Halb im Schloss, halb in Ehrenfeld4 Kölner Paare mit ungewöhnlichen Zweitwohnsitzen

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Linda Brunner und Benjamin Quiring mit Boxerhündin Alma in einer Wohnung im Schloss Allner bei Hennef. 

Köln – Die Corona-Pandemie ließ die Städte stillstehen und die Sehnsucht ihrer Bewohnerinnen und Bewohner nach dem Leben auf dem Land aufkeimen. Draußen war nichts mehr los. Drinnen, in der Stadtwohnung, wurde es eng. Aber muss es zwingend eine Entweder-Oder-Entscheidung sein? Nein! Vier Kölner Paare zeigen ihre außergewöhnlichen Zweitwohnsitze im Grünen und erzählen, wie es dazu kam.

Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit… als Linda Brunner, Benjamin Quiring und Boxerhündin Alma ein Schloss bezogen. Nicht nur, dass ihr neues Zuhause Schauplatz eines Märchens sein könnte. Auch wie es dazu kam, ist sagenhaft. Und das war so: Nach Monaten der Pandemie stellt sich das Paar Fragen wie: Was ist uns wirklich wichtig, wenn Partys, Konzerte, Freunde treffen nicht mehr möglich sind? Wie möchten wir leben? Arbeiten? Wohnen?

Nippes und Ehrenfeld, keine Orte für ein Leben mit Hund

Statt ihre Beziehung in zwei getrennten Wohnungen in Köln-Ehrenfeld und Nippes weiterzuführen, beschließt das Paar zu Beginn dieses Jahres, spätestens bis zu dessen Ende zwei Projekte abzuschließen: Einen Hund als neuen Mitbewohner und eine adäquate neue Unterkunft. Außerhalb der Stadt. Im Grünen. „Zunächst war da der Hundewunsch und die Einsicht, dass ein bisschen mehr Natur und frische Luft uns allen gut tun würde“, sagt Linda Brunner, „also überlegten wir, ob wir zentral wohnen bleiben wollen, in einer gemeinsamen größeren Wohnung in Köln, mit Garten, in Park-Nähe, am See. In einem Tiny-Haus? Oder ob wir die Wohnung in Nippes gegen eine besondere außerhalb von Köln eintauschen, in einem umgebauten Bauernhaus, Container oder einer Scheune?“

Unterwegs im Bulli als Auszeit von Köln 

Linda Brunner und Benjamin Quiring waren während der kontaktbeschränkten Zeit viel mit ihrem Bulli unterwegs. Mal weiter weg in Holland oder Portugal, aber auch in grünen Gegenden vor den Toren der Stadt. „Da haben wir gespürt, dass wir uns ein Leben außerhalb Kölns durchaus vorstellen können. Nicht ausschließlich, aber zusätzlich“, sagt Benjamin Quiring.

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Ein Zuhause wie im Märchen. 

Gespürt, getan. An einem usseligen Sonntag Anfang Februar legt das Paar einen Suchauftrag bei Immobilienscout an, macht seine Kreuzchen bei den Kategorien: Im Umkreis von 50 Kilometern, mit Garten/Terrasse, in der Nähe von Wald/Wasser/Wiesen, Tiere erlaubt. Schon vier Tage später, donnerstags, landet das Angebot im elektronischen Postfach: 65-Quadratmeter-Wohnung samt 30 Quadratmeter Terrasse in umgebauter Schlossanlage bei Hennef zu vermieten. Herrschaftszeiten!

Stadt versus Land: Wo die Deutschen wohnen

Nur 15 Prozent der Deutschen wohnen in Dörfern mit weniger als 5000 Einwohnern (Neun hat übrigens die kleinste Gemeinde Hallig Gröde). 30 Prozent sind in Großstädten zuhause. 79 gibt es in Deutschland, also Orte mit mehr als 100000 Einwohnern – vier davon sind Metropolen, die Millionenstädte Berlin (3,5 Millionen), Hamburg (1,7 Millionen), München (1,4 Millionen) und Köln (1,05 Millionen).

Wunsch und Wirklichkeit: Zwar lebt die große Mehrheit der Deutschen in der Stadt, trotzdem würden laut der „Großen Deutschland-Studie“ des ZDF 44 Prozent am liebsten auf dem Land leben, nur 13 Prozent sehen laut Umfrage die Stadt wirklich als ihren Wunsch-Wohnsitz an.

Das liegt sicher auch daran, dass die Mieten in den Großstädten 27 Prozent über dem Durchschnitt der Landkreise liegen, die Immobilienpreise bis zu 50 Prozent, wie in den Metropolen Köln und Düsseldorf – und deren näheren Umgebung.  

Mit 50 Mitbewohnern im Schloss samt Park und See

„Klar, wir träumten von etwas Besonderem, wie gesagt, aber ein Schloss? Benni meinte sofort, dass das eine Fake-Anzeige ist, konnte ja gar nicht anders sein.“ Aber da das Paar nichts zu verlieren hat, schreibt es umgehend eine E-Mail an die Vermieterin. Erzählt darin offen und blumig von seinen Wünschen und Träumen. Davon, dem Boxer-Welpen Alma ein artgerechteres Zuhause zu bieten – und sich selbst eines der etwas anderen Art. Oder davon, dass man des Großstadtlebens hier und da überdrüssig sei, aber auch nicht ganz darauf verzichten, Stadt- und Landleben vereinen wolle. Für wie lange war erstmal noch unklar.

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Das alte Gemäuer im Wohnzimmer erinnert das Paar täglich daran, dass es in einem Schloss lebt.

Was Wohnungssuchende in Köln nicht gewohnt sind: Die Antwort der Vermieterin kam postwendend. Und mit ihr die Einladung, die Wohnung doch alsbald zu besichtigen. Drei Tage später, sonntags, ist der Mietvertrag unterschrieben. Linda Brunner und Benjamin Quiring mussten nicht lange überlegen, auch weil die Wohnung im Schloss und das kleine Appartement zusammen in etwa so teuer sind, wie es eine größere Wohnung in der Stadt gewesen wäre. „Trotzdem hat sich das absurd angefühlt“, sagt Brunner, „tut es noch heute“, ergänzt Quiring. Und meint damit die Tatsache, seit 1. Mai in einem Schloss zu wohnen. Gemeinsam mit 50 anderen, die kleine und große Appartements, Lofts oder Häuser auf der Anlage von Schloss Allner bewohnen; die nicht nur eine Terrasse sondern gemeinsam einen Schlosspark als Garten nutzen, fünf Minuten Fußweg entfernt von einem See und ein wenig weiter von der Sieg, umgeben von Wald und anderem Grün.

Die Homeoffice-Regel macht's möglich

„Ich sitze hier, schaue während der Arbeit am Schreibtisch zum großen Fenster hinaus, wenn wir im Wald spazieren gehen, können wir die Rehe beobachten, das ist schon sehr verrückt alles“, sagt Linda Brunner. Die 38-jährige Wirtschaftsingenieurin arbeitet für ein IT-Projekthaus mit mehreren Standorten in Deutschland und hatte schon immer die Möglichkeit, egal von wo aus, im Homeoffice zu arbeiten.

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Ihr Lebensgefährte Benjamin Quiring, 34, Leiter redaktionelle Fortentwicklung des Kölner Stadt-Anzeiger, kann auch tageweise von zu Hause aus arbeiten. Wenn nicht, setzt er sich in die Bahn und ist in 30 bis 45 Minuten in der Stadt. Dafür, wie auch für Arzttermine, Konzert- oder Partybesuche, für Großeinkäufe oder Großstadtfeeling , gibt es ja noch die kleine Wohnung in Ehrenfeld. Zwischen Venloer und Subbelrather Straße. „Wir haben jetzt, je nach Stimmung und Gelegenheit, beides: City-Trubel oder Land-Idylle“, sagt Benjamin Quiring. Und man kann an seinem Blick erahnen, welch große Bereicherung das bedeuten mag.  

Laura Klemens gönnt sich Auszeiten von Weiß in einer Westerwälder Mühle

Ausgerechnet da, wo sich einst Müller einen harten Existenzkampf lieferten, verbrachte Laura Klemens an den Wochenenden und wann immer es sonst möglich war, eine idyllische Kindheit. Irgendwo im Nirgendwo, geografisch konkreter gesagt: tief im Westerwald, 1,5 Kilometer hinter dem winzigen Örtchen Niederhonnefeld, am Ende einer geteerten Straße, mitten im Wald gelegen.

30.000 Quadratmeter Land, ein See und Forellenteiche

Dort erfüllte sich ihr Vater Anfang der 80er Jahre mit dem Kauf einer Wassermühle aus dem 18. Jahrhundert samt 30.000 Quadratmetern Land, auf dem ein See, mehrere Forellenteiche und ein kleiner Bach beheimatet sind, einen Lebenstraum. „Unser Motiv war nicht etwa Stadtflucht, wir haben hier in Weiß schon immer dörflich gewohnt. Eher bewegte mich die Sehnsucht nach einem ruhigen Platz, an dem ich auch privat kreativ sein, ein gestaltendes Hobby ausüben kann, dazu, ein Ferienhaus im Grünen zu suchen“, sagt Volker Klemens, Lauras Vater und Inhaber einer Werbeagentur.

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Die Hümmericher Mühle liegt idyllisch im Westerwälder Fockenbachtal.

Anfang der Achtzigerjahre lernt er eine Gruppe von Management-Trainern des Kölner Instituts für angewandte Kreativität (IAK) kennen, die zu dieser Zeit im Westerwälder Bürdenbach auf dem Gelände des ehemaligen Eisenerzbergwerks „Grube Luise“ ein Seminarzentrum aufbauen. Auch Klemens ist dort häufig zu Gast und entdeckt auf seinen Streifzügen durch die Umgebung im Fockenbachtal die Hümmericher Mühle. Deren Besitzer betrieben auf dem Anwesen ein Ausflugslokal, suchten aber einen Käufer. Und fanden ihn mit Volker Klemens.

Ein Paradies - auch im Gästebuch

„Die ersten zehn Jahre waren mühsam, 30.000 Quadratmeter Land müssen erstmal in Schuss gehalten werden“, sagt Klemens heute. Doch die Möglichkeit, dort in jeder freien Minute die Landschaft gestalten, die überwuchernde Natur in den Griff zu bekommen („Der Wald frisst einen auf“) und mit ihr leben zu können, ließ ihn durchhalten. Seit zehn Jahren vermietet Volker Klemens sein Anwesen wochenendweise auch an Freunde und gute Bekannte, die er im Anschluss bittet, sich im Gästebuch zu verewigen. Das darin am häufigsten genannte Wort ist „Paradies“.

Freiheit in der Natur fördert die Selbstständigkeit

Das war es auch für Laura und ihre Cousine: „Wir hatten irre viel Natur um uns herum, am Anfang noch ziemlich verwildert und verwachsen, fast wie ein Urwald. Wir durften ihn alleine erkunden, streunten durch die Wälder und Bäche und quetschten uns durch die Gitterstäbe, die das Gelände des alten Bergwerks Luise umgaben, um uns dort in andere Zeiten zu versetzen“, sagt Laura Klemens und fügt an: „Das hat, im Nachhinein gesehen, unsere Selbstständigkeit enorm gefördert.“ Und den Blick auf die Natur, die Jahreszeiten geschärft.

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Laura Klemens hilft ihrem Vater so oft es geht, die 30.000 Quadratmeter Land in Schuss zu halten.

Langweilig wurde es den Kindern nie. Das gilt bis heute: „Im Sommer vertreiben wir uns die Zeit mit Schwimmen, Bötchenfahren, Stand-Up-Paddeln, Forellen-Angeln, seit einiger Zeit stehen ein Basketballkorb, eine Tischtennisplatte und ein Kicker bereit“, sagt Laura Klemens. Die weitläufigen Rasenflächen laden zum Feder-, Volley-, Fußballspielen und sogar zum Bogenschießen ein.

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Schmuckstück des Anwesens ist die Alte Wassermühle aus dem 18. Jahrhundert.

Im Herbst ist Kartoffel- und Apfelernte angesagt und im Winter, wenn die Temperaturen es hergeben, Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen See, Schlittenfahren auf den hohen Hügeln der Umgebung oder Entspannen in der Sauna. Kurz: „Jede Jahreszeit hat ihre eigenen Highlights“. Und die weiß inzwischen auch Laura Klemens fünfjähriger Sohn zu schätzen.

Mitten im Nichts vom Trubel der Stadt erholen

Man könnte wetten, dass sich der, wie seine Mutter damals auch, als Teenager so oft es geht auf den 50-minütigen Weg von Köln in den Westerwald macht. Platz ist zu Genüge – in den Betten

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Auch im Winter ein Traum: Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Forellenteich.

des alten Fachwerkhauses, der angrenzenden ehemaligen Gastwirtschaft oder einem Zelt auf der 10.000 Quadratmeter großen Wiese drum herum. „Wir können nirgends so gut abschalten wie dort, das geschieht übrigens schon in dem Augenblick, in dem man den Waldweg entlang fährt und sich urplötzlich und heute noch immer wieder unerwartet diese Idylle auftut“, sagt Laura Klemens, die als Redakteurin für diese Zeitung arbeitet. Schließlich gilt es, das Lebenswerk des Vaters weiterzuführen, in das er, wie er selbst sagt, „irre viel Energie, Spirit und Geld verwendet“ – und damit ein kleines Paradies geschaffen hat.

André Hammesfahrs Wochenend-Domizil ist das Architekten-Elternhaus der Schulfreundin

Die Zeitreise in die Vergangenheit nahm ihren Anfang vor dem offenen Kamin. Im Elternhaus von Nina Heydorn, die heute als selbstständige Designerin in Frankfurt lebt – und so oft es geht, Laptop und Hund Franky einpackt und in den Westerwald fährt. Um, nach dem Tod ihres Vaters vor zwei Jahren, im Dierdorfer Elternhaus nach dem Rechten zu sehen. Oder zu arbeiten. Eine Auszeit von dem Großstadt-Trubel Frankfurts zu nehmen. Umgeben von Wiesen und Wald statt Wahnsinnsverkehr und Wolkenkratzern.

Ein vom Himmel gefallener Kubus

Heydorns Schwestern wohnen hunderte und tausende Kilometer entfernt in Berlin und Amerika. Doch auch ihnen ist es eine Herzensangelegenheit, das außergewöhnliche Elternhaus, das ihr Vater, der Architekt Hans-Hermann Heydorn, 1963 erschuf, für die Nachwelt – und für sich – zu erhalten. Ein Haus, das den Dierdorfern seiner Zeit wie ein vom Himmel gefallener, futuristischer Kubus erschienen sein muss, und das es auf der Titelseite einer Architekturzeitschrift von 1971 geschafft hat.

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Nina Heydorn mit Franky, André Hammesfahr, seiner Schwiegermutter und Mischlingshund Fritz vor dem Architekten-Elternhaus.

In der Geschichte darin wird es als im Mid-Century-Modern-Style gestaltetes Gebäude beschrieben, angelehnt an die Internationale Moderne à la Le Corbusier oder Mies van der Rohe. Geprägt von klaren Formen, Linien und Kontrasten – aus Holz und Sichtbeton, Stahl und Glas, Keramik und Teppichboden. „Zum Glück wurden nicht alle kreativen Ideen unseres Vaters umgesetzt, so dass das Haus nach 60 Jahren immer noch, innen und außen, durch seine zeitlose Klar- und Schönheit besticht. Abgesehen von dem architektonischen Wert bleibt das Haus ein Zeugnis dafür, dass sich damals moderne Menschen auf dem Land niedergelassen haben beziehungsweise zur Existenzgründung zurückgekehrt sind“, sagt Ninas Schwester Maud Heydorn, die selbst die Großstadt vorgezogen und sich als Architektin in Berlin niedergelassen hat.

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Zeitlos schön: Das Wohnzimmer, abgelichtet in einer Architektenzeitschrift aus dem Jahr 1971.

Kalter Corona-Winterabend vor dem Kamin

Aber zurück zur Szene vor dem offenen Kamin, wo es sich Nina Heydorn und ihr Schulfreund André Hammesfahr, der vor 20 Jahren vom Westerwald nach Köln übersiedelte, an einem kalten Abend im Corona-Winter 2020 gemütlich machten. Und darüber sprachen, wie sie leben – und gerne leben würden. Was ihnen die Metropole bedeutet – und was die Heimat. Über die Wohnsituation in der Stadt – und auf dem Land. Und wie man die 160 Quadratmeter Elternhaus, die zu oft im Jahr ungenutzt sind, mit Leben füllen, langfristig finanzieren könne.

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Der besagte Kamin, vor dem es sich die Schulfreunde schon in den Achtzigern gemütlich machten.

Zwar sind die Nebenkosten durch die Vermietung des Garten-Bungalows und des ehemaligen Architekten-Büros gedeckt, „aber man weiß ja, wie schnell so ein Mietverhältnis enden, und wie lange es auf dem Land dauern kann, bis man neue Mieter gefunden hat“, sagt Nina Heydorn. Hinzukommt, dass die 50-Jährige regelmäßig beruflich in Italien unterwegs ist, „und ich deshalb nicht jederzeit nach dem Haus schauen kann, in dem immer häufiger Reparaturen anfallen.“

Eine WG für Freunde, die die Heimat besuchen

Was sie an besagtem Winterabend schon einmal tat. Und woraus sich ein Gedankenaustausch über WGs, Kommunen, Kibbuze und andere alternative Wohn- und Lebensformen entspann, mündete in der Idee: Was, wenn Freunde, die ihre Eltern besuchen oder anderweitig Zeit in ihrer Heimat verbringen wollen, das wunderbare Haus samt Garten nutzen und sich dafür mit einem kleinen Obolus an den Kosten beteiligen?

Vom Zollstocker Zuhause in die alte Heimat

Sechs Monate ist das her. Seitdem waren Hammesfahr, seine Freundin und Hund Fritz schon fünf Mal im Heydornschen Elternhaus. Um dort, 80 Kilometer von ihrem Zollstocker Zuhause entfernt, für ein paar Tage den wilden Wald und die weiten Wiesen zu genießen und dabei auch ihre Mütter oder Freundin Nina zu besuchen. Um, wenn die gerade wieder einmal in Mailand ist, den Heizungsinstallateur ins Haus zu lassen.

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Im "Bauhaus-Stil" gebauten Garten-Bungalow fanden wilde Partys statt.

Oder um sich für einen Moment in die Jugendzeit der Achtziger zurück zu versetzen. Als die drei Teenager viele Abende vor dem offenen Kamin verbrachten, und darüber sprachen, wo sie einmal leben wollen. „In der Stadt, das wusste ich schon immer“, sagt André Hammesfahr, „aber das Landleben ganz aufgeben, konnte und wollte ich mir auch nicht vorstellen.“ Seit einem halben Jahr kann er beides vereinen, zumindest an den Wochenenden und wann immer es sein Job als freiberuflicher Editor für Dokumentarfilme zulässt.  

Franka und Felix haben sich ein kleines Paradies am See bei Venlo gekauft

Durch Corona hat Köln für uns enorm an Attraktivität verloren“, sagt die zweifache Mutter Franka H*. Und meint damit, dass sie und ihr Mann Felix lange nicht das ausnutzen konnten, was die Stadt Familien mit Kindern in Pandemie-freien Zeiten an Freizeit-Angeboten bereithält. Schwimmbad, Spielplatz, Skaterpark waren geschlossen und wenn nicht, dann nur mit viel Organisationsaufwand zu besuchen. Die sehr aktiven Söhne Tim, 7, und Toni, 3, waren kaum noch in der Sülzer Wohnung zu bändigen. Eine Ausweich-Unterkunft musste her. Ein kleines Häuschen mit pflegeleichtem Grundstück, vielleicht im Grünen, oder am Wasser, im Wald, etwas mit viel „Auslauf“ und Natur für die Jungs.

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Fantastische Aussicht auf den See von der Veranda aus.

Erfolglose Suche nach einem deutschen Wochenend-Haus

Denn schon bevor die Pandemie ausbrach, war es für das berufstätige Paar schwer und kostenintensiv, die langen Ferienzeiten in Schule und Kita zu überbrücken. „Schnell zu erreichen und bezugsfertig sollte es sein. Wir dachten zuerst an ein Wochenendhaus in einem Ferienpark oder auf einem Campingplatz in der Eifel oder im Sauerland“, sagt die 42-jährige Produktmanagerin. Aber dort und auch anderswo im Umkreis von 100 Kilometern wurde sie selbst nach monatelanger, allabendlicher Recherche auf sämtlichen Immobilienportalen im Netz nicht fündig. Zwar gab es freie Grundstücke, aber oft auch genaue Vorschriften, wie und mit welchem Mobile Home es zu bestücken sei – zumal deren Hersteller lange Wartelisten hatten. Kurz: „Es gab kein attraktives Angebot in puncto Preis-Leistungsverhältnis, Infrastruktur und Kinderfreundlichkeit.“ Das hätten, das wissen Franka und Felix H. nun, die Holländer wesentlich besser drauf.

Kinderparadies im niederländischen Ferienpark

Seit 1. Juli besitzt die Familie dort in einem Ferienpark bei Venlo ein Haus am See, besser gesagt: ein Mobile Home, 66 Quadratmeter groß, mit Veranda, eigenem Bootssteg, Kajak, Elektroboot und kleinem Garten. Es ist in zwei Teile zerlegbar, und, sollte es irgendwann einmal für einen anderen Ort bestimmt sein, in drei Stunden wieder aufgebaut.

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Allabendliches Ritual: Vater und Söhne angeln am eigenen Bootssteg, die Mutter chillt auf der Veranda.

Dafür ist aber bisher gar kein Grund in Sicht. „Die Infrastruktur im Park ist exakt auf Familien mit Kindern ausgelegt“, sagt Felix H., und zählt auf: Fußball-, Basketball-, Beachvolleyball-, Indoor- und Oudoor-Spielplatz, Tischtennisplatten, ein Frei- und ein Hallenbad, ein Boots- und ein Radverleih, ein Kinderclub mit Betreuung, Mini-Disco oder Graffiti-Workshop, es ist alles vorhanden – und noch viel mehr. „Die Holländer haben einfach ein Händchen für kindergerechte, gepflegte Ferienanlagen“, sagt Franka H.

Tausend Mal geklicktes Immobilien-Inserat

Die Kölner hatten Glück. Vor wenigen Jahren erst wurden die Seeparzellen erschlossen und waren im Nu vergeben, die Wartelisten ellenlang. Als Franka H. an einem verregneten Aprilabend wieder einmal am Rechner saß und das eBay-Kleinanzeigen-Angebot aufploppte, reagierte sie sofort. Gut so, denn kurze Zeit später war es schon 1.000 Mal geklickt. Aber Franka H. war schneller. Und damit eine von 50 Interessenten, mit denen die Eigentümer, die die Parzelle aus familiären Gründen nicht mehr bewirtschaften konnten, Kontakt aufnahmen. Eine von vier, die zwei Wochen später zum Besichtigungstermin eingeladen wurden. Und diejenige, die den Zuschlag bekam.

Große Freiheit für die Stadtkinder aus Sülz

Während Franka H. bei einem Skype-Gespräch von dem Glück erzählt, das beim Erwerb des kleinen Paradieses am See im Spiel war, und davon, wie sehr es das Familienleben entspannt hat, sieht man im Hintergrund, wie sich Vater und Sohn mit dem Motorboot nähern. Als kleiner Punkt am Horizont auf dem idyllischen See. Ausgestattet mit Angeln, fröhlichen Mienen und Schwimmwesten. „Die haben die Jungs gerade, bis sie sicher schwimmen können, noch sehr viel an“, sagt Franka H.. Und das ist auch die einzige Einschränkung die Tim und Toni hier an den Wochenenden und in der Ferienzeit erleben. Der Rest bedeutet für die Stadtkinder „Freiheit ohne Grenzen“. Oder, wie Franka H. es ausdrückt: „Einen idealen Ausgleich für die sehr urbane Wohn- und Lebenssituation in Sülz, die wir zwar sehr schätzen, die uns aber in Corona-, Kita- und schulfreien Zeiten sehr herausfordert.“

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Das Mobile Home von außen.

Die Entscheidung über das Investment für das neue zweite Zuhause war schnell getroffen: „Berechnet man die Kosten für die Kinderbetreuung in der Ferienzeit und Familienurlaube ab, hat sich das Häuschen schnell amortisiert“, sagt Franka H. Apropos Kosten: „Vor dem Frühstück ein paar Runden im See schwimmen, später ein wenig Angeln und abends auf der Veranda den Sonnuntergang genießen, das Leben hier ist eigentlich unbezahlbar“, schwärmt Felix H..

*Die Familie möchte um ihre Privatsphäre zu schützen, nicht mit vollem Namen genannt werden. 

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