Moskaus Verkehrsminister Starowoit ist tot – kurz darauf stirbt noch ein Beamter seines Ministeriums. Kremlkritiker zeigen kaum Mitgefühl.
„Vergleiche mit Stalins Säuberungen“Mysteriöser Fall – Putin-Minister erschossen in Auto aufgefunden

Kremlchef Wladimir Putin (r.) zusammen mit dem früheren Verkehrsminister Roman Starowoit in einem Flugzeug. Starowoit wurde kurz nach seiner Entlassung tot aufgefunden. (Archivbild)
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Nur Stunden nach seiner Entlassung durch Kremlchef Wladimir Putin ist der frühere russische Verkehrsminister Roman Starowoit tot in seinem Auto auf einem Parkplatz aufgefunden worden. Russische Behörden gingen von einem Suizid aus, hieß es in den russischen Staatsmedien. Starowoits Leiche sei mit einer Schussverletzung in seinem Fahrzeug – Berichten zufolge einem Tesla – gefunden worden, hieß es weiter.
Eine „Ehrenpistole“ habe zudem im Auto gelegen, die der kurz vor seinem Tod von Putin geschasste Verkehrsminister im Jahr 2023 als Auszeichnung für seine Leistungen erhalten habe, berichteten russische Medien. Den Angaben des Ermittlungskomitees zufolge wurde eine Untersuchung zu den genauen Todesumständen eingeleitet. Der genaue Todeszeitpunkt wurde zunächst nicht angegeben.
Angst in Russland: „Vergleiche mit Stalins Säuberungen“
Es wäre der erste Suizid eines hochrangigen russischen Politikers seit Jahren und der Erste, der im Zusammenhang mit Entscheidungen hinsichtlich Russlands Krieg gegen die Ukraine auf den Prüfstand kommt. Auf dieser hohen Ebene sei es, sollte sich ein Suizid bewahrheiten, „der erste Selbstmord in Putins Russland“, sagte Alexandra Prokopenko vom Carnegie Russia Eurasia Center in Berlin der „Financial Times“ dazu.

Kremlchef Wladimir Putin (l.) zusammen mit Roman Starowoits im Januar 2025 im Kreml. (Archivbild)
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Das sei „ein deutliches Zeichen dafür, dass die hochrangigen Persönlichkeiten dem Druck des Systems nicht standhalten können und dass es keinen anderen Ausweg als den Tod gibt“, führte Prokopenko aus. „Die harten Gefängnisstrafen für andere Beamte, die der Korruption beschuldigt werden, haben Vergleiche mit Stalins Säuberungen von 1937 aufkommen lassen.“ Angst sei nun wieder „weit verbreitet“, fügte sie hinzu.
Wladimir Putin feuerte Minister ohne Begründung
Starowoit war im Mai vergangenen Jahres zum Verkehrsminister ernannt worden. Zuvor war der 53-Jährige von 2019 bis 2024 Gouverneur der Grenzregion Kursk. Der Kreml hatte am Montag (7. Juli) ein von Putin unterzeichnetes Dekret veröffentlicht, in dem bekanntgegeben wurde, dass Starowoit als Verkehrsminister entlassen sei. Eine Erklärung für den überraschenden Schritt wurde nicht gegeben. Putin ernannte den ehemaligen Stellvertreter Starowoits, Andrej Nikitin, zum neuen Verkehrsminister.
Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte einem Bericht von „Vedomosti“ zufolge auf Nachfrage von Reportern, ob es einen „Vertrauensverlust“ gegenüber Starowoits gegeben habe, dass dies nicht der Fall gewesen sei. „Wie Sie gesehen haben, wurde eine solche Formulierung nicht verwendet“, dem Dekret sei „nichts hinzuzufügen“, erklärte Peskow. Die Hintergründe der Entlassung, auf die dann der Suizid Starowoits gefolgt sein soll, bleiben somit zunächst unklar.
Flugchaos oder Korruption als Entlassungsgrund?
Die Entlassung des bisherigen Verkehrsministers erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem russische Flughäfen aufgrund von ukrainischen Drohnenangriffen wiederholt vorübergehend geschlossen werden müssen. Kiew führt die Drohnenangriffe als Reaktion auf die groß angelegte russische Offensive in der Ukraine aus.
„Ich werde mich zunächst um die Situation an den Flughäfen kümmern“, sagte Starowoits Nachfolger Andrey Nikitin am Montag einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge. Die Zeitung „Kommersant“ berichtete unterdessen von Verlusten für die russische Luftfahrtindustrie im dreistelligen Millionenbereich durch die Flugausfälle.
Moskau: Zweiter mysteriöser Todesfall im Verkehrsministerium
Russische Staatsmedien spekulierten zudem, dass die Entlassung Starowoits mit möglichen Korruptionsfällen in der Region Kursk zusammenhängen könnte. Insbesondere in russischen Telegram-Kanälen kursierten am Montag entsprechende Berichte. Demnach soll der ehemalige Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, in einem Strafverfahren wegen Korruption zuvor gegen Starowoits ausgesagt haben.
Dass wenige Stunden nach dem Fund der Leiche des Ex-Verkehrsministers ein weiterer Todesfall im gleichen Ministerium bekannt wurde, befeuerte die Spekulationen schließlich weiter. Wie die russische Zeitung „Lenta“ berichtete, starb am Montag auch Andrej Korneichuk, ein stellvertretender Abteilungsleiter des Ministeriums.
Immer wieder Zweifel an Todesfällen unter hochrangigen Managern
Der 42-Jährige soll den Berichten zufolge im Gebäude des Verkehrsministeriums gestorben sein. Auch hier wirkten die Hintergründe zunächst mysteriös. Korneichuk sei bei einem Arbeitstreffen plötzlich aufgestanden, dann zu Boden gefallen und schließlich gestorben, berichtete „Lenta“.
Zweifel an den offiziellen Todesursachen hochrangiger russischer Politiker oder Manager wichtiger Unternehmen kommen immer wieder auf, allein schon, weil derartige Todesfälle in der russischen Elite nicht selten vorkommen und die Ermittlungen oftmals schnell eingestellt werden.
Vizechef von Ölkonzern stirbt nach einem Sturz aus dem Fenster
Noch in der vergangenen Woche hatte es etwa einen rätselhaften Todesfall gegeben. Der Vizechef des russischen Ölkonzerns Transneft, Andrej Badalow, sei nach einem Sturz aus dem Fenster gestorben, hieß es aus Moskau am Freitag (4. Juli). Auch hier wurde bereits kurz danach ein Suizid von den Behörden ins Spiel gebracht.
Ganz ähnlich war nach russischen Angaben im Herbst 2022 bereits der Vorstandschef des Ölkonzerns Lukoil gestorben. Rawil Maganow sei beim Sturz aus dem Fenster eines Moskauers Krankenhauses ums Leben gekommen, hieß es damals von den russischen Behörden.
Kremlkritiker: „Ehrlichster Weg, von den Sanktionslisten zu verschwinden“
Der Tod des ehemaligen Verkehrsministers – kurz nach seiner Entlassung durch Kremlchef Putin – weckt derartige Zweifel nun auch bei Russland-Experten. Es wäre „interessant zu wissen, mit wie vielen Schüssen er sich ‚selbst umgebracht‘ haben soll“, schrieb etwa der Historiker Matthäus Wehowski bei X.
Von Oppositionellen wie dem Bürgerrechtler Leonid Wolkow, einem Vertrauten des gestorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny, gab es unterdessen wenig Mitgefühl für Starowoit. Der ehemalige Verkehrsminister habe den „vielleicht ehrlichsten Weg gewählt, von den Sanktionslisten zu verschwinden“, schrieb Wolkow mit Blick auf westliche Sanktionen wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Es handele sich „möglicherweise um den besten Tag für den russischen Transport in den letzten 25 Jahren“, schrieb Wolkow auf der Plattform X außerdem. „Das Beste wird kommen, wenn Putin stirbt“, fügte der russische Dissident an. (mit afp)