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Nach einer KrebserkrankungWelche Risiken bestehen bei der Rekonstruktion einer Brust?

Lesezeit 6 Minuten

Angelina Jolie ließ sich 2013 die Brustdrüsen entfernen. Ihr Brustkrebsrisiko war deutlich erhöht.

  1. Frauen mit Brustkrebs müssen sich häufig die Brüste entfernen lassen. Frauen, deren Erkrankungsrisiko hoch ist, stehen vor einer schweren Entscheidung.
  2. Zur Rekonstruktion von Brüsten kommen Eigengewebe oder Implantate in Frage.
  3. Eine Kölner Expertin erklärt beide Methoden, aber auch die Risiken.

Köln – Angelina Jolie, Jahrgang 1975, Schauspielerin und Ex-Frau von Brad Pitt, hat sich vor Jahren vorsorglich beide Brustdrüsen entfernen lassen. Sie hat einen Gendefekt, der in ihrer Familie gehäuft auftritt, wodurch das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, signifikant hoch ist. In die Hauthülle ihrer Brüste hat sich Jolie Implantate setzen lassen.

Implantate deshalb, weil Jolie nicht an Krebs erkrankt war und dies in ihrem Fall die risikoärmste Art der Rekonstruktion ist. Zudem hätte man für eine Rekonstruktion von zwei Brüsten mit Eigengewebe zu viel gebraucht, was bei einer so schlanken Frau wie Jolie kaum vorhanden gewesen wäre. Die Entscheidung, so wie Angelina Jolie sie traf, ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

Die Regel ist, dass Frauen jedweden Alters, die an Brustkrebs erkranken und operiert werden müssen, sich Fragen stellen, die sie nur mit Hilfe von versierten Ärzten lösen können: Wollen sie es dabei belassen, dass die Brust entfernt und auf jede Art der Rekonstruktion verzichtet wird? Wollen sie sich für eine BH-Prothese als Ersatz für die verlorene Brust entscheiden? Kommt für sie nur ein Implantat in Frage, auch wenn sie durch vergangene Skandale verunsichert wurden, oder fällt ihre Wahl auf eine Brustrekonstruktion aus Eigengewebe?

„Es ist onkologisch zu entscheiden, was das Beste ist“

Anette Kossmann-Meiré hat sich im zertifizierten Brustzentrum des St. Elisabeth-Krankenhauses in Köln-Hohenlind auf Brustrekonstruktionen spezialisiert und geht mit den an Brustkrebs erkrankten Frauen gemeinsam diese Fragen durch. Die Medizinerin hält nichts von dem oft formulierten Wunsch der Patientinnen, alles gleich radikal entfernen zu lassen, um das Risiko einer weiteren Brustkrebserkrankung auszuschließen. „Dass radikale Entscheidungen eine höhere Sicherheit geben, gesund zu bleiben, stimmt heute nicht mehr. Es ist onkologisch zu entscheiden, was das Beste ist.“ Psychische Probleme, so ihre Sicht, und die Angst vor möglichen weiteren Erkrankungen, behandele man nicht „mit dem Skalpell“.

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Psychoonkologen unterstützen die Patientinnen. Wenn die Angst vor einer weiteren Krebserkrankung sehr groß ist und in dem Wunsch mündet, auch die gesunde Brust entfernen zu lassen, wird ein psychologisches Fachgutachten erstellt. Auch die Frage, ob die Brust mit einem Implantat rekonstruiert werden soll oder lieber nicht, beschäftigt die Frauen sehr. Kossmann-Meiré: „Zu mir kommen Frauen in die Sprechstunde, die 15 oder 20 Jahre ohne rekonstruierte Brust gelebt haben und die mir sagen: Ich dachte, das ist richtig und ich muss damit leben. Aber das will ich jetzt nicht mehr.“

Brustrekonstruktion fast immer möglich

Ihrer Erfahrung nach, ist bei fast allen Frauen – auch viele Jahre nach einer Brustkrebs-Operation – eine Brust-Rekonstruktion möglich. Wer sich allerdings ein Implantat setzen lässt, muss wissen, dass möglicherweise ein Implantat-Wechsel erfolgen muss. „Implantate sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Nach 15, maximal 25 Jahren muss ein neues Implantat eingesetzt werden, entweder weil es defekt ist, sich verkapselt und weil die Form der Brust sich verändert hat.“

Implantat-Skandale in der Vergangenheit sorgen immer noch für Verunsicherung. Es muss bedacht werden, dass es zu einem seltenen anaplastischen, großzelligen Lymphom kommen kann. Weltweit sind etwa 800 Fälle bei rund 35 Millionen Implantat-Trägerinnen bekannt. 15 Fälle seien in Deutschland aufgetreten, sagt Kossmann-Meiré. Dass man an einem anaplastischen, großzelligen Lymphom erkranke, sei ein sehr geringes Risiko. „Die Erkrankung ist in der Regel gut heilbar. Es gab nur sehr wenige Todesfälle.“

Ursache für diese neue Erkrankung soll die raue Oberfläche der Implantate sein. Da dies bisher nur eine Vermutung ist, gibt es keine Empfehlung, diese Implantate auf jeden Fall zu entfernen. Generell aber gilt, dass Implantate, egal ob nach einer Brust-Rekonstruktion oder nach einer Brustvergrößerung, einmal jährlich mit Ultraschall untersucht werden sollen, um zu kontrollieren, ob das Implantat defekt ist oder ob Anzeichen einer Erkrankung aufgetreten sind.

Glatte Implantate sind längst tabu

Glatte Implantate, vor vielen Jahren noch üblich, sind mittlerweile längst tabu. In den USA und in Frankreich werden sie jedoch noch eingesetzt, obwohl sie viele Nachteile haben: Glatte Implantate drehen sich, wachsen nicht richtig ein, rutschen bei Brustvergrößerungen nach unten, sind weniger formstabil und verkapseln deutlich stärker.

In Deutschland werden fast nur Implantate mit rauer Oberfläche eingesetzt. Kossmann-Meiré: „Wir nehmen einen deutschen Hersteller. Der liefert uns viele unterschiedlich geformte Silikon-Implantate. Ob ein Implantat in Ordnung ist, können wir als Ärzte nicht feststellen. Äußere Schäden stellen wir fest, aber innere Rissbildungen nicht. Und wir müssen uns auf die Angaben des Herstellers verlassen, dass das Implantat ordnungsgemäß gefüllt ist.“

Info

Im Brustzentrum in Köln-Hohenlind werden Patientinnen von Dr. Susanne Brandner, Gynäkologin und Ärztin für Naturheilverfahren, insbesondere während der Chemotherapie betreut. Ihr Versorgungskonzept beinhaltet das Lindern von Symptomen und Nebenwirkungen während der Therapie, Aktivierung und Unterstützung der Selbstheilungskräfte, naturheilkundliche Selbsthilfestrategien und einen Therapieplan, der sich in die diversen Phasen der Krebstherapie integrieren und von den Patientinnen in Eigenregie anwenden lässt. (mas)

Rekonstruktionen mit einem Implantat eignen sich eher nicht, wenn die kranke Brust noch bestrahlt werden muss, weil das Risiko, dass die bestrahlte Brust sich verhärtet und verkapselt sehr groß ist. „Man macht es aber dennoch bei sehr, sehr schlanken Frauen, die nicht ohne rekonstruierte Brust leben wollen, aber nicht genug Eigengewebe haben, um daraus eine neue Brust zu formen.“

Die langlebigste und sehr natürlich aussehende Methode, die Krebs-operierte Brust zu rekonstruieren, ermöglicht das Eigengewebe. „Einmal rekonstruiert, bleibt die Brust in Form und verändert sich nicht mehr.“ Im Eigengewebe, aus dem die neue Brust geformt wird, kann sich kein neuer Brusttumor entwickeln. „Brustkrebs entsteht in Brustdrüsenzellen, die operativ entfernt wurden. Wenn der Hautmantel der Brust erhalten bleibt, besteht allerdings ein minimales Risiko, dass dort eventuell noch einzelne Brustdrüsenzellen sind. Aber im Vergleich zu früher wird heute sehr gründlich operiert.“

Die Eigengewebe-Rekonstruktion funktioniert nur bei Frauen, die genug davon haben. In der Regel wird aus dem Unterbauch sichelförmig ein breites Stück Gewebe samt Arterie und Vene herausgeschnitten, wodurch die Frauen automatisch eine Bauchstraffung erhalten. Wer sich allerdings schon einmal die Bauchdecke bei einem Schönheitschirurgen hat straffen lassen, der muss auf diese Variante verzichten. Falls das Bauchgewebe nicht reicht, nehmen Chirurgen alternativ Gewebe aus dem Gesäß, den Innenseiten der Oberschenkel und falls nicht anders möglich auch aus den Pölsterchen an den Flanken.

Wie eine neue Brustwarze entsteht

Um die Brustwarze neu zu formen, wenn sie bei der Operation mit entfernt werden musste, entnimmt man Gewebe aus den inneren oder äußeren Schamlippen, je nach Farbwunsch, oder aber „bedient“ sich an der noch gesunden Brustwarze, indem die Wiederherstellungschirurgin die gesunde Spitze teilt. Falls das mangels Masse nicht möglich ist, nimmt Kossmann-Meiré aus dem noch vorhandenen Mantel der operierten Brust ein wenig Haut und Unterhautfettgewebe, um daraus eine Brustwarze zu „basteln“.

Zur Person

Dr. Anette Kossmann-Meiré, 57 Jahre alt, ist Fachärztin für Allgemein-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie mit dem Schwerpunkt Brustrekonstruktion. Die Ärztin arbeitet am St. Elisabeth-Krankenhaus in Köln-Hohenlind.

Für den Brustwarzenhof ist im Elisabeth-Krankenhaus in Köln-Hohenlind ein Herr zuständig, der extra in die Klinik kommt und angeblich „die schönsten Brustwarzenhöfe macht, denn man muss es schon sehr oft gemacht haben, um es wirklich gut zu können“, so Kossmann-Meiré.

Die Pigmentierung der Brustwarzenhöfe hält maximal sieben Jahre. Je dunkler der Ton, desto schneller muss nachpigmentiert werden. Von einem besonderen Gestaltungswunsch rät die Expertin allerdings dringend ab: „Patientinnen wünschen sich gelegentlich, dass ihnen statt der Brustwarze eine Rose auf die Spitze der Brust tätowiert wird. Ich versuche ihnen das auszureden. Die Krebserkrankung ist ein Trauma, und dieses Trauma dokumentiere ich durch diese Kennzeichnung. Das heißt, ich werde immer wieder schmerzlich daran erinnert.“