Kinder ausgezogenNanu, wer bist denn du? Wenn Eltern plötzlich wieder zu zweit sind

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Kinder weg, endlich wieder Zeit zu lesen! Für manche Paare kann die Zeit zu zweit ungewohnt sein.

  • Jahrelang hat man sich um die Kinder gekümmert und sich selbst hintenan gestellt.
  • Wenn die Kinder irgendwann ausziehen, sind Eltern plötzlich wieder zu zweit. Das kann sehr ungewohnt sein.
  • Zwei Bücher geben Tipps für dem Umgang mit dem leeren Nest.

Köln – Und plötzlich ist da ganz viel Zeit. Jahrelang ist man mit Kindern durchs Leben gerast, hatte teilweise kaum Zeit zu duschen und sich anzuziehen, hat den Nachwuchs gefüttert und gewickelt, mit ihm gespielt, hat ihn zu Geburtstagen und zum Fußballtraining gefahren, sich durch die Hausaufgaben gequält, zu Partys gebracht, Autofahren geübt und für Prüfungen gelernt. Und dann ist er plötzlich weg. Ausgezogen: Womöglich sogar in eine andere Stadt oder ein anderes Land. Auf einmal stehen die Eltern, die jahrelang mit Kümmern beschäftigt waren, wieder alleine da und fragen sich: „Huch! Wer ist denn diese fremde Person, mit der ich seit 20 Jahren in einem Haus wohne?“

Wenn Kinder mit Anfang 20 ausziehen, sind Mutter und Vater nach vielen Jahren wieder auf sich allein gestellt. Das kann zunächst ungewohnt sein, weil sie jahrelang nur für ihre Kinder da waren und sie immer um sich hatten. Was fängt man also an mit all der neuen Zeit zu zweit?

Zurückgeworfen auf eine Zweisamkeit, die man nicht mehr gewohnt ist

Der Autor Michael Frey Dodillet versucht mit seinem Buch „Leeres Nest, volle Panik. Wie wir als Eltern den Auszug unserer Kinder überleben“ Antworten darauf zu geben. Er hat drei erwachsene Kinder und erzählt sehr persönlich über deren Kindheit und Jugend, mit allen Freuden und Sorgen. 

Das Buch beginnt mit einer Szene im Auto. Es ist Sommer 1999, die Familie im Urlaub. Hinten sitzen drei Kinder, die alle etwas wollen: Essen, anhalten, eine neue Windel, Hände abwischen. Mittendrin liegt der Hund und kotzt ins Auto. Stress pur.

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Die gleiche Szene 20 Jahre später. Im Auto sind nur noch Mutter und Vater, sie haben alle Ruhe der Welt, um ein entspanntes Päuschen samt Nickerchen zu machen und anschließend gemütlich ins Restaurant zu gehen. „Für welche Lebenssituation braucht es alle Kraft, Kreativität und Energie, die euch zur Verfügung stehen? Welche Szene geht euch, wenn ihr länger darüber nachdenkt, wirklich an die Nieren?“, fragt Dodillet die Leser.

Seine durchaus überraschende Antwort: „Die zweite natürlich! Das Chaos der ersten Szene kriegt ihr immer in den Griff. Eltern sind Improvisationskünstler. Die zweite ist wirklich das Problem. Die Kinder sind nämlich nicht mehr da. Alle Schlecker- und Kleckermäuler, alle Boah-Ey-Weiter-Woller und Baaaah-Kräher sind erwachsen und weg. Zurück bleibt das Pärchen von damals, das gemeinsam drei Kinder großgezogen und sich jahrelang nicht mehr um sich selbst gekümmert hat. Zurückgeworfen auf eine Zweisamkeit, die es gar nicht mehr gewohnt ist.“

Badezimmer wieder frei, Klamottenberge weg, kein Gezanke mehr

Auch zuhause sitzt niemand mehr am Tisch, den man mit strengen Blicken maßregeln kann. Das Badezimmer wird wieder begehbar, Klamottenberge und nerviges Gezanke sind verschwunden. Und plötzlich kommen die seltsamsten Marotten des Partners ans Licht: Hat er wirklich immer schon so laut geatmet? Gab es da nicht mal Leidenschaft? Dodillet fasst die Situation so zusammen: „Jetzt sitzen sich die beiden auf einmal gegenüber und reiben sich verwundert die Augen. So so, sagen sie. In dich habe ich mich also verliebt vor 25 Jahren. Sie sehen ziemlich mitgenommen aus, leicht ergraut, etwas krähenfüßig und bei weitem nicht mehr so knackig wie früher. Keiner von ihnen weiß genau, wie die nun kommende Phase ihres Lebens aussehen wird. Aber ihnen ist klar, dass alles entscheidend davon abhängen wird, wie viel von jenem glücklichen Liebespärchen aus den Neunzigern noch übrig geblieben ist. Womöglich haben sie sich selbst vergessen und nur noch aufs Elternsein reduziert. Oder sie haben sich – was für ein Albtraum – 20 Jahre lang nicht beim Namen, sondern nur noch mit Mami und Papi angeredet.“

Im Verlauf des Buches wird deutlich, das Dodillet und seine Frau ihre drei Kinder zwar sehr vermissen, sich gegenseitig aber immer noch sehr zugetan sind und sich gut verstehen. Für den neuen Lebensabschnitt ohne Kinder gibt er neun Tipps, die er alle von seinen Kindern gelernt hat: Vertrauen, Toleranz, Mut, Humor, Liebe, Neugier, Eigennutz, Aufrichtigkeit und Gelassenheit.

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„Ich dachte, sie ziehen nie aus.“ 

Auch die Autorinnen Lucinde Hutzenlaub und Heike Abidi widmen sich mit „Ich dachte, sie ziehen nie aus. Ein Überlebenstraining für alle Eltern, deren Kinder flügge werden“ dem leeren Nest. Abwechselnd schreiben sie darin über ihr Leben mit den Kindern und die Zeit nach deren Auszug.

Heike Abidi fragt zum Beispiel: „Wie oft haben Sie sich schon dabei erwischt, versehentlich viel zu viel Brot eingekauft zu haben? Oder ein Kilo Nudeln zu kochen statt maximal ein halbes Pfund? Wahnsinn, wie lange es auf einmal dauert, bis sich genug Schmutzwäsche für eine Waschmaschinenladung angesammelt hat. Und wie sauber das Haus jetzt ist!“

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Weiter überlegt sie, was sie nun mit all der freien Zeit anfangen soll, von der sie jahrelang geträumt hat? Entspannen und langsamer machen, lautet ihr Rat: „Sie haben nicht zu viel Zeit übrig, sondern sie sind einfach zu schnell! Ist doch ganz logisch: Jahrelang hat ein Termin den nächsten gejagt. Sie sind vom Fußballplatz zum Elternabend, vom Supermarkt zur Klavierstunde, vom Nachhilfelehrer zum Kindergeburtstag gerast, immer die Angst im Nacken, zu spät zu kommen. ‚Beeil dich!‘, haben Sie Ihren Kindern zugerufen, vermutlich unzählige Male, bis Sie dieses Motto irgendwann selbst verinnerlicht haben. Sich zu beeilen, wurde zu Ihrer Standardeinstellung.

Erwachsene Kinder mit guten Ratschlägen nerven

Auch die Angewohnheit, dem Nachwuchs gute Ratschläge zu erteilen, ist vielen Eltern in Fleisch und Blut übergegangen. „Und nun, da es Zeit zum Loslassen wird, gilt es, jede Gelegenheit dafür zu nutzen. Wenn Sie den Kindern nicht jetzt noch Ermahnungen, Lebensweisheiten und wichtige Botschaften mit auf den Weg geben können, wann dann?“, heißt es im Kapitel „Bullshit Bingo: Womit Sie Ihre erwachsenen Kinder extrem nerven können“.

„Wir erinnern uns zwar noch daran, wie sehr uns die Ratschläge mit 18 selbst genervt haben und glauben vielleicht, wir wären jung genug geblieben, die eigenen Kinder davor zu verschonen. Aber fragen Sie sich, wann Sie zuletzt etwas in dieser Art von sich gegeben haben? Nimm wenigstens den Pulli mit. Fahr nicht so schnell. Du verdirbst dir noch die Augen. Im Schatten ist es noch kühl. Schlaf vor Mitternacht ist der gesündeste. Wann besuchst du uns mal wieder? Konzentriere dich auf deine Ausbildung. Ruf gleich an, wenn du angekommen bist.“ Erwischt? 

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