Trotz hohen RisikosWarum sich manche Menschen nicht mit Corona infizieren

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Symbolbild negativer Coronatest

Der Corona-Test ist negativ, trotz vieler Risikokontakte: Wie kann das sein?

Köln – „Corona? Hatte ich noch nicht.“ Bei einigen Menschen scheint das Coronavirus einfach nicht landen zu können. Enger Kontakt zu Infizierten, der gesamte Haushalt hatte positive Tests. Nur die eine Person infiziert sich nicht. Wie kann das sein?

Beim Krankheitsverlauf von Covid-19 ist immer wieder die Rede von Risikofaktoren, die einen schweren Verlauf verursachen können. Oder, im umgekehrten Fall, eben einen milden Verlauf. Solche Faktoren gibt es auch bei der Frage, ob man sich überhaupt infiziert. Einige überschneiden sich sogar. Eine wissenschaftlich erwiesene Liste gibt es nicht – allerdings Ansätze, die eine Erklärung liefern können. Vieles hat mit dem Immunsystem zu tun. Aber es gibt auch andere Faktoren, die dazu führen können, dass sich Personen trotz intensiver Risikokontakte nicht anstecken. Oder das Virus so schnell ausschalten, dass die Tests negativ bleiben.

Alter

Mit dem Alter setzt nach und nach eine Immunoseneszenz ein. Das Immunsystem wird langsamer und springt schlechter auf Krankheitserreger an. Das betrifft sowohl die angeborene als auch die erlernte Immunabwehr. So fanden Forschende aus Kolumbien heraus, dass die Anzahl an noch nicht eingesetzten T-Zellen, die für die Identifikation und Abtötung von infizierten Zellen zuständig sind, mit dem Alter nachlässt.

Das lässt sich auch bei der Wirkung von Corona-Impfungen erkennen. Ältere Menschen produzieren langsamer und weniger Antikörper und T-Zellen gegen Sars-CoV-2, wie unter anderem eine Untersuchung der Charité in Berlin zeigt. Deshalb sind Auffrischungsimpfungen bei ihnen noch wichtiger als bei Jungen. Und auch andere, ganz simple Veränderungen im Alter spielen eine kleine Rolle. So führt der Rückgang von Muskelmasse und der Kraft bei älteren Menschen zum Beispiel dazu, dass der Hustenstoß schwächer wird.

Geschlecht

Auch das Geschlecht spielt eine Rolle. Frauen haben ein stärkeres Immunsystem als Männer. Grund dafür ist laut eines Teams von Molekularbiologen um Claude Libert von der Universität Gent microRNA, die auf dem X-Chromosom, nicht aber auf dem Y-Chromosom vorhanden ist. Da Frauen zwei X-Chromosomen, Männer hingegen ein X- und ein Y-Chromosom haben, hätten Frauen zwei mögliche Reaktionen, die von Zellen verwendet werden können – Männer nur eine. Dass sich dies auch auf die Abwehr von Coronaviren auswirken könnte, zeigt eine Studie aus dem ersten Jahr der Pandemie. In dem entsprechenden Untersuchungszeitraum mussten von drei Millionen Covid-19-Fällen dreimal so viele Männer wie Frauen auf der Intensivstation behandelt werden.

Tageszeit

Im nächtlichen Schlaf ruht sich der Körper aus und tankt Kraft für den neuen Tag. Das macht auch das Immunsystem. Ausgeschlafen ist es deshalb morgens am stärksten. Trifft man früh am Tag auf Coronaviren, kann die Immunabwehr stärker reagieren. So fanden Forschende aus Tübingen und Lübeck heraus, dass die Funktion der in der Viren-Abwehr wichtigen T-Zellen bereits nach drei Stunden ohne Schlaf beeinträchtigt sei. Doch Vorsicht: In den Morgenstunden ist auch die Viruslast der Infizierten am höchsten.

Stress, Ernährung, Bewegung

Auch unsere Lebensweise wirkt sich unmittelbar auf die unsere Immunabwehr aus. Eine gute und ausgewogene Ernährung, die alle benötigten Vitamine abdeckt, Sonne und Wärme oder Bewegung an der frischen Luft – all diese Sachen halten das Immunsystem so auf Trab, dass dieses im Ernstfall gut und schnell reagieren kann. Auf der anderen Seite wirken sich Kälte, Schlafmangel, Stress, Zigaretten und Alkohol negativ auf die Immunabwehr aus.

Schutzmaßnahmen

Die allgemeinen Schutzmaßnahmen verhindern Infektionen und können bei konsequenter Anwendung auch bei Kontakten mit hohem Risiko eine Übertragung des Coronavirus verhindern. Dazu zählen unter anderem ausreichend Abstand, auch dann, wenn eine Person im eigenen Haushalt infiziert ist. Eine vollständige Isolation ist dabei natürlich nur schwer möglich. Konsequentes Tragen einer Maske, beispielsweise beim Toilettengang, minimiert aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich andere Menschen im gleichen Haushalt anstecken. Die Maske kann eine große Wirkung haben, wie ein Team der Max-Planck-Gesellschaft herausgefunden hat. Auch der Luftaustausch durch regelmäßiges Lüften ist wichtig.

Viruslast

Die Viruslast ist beim Kontakt mit der infizierten Person ganz entscheidend. Je geringer die Anzahl der Viren ist, die ein Körper aufnimmt, desto höher ist die Chance, dass das Immunsystem den Erreger neutralisieren kann, bevor dieser sich ausbreitet. Dabei kommt es auf den Schwellenwert an. Also die Dosis, die nötig ist, damit sich der Erreger im Körper ausbreiten kann. Bei einer höheren aufgenommen Viruslast ist dieser Schwellenwert schneller erreicht.

Je länger und intensiver der Kontakt mit einer infizierten Person ist und je höher deren Viruslast ist, desto mehr Viren kommen auch bei dem Menschen gegenüber an. Geschlossene Räume, die nicht gut durchlüftet werden, erhöhen das Risiko einer Infektion zusätzlich.

Antikörper

Antikörper werden als Folge eines Kontakts des Körpers mit einem Erreger produziert. Ausgelöst werden kann dies durch eine Infektion oder durch eine Impfung. Diese Antikörper sind ein wichtiger Teil des Immunsystems. Weil sie genau auf den Erreger zugeschnitten sind, können sie ihn schnell identifizieren und neutralisieren. Befinden sich viele Antikörper im Blut, wie es vor allem in den ersten Monaten nach einer Impfung der Fall ist, können Virusmengen bis zu einem bestimmten Wert neutralisiert werden, bevor sie die Chance haben, sich auszubreiten.

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Mit der Zeit sinkt die Anzahl an Antikörpern allerdings wieder. Gerade nach einer Infektion ist nicht sicher, wie lange ein entsprechender Antikörperspiegel vorhanden ist. Dieser hängt oft auch mit der Schwere der Infektion zusammen. Sind zum Zeitpunkt eines Corona-Kontakts aber viele Antikörper vorhanden, kann dies einer der Gründe sein, warum es nicht zu einer Infektion kommt.

Interferone

Interferone werden von einer Zelle gebildet, wenn eine Virusinfektion aufgetreten ist. Sie gehören zur ersten Abwehrlinie des Körpers, verteilen sich in ihm und lösen eine antivirale Antwort in Zellen aus, die noch nicht vom Virus befallen sind. Bereits nach ein bis zwei Tagen verlangsamt das die Virusvermehrung.

Je aktiver dieses System ist, desto besser und schneller kann es reagieren. Und desto schwerer haben es eindringende Viren, den Menschen zu infizieren. Bei Kindern ist dieses System sehr aktiv. So konnte ein Team von unter anderem der Berliner Charité herausfinden, dass Kinder in den oberen Atemwegen, wo sich Sars-CoV-2 verbreitet, mehr Interferone ausschütten als Erwachsene.

Dass das System der Interferone nicht immer vollständig funktioniert, liegt daran, dass Viren über die Jahre Mechanismen entwickelt haben, die diese Interferone stoppen. Forschende um Professorin Denisa Bojkova von der Goethe-Universität in Frankfurt fanden jedoch heraus, dass es der Omikron-Mutante im Gegensatz zu anderen Corona-Varianten nicht so gut gelingt, die Interferone zu stoppen.

T-Zellen

T-Zellen erkennen zum einen körpereigene Zellen, die von Viren infiziert wurden, und töten diese ab. Andere aktivieren B-Zellen, die daraufhin Antikörper bilden. Sie bilden also einen wichtigen Teil der Erreger-Bekämpfung im Körper.

Forschende in Großbritannien stellten fest, dass sich in den ersten Monaten der Pandemie einige Mitarbeitende im Krankenhaus nicht infizierten – obwohl sie einem hohen Risiko ausgesetzt waren. Bei 20 dieser Menschen fanden die Forschenden trotzdem erhöhte T-Zellen-Werte. 19 wiesen zudem das Immunprotein IFI 27 auf, eine „typische frühe Signatur von Sars-CoV-2“, die auf eine abgebrochene Infektion schließen lasse. Offenbar hatten sie sich doch mit Sars-CoV-2 infiziert, die Viren wurden aber abgewehrt, bevor sie Schaden anrichten konnten. Die Vermutung der Forschenden: Eine Infektion mit bereits vor der Pandemie grassierenden Erkältungs-Coronaviren könnte diese spezifischen T-Zellen, die nun wohl auch Sars-CoV-2 ausschalten können, gebildet haben.

Eine weitere Studie aus Großbritannien, die im September 2020 durchgeführt wurde, als noch kaum Menschen Kontakt zu dem Virus hatten oder geimpft waren, unterstützt diese These. 52 Personen wurden damals untersucht, die mit einer infizierten Person in einem Haushalt lebten. Die Hälfte dieser Personen steckte sich mit Sars-CoV-2 an. Die andere Hälfte nicht – diese 26 Menschen hatten eine höhere Anzahl an kreuzreaktiven T-Zellen, die durch einen früheren Kontakt mit Erkältungs-Coronaviren entstanden waren. „Hohe Level bereits existierender T-Zellen, die der Körper durch die Infektion mit anderen Coronaviren produziert, können gegen eine Covid-19-Infektion schützen“, sagte Studienautor Doktor Rhia Kundu vom Nationalen Herz- und Lungeninstitut des Vereinigten Königreichs.

Blutgruppe

Schon früh in der Pandemie waren sich verschiedene Studien einig, dass das Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs, aber auch das Risiko einer Infektion mit Sars-CoV-2 mit der Blutgruppe zusammenhängt. Auch ein internationales Forschungsteam um Forschende aus Kiel kam zu diesem Ergebnis. Demnach sorge die Blutgruppe A für ein höheres Infektionsrisiko. Menschen mit Blutgruppe 0 hingegen seien besser vor einer Covid-19-Erkrankung geschützt.

Mittlerweile liegen mehr als 40 Studien zu den Zusammenhängen zwischen der Blutgruppe und der Infektionswahrscheinlichkeit vor. Obwohl zwischen den einzelnen Studien zum Teil durchaus Diskrepanzen in den Ergebnissen bestanden, konnte eine Metaanalyse zeigen, dass die Blutgruppe 0 in der Tat weniger anfällig für Corona-Infektionen ist, als andere Blutgruppen. Der genaue Grund dafür ist allerdings noch nicht bekannt.

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