chatbot ist für die Schulen kostenlos und – sehr wichtig – achtet den Datenschutz.

Das Geld dafür stammt aus dem Topf des „Digitalpaktes 1.0“ von Bund und Ländern. Telli ist ein Assistent für Lehrkräfte und Schulleitungen. Eine Schulleitung kann ihn zu Beispiel fragen, wie man eine Skifreizeit vorbereitet und Briefe an Eltern formuliert. Und er ist kompatibel mit „Kimadu“, dem „Agenten-Projekt“.

Der Clou bei Telli: Die Daten stammen aus üblichen KI-Systemen wie ChatGPT, aber umgekehrt fließen die Daten von Schulen und Schulkindern nicht zu diesen KI-Systemen zurück. Es ist ein geschützter Raum für den Dialog mit KI.

Was heißt das für Schüler?

Sie können das Tool nutzen, nachdem ihre Lehrer sie dafür freigeschaltet haben. Sie bekommen einen Link oder QR-Code zur vorübergehenden Nutzung. Schüler lösen mit Unterstützung der KI dann Aufgaben im Unterricht oder auch zu Hause. Sie können auch in der Klasse gemeinsam an Projekten arbeiten.

Wie gut sind diese Agenten und Assistenten?

So gut wie die bekannten KI-Anwendungen wie ChatGPT oder Gemini. Sie machen also Fehler, erzählen manchmal sogar totalen Unsinn. Das müssen Lehrkräfte und Schulkinder wissen, sie benötigen also eine solide KI-Grundbildung. Das setzt die Bereitschaft und die Gelegenheit voraus, sich auf die Arbeit mit diesen Instrumenten einzulassen. Die Landesregierung hofft auf die Wirkung ihrer „KI-Skilling-Initiative“ mit Microsoft-Unterstützung, von der etwa 200.000 Lehrkräfte profitieren sollen. Bislang soll es sechs Schulungen mit etwa 3000 Teilnehmenden gegeben haben.

Wo sind die Grenzen der KI?

„In NRW wird die KI keine Lehrkraft ersetzen. Wir brauchen immer auch das Analoge, die Lehrkraft, die Vertrauen vermittelt, die empathisch ist. Eine KI kann keinen Arm um eine Schülerin oder einen Schüler legen, um zu trösten“, sagte Dorothee Feller. In Ostdeutschland, wo der Lehrermangel ebenfalls groß ist, tasten sich allerdings erste Länder an die Frage heran, in welchen Situationen die KI den Verzicht auf Lehrkräfte erlauben könnte.

Was sagen die Lehrergewerkschaften?

Geht so. Für die NRW-Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Ayla Celik, gilt dieses Motto: „So viel KI wie nützlich – und so wenig wie nötig.“ Die Einführung von Telli und den KI-Agenten biete natürlich Chancen, benötige aber auch sichernde Leitplanken. „Positiv ist und bleibt, dass Lehrkräfte und Schüler in einem datenschutzkonformen, geschützten Rahmen erste KI-Erfahrungen sammeln können. Ebenso begrüßenswert ist, dass KI-Tools individuell unterstützen, Lernprozesse anregen und Unterrichtsvorbereitung entlasten können“, so Celik.

KI dürfe aber pädagogische Entscheidungen nicht steuern und schon gar nicht als Ersatz für fehlende Lehrkräfte dienen. „Digitale Unterstützung ersetzt keine Lehrkraft, keine Sozialpädagogik, keine Schulpsychologie“, warnt die GEW-Landeschefin. Ohne ausreichend qualifiziertes Personal blieben die besten KI-Anwendungen am Ende wirkungslos.