Eine Droge als MedizinPro und Contra zum Cannabis-Anbau

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Anbau erlaubt: Chronisch kranke Patienten, denen außer der Droge Cannabis nichts gegen ihre Schmerzen hilft, dürfen diese in Ausnahmefällen Zuhause selbst zu Therapiezwecken anbauen.

Anbau erlaubt: Chronisch kranke Patienten, denen außer der Droge Cannabis nichts gegen ihre Schmerzen hilft, dürfen diese in Ausnahmefällen Zuhause selbst zu Therapiezwecken anbauen.

Köln – Am Dienstag fiel vor dem Kölner Verwaltungsgericht ein Urteil, das als "spektakulär" bezeichnet wird: Erstmals erlaubt ein deutsches Gericht, Cannabis selbst anzubauen - wichtiger Einschub: "zu Therapiezwecken, wenn den Kranken sonst nichts gegen die Schmerzen hilft".

Fünf Schmerzpatienten im Alter von 34 bis 61 Jahren hatten vor dem Kölner Gericht geklagt - und zwar im Prinzip gegen die Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte den Klägern den Cannabis-Anbau untersagt - auf Anweisung des Bundesgesundheitsministeriums. Zumindest bei drei der schwer kranken Kläger sah es jetzt das Kölner Gericht als erwiesen an, dass zum einen alternative Therapien bei ihnen nicht angeschlagen hatten. Und zum anderen sei es ihnen nicht möglich, die Beschaffung der aus Cannabis-Extrakt gewonnenen Medikamente in der Apotheke zu kaufen. Die kosten, so der Anwalt eines Klägers, zwischen 800 und 1000 Euro im Monat. Und die Krankenkasse übernimmt diese Kosten nicht. Das Urteil sei "eine Premiere in der deutschen Rechtsprechung", bestätigte Gerichtssprecherin Stefanie Seifert. Entschieden wurde aber nicht, dass nun jeder Bundesbürger auf dem Balkon seine kleine Drogenplantage hegen und pflegen darf. Das Kölner Urteil ist eine Einzelfallentscheidung mit strenger Auflage: Die Droge müsse, so das Gericht, vor Zugriffen Dritter gesichert werden.

Pro

Bezahlbare Hilfe

Tina Stommel spricht sich für den Eigenanbau von Cannabis aus.

Eigentlich ist es schon fast ein Hohn: Ausgerechnet das Bundesgesundheitsministerium war bislang dagegen, Schmerzpatienten auf bezahlbare Weise die Medizin zukommen zu lassen, die ihnen hilft. Warum? Aus Ignoranz: Cannabis, oder vielmehr die getrockneten Blüten, gelten in erster Linie als Freizeitdroge. Im Mittelalter war Cannabis eine anerkannte Heilpflanze, und noch im 19. Jahrhundert in Form von Extrakten eines der am meisten verschriebenen Medikamente, bis es aufgrund der einen Eigenschaft, nämlich seiner halluzinogenen Wirkung, verteufelt wurde.

Das Kölner Gericht hat einer schlichten Wahrheit stattgegeben: Was Patienten nachweislich hilft, sollte erlaubt sein. Und der Eigenanbau von Cannabis macht es als Medikament bezahlbar. Eine überfällige Entscheidung.

Contra

Falsche Therapie

Julian Stech ist gegen den Eigenanbau von Cannabis.

Kranke müssen die Medikamente bekommen können, die sie brauchen. Daran bestehen kaum Zweifel. Völlig anders gelagert ist allerdings die Frage, ob sie Verschreibungspflichtiges auch selber herstellen dürfen. Gegen Omas Heilkräutergarten hat sicher niemand etwas. Aber wo kommen wir hin, wenn sich die Cannabis-Rechtsprechung durchsetzt? Wer sich die Zuzahlungen nicht leisten kann, braut sich den Blutdrucksenker künftig selber? Jedem Härtefall ein eigenes Pharmalabor im Keller? Das kann doch wohl kaum die richtige Therapie sein. Wenn die Kranken, um die es jetzt ging, den Cannabis-Wirkstoff nachweislich benötigen, ihn aber in der Apotheke nicht bezahlen können, sind die Leistungen des Gesundheitssystems entsprechend zu korrigieren. Was spricht eigentlich gegen diese Lösung?

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