Vasektomie immer beliebterSterilisation beim Mann – Paar erzählt vom Davor und Danach

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Die Entscheidung für eine Vasektomie sollte gut durchdacht sein, denn sie ist in den meisten Fällen nicht mehr rückgängig zu machen. (Symbolbild)

  • Wenn die Familienplanung abgeschlossen ist, entscheiden sich inzwischen immer mehr Männer auch in Deutschland zu einer Sterilisation.
  • Auch wenn die OP an sich nur ein kleiner Eingriff ist: Sie kann das Leben und Selbstbild nachhaltig verändern.
  • Ein Paar und ein Urologe erzählen über die besondere Zeit vor und nach der Vasektomie.

Köln – Robert (37) und Claudia (34), Eltern von Ben (4) und Tom (6, alle Namen geändert) erzählen offen und ehrlich über die Angst vor und die neue Freiheit nach der Vasektomie, der Sterilisation von Robert. Der Urologe Volker Wittkamp erklärt anschließend, wie eine Vasektomie abläuft und wem er sie empfiehlt.

Robert: „Als das zweite Kind da war, war ich 34 und ich wusste ziemlich schnell: zwei Kinder sind genug. Ich arbeite viel und wollte, dass unser Leben zu Hause wieder in geregelte Bahnen kommt. Außerdem haben wir lange mit Kondom verhütet, weil meine Frau wegen der Schilddrüsenerkrankung Hashimoto die Pille nicht verträgt. Die Sache mit dem Kondom wollten wir mit Hilfe der Vasektomie beenden. Ich fand es wichtig, dass Claudia sich nicht mehr um die Verhütung kümmern muss.

Nach dem ersten Beratungsgespräch beim Urologen war der Termin fix. Doch zwei Wochen vorher habe ich einen Rückzieher gemacht. Ich hatte gelesen, dass durch die OP später das Krebsrisiko steigen und noch andere Komplikationen geben kann. „Nein, du lässt dir nicht an deinem besten Stück rummachen“, habe ich damals in leichter Panik gedacht.

Ich habe den Termin also erstmal um ein halbes Jahr verschoben. Und es dann später aber tatsächlich durchgezogen. Weil der Wunsch mit dem Kinderthema abzuschließen bei mir einfach sehr groß war.“

Claudia: „Ich habe Robert die Entscheidung überlassen und ihn nicht gedrängt. Ehrlich gesagt war ich aber froh, dass er den Termin verschoben hat. Denn eine Vasektomie direkt nach Bens Geburt, das wollte ich nicht. Ich hatte dabei ein ungutes Gefühl. Was ist, wenn etwas mit dem Kind ist? Solche Gedanken gehen einem dann durch den Kopf und wir haben oft darüber gesprochen. Auch der Arzt hatte damals gesagt, dass Robert mit 34 Jahren ja noch sehr jung dafür ist.“

Robert: „Claudia war damals sogar richtig sauer auf den Arzt, weil er mich gefragt hatte, was denn wäre, wenn ich irgendwann eine neue Frau hätte, die noch Kinder will.“

Claudia: „Das fand ich damals ziemlich unverschämt. Denn unsere jetztigen Kinder werden ja immer Bestandteil von Roberts Lebens sein, egal ob wir uns trennen oder nicht, wovon wir natürlich nicht ausgehen.“

Robert: „Dann stand der Termin also fest. Montags morgens um 8 Uhr sollte es losgehen. Der Tag davor war die Hölle. Natürlich hatte ich Bedenken. Bei der OP geht ja jemand an dein Heiligstes. Auch wenn ich ein halbes Jahr Zeit hatte, mich intensiv damit zu befassen und wusste, zwei Kinder reichen mir völlig: Der Bammel war immer noch da.

Vor lauter Aufregung stand ich morgens schon um 7.15 Uhr vor der Tür der Arztpraxis. Am liebsten hätte ich mir ein Taxi gerufen und wäre wieder umgedreht. Doch dann habe ich mich mit den Arzthelferinnen an der Theke unterhalten, die waren sehr einfühlsam. Kurz danach ging es rein in den OP, der Narkose-Arzt hat mich vorbereitet. Ich musste auf diesen speziellen Stuhl, beide Beine auseinander, und wurde mit einem OP-Tuch zugedeckt. Ich bekam einen Zugang gelegt und hörte nur noch: „Wir leiten jetzt die Narkose ein, Sie werden gar nichts merken.“ Vier Sekunden und ich wusste nichts mehr. Letztendlich war das alles gar nicht so wild.“

Claudia: „Na ja, als wir dich abgeholt haben, warst du aber schon ziemlich fertig und konntest kaum laufen.“

Robert: „Als ich nach der OP im Nebenraum aufgewacht bin, habe ich nur gemerkt: Aua, es brennt. Doch dann sagte der Arzt, dass alles gut verlaufen ist. Meine Samenstränge hatten wohl eine besondere Form, deswegen wurde ein größeres Stück entfernt, dann verödet und wieder eingenäht. An diesem Tag war ich definitiv nicht arbeitsfähig. Ins Auto zu steigen war schon schwierig genug. Zu Hause habe ich nur breitbeinig auf der Couch gelegen.

Die ersten Stunden nach der Narkose taten ziemlich weh. Doch schon am zweiten Tag ließ der Schmerz nach. Dann konnte ich auch wieder ganz normal zur Toilette gehen. Zugegeben: ich hatte Panik, das erste Mal wieder zu ejakulieren. Aus Angst vor den Schmerzen. Das war dann auch tatsächlich unangenehm und hat gebrannt, doch schon beim zweiten Mal war alles in Ordnung. Auch beim späteren Fädenziehen beim Arzt hat es nur leicht geziept. Erektionsschwierigkeiten gab es nie. Heute bin ich total glücklich mit meiner Entscheidung.“

Claudia: „Ich auch. Als Frau merke ich heute keinen Unterschied zu früher. Nach der OP war die Sperma-Konsistenz ein wenig dünner, aber jetzt kann ich keinen Unterschied mehr feststellen. Die OP ist jetzt auch schon zwei Jahre her und wir denken heute gar nicht mehr daran. Insgesamt ist Roberts Entscheidung für mich als Frau extrem befreiend gewesen. Ich hätte körperlich kein drittes Kind mehr geschafft. Jetzt ist das kein Thema mehr und der Kopf endlich frei.“

Robert: „Für uns hat sich die Vasektomie auf jeden Fall gelohnt. Interessant finde ich, wenn ich mich mit anderen Männern darüber unterhalte, wie viele plötzlich sagen: Ich habe das auch machen lassen.“

„Die Befürchtung dass nichts mehr steht oder fließt, ist unnötig“

Herr Wittkamp, wieso wird die Vasektomie in Deutschland immer beliebter? Volker Wittkamp: Männer fragen immer häufiger nach, wie sie sich an der Verhütung beteiligen können, um der Frau die Pille zu ersparen. Und die Sterilisation bei der Frau ist ein weitaus riskanterer und größerer Eingriff als eine Vasektomie.

Zur Person und zum Buch

Facharzt Volker Wittkamp, Jahrgang 1983, studierte Medizin an der Universität Bonn. Er arbeitete mehrere Jahre als Assistenzarzt in der klinischen Urologie in Bergisch Gladbach und Köln, zuletzt war er in einer urologischen Praxis tätig. Er lebt mit seiner Familie in Köln. Volker Wittkamp:  Fit im Schritt. Wissenswertes vom Urologen. Piper TB, 235 Seiten, zehn Euro.  

Was sind die möglichen Komplikationen beim oder nach dem Eingriff? Wittkamp: Sie sind in der Regel sehr selten. Es kann zu einer Allergie auf die Lokalbetäubung kommen, zu Blutergüssen, Schmerzen im Hoden, Infektionen oder Gefäß- und Nervenverletzungen. Die meisten Vasektomien verlaufen aber komplikationslos.

Was sind die konkreten Ängste der Männer?

Wittkamp: Manche befürchten, dass danach nichts mehr steht oder fließt, aber das stimmt nicht. Auf die Erektionsfähigkeit hat die OP keine Auswirkungen. Der Mann kann auch weiterhin ejakulieren, nur ohne Spermien. Da das Ejakulat aber sowieso hauptsächlich aus Samenblasenflüssigkeit und Prostata-Sekret besteht, sind Aussehen und Beschaffenheit nach der Vasektomie nahezu identisch. Auch auf das Orgasmus-Gefühl des Mannes hat der Eingriff in der Regel keine Auswirkungen.

Zahlen, Daten, Fakten zur Vasektomie

Etwa 50.000 Männer lassen sich jedes Jahr in Deutschland vasektomieren. Die OP ist ein vergleichsweise kleiner chirurgischer Eingriff. Meist wird dazu am Samenleiter ein kleiner Schnitt gemacht, etwa ein bis zwei Zentimeter lang. Die Samenleiter werden auf beiden Seiten durchtrennt und verödet und dann in unterschiedlichen Gewebsschichten eingenäht. Die Chance, dass sie wieder zusammenwachsen wird damit so gering wie möglich gehalten. Sie liegt nur bei etwa 0,4 Prozent. Damit stellt eine Vasektomie die sicherste Verhütungs-Methode dar.

Manche Ärzte bieten auch die Non-Skalpell-Methode an. Hierbei wird die Haut nicht aufgeschnitten, sondern angeritzt, aufgedehnt und aufgerissen. Vor der OP wird mit einer kleinen Spritze das Gebiet rund um die Hoden betäubt. Auf Wunsch kann auch eine Vollnarkose erfolgen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für den Eingriff nicht, sie liegen zwischen 450 und 600 Euro.

Was passiert nach der OP im Körper?

Wittkamp: Im Laufe der Zeit kommt es zu einem Rückgang der Spermienproduktion. Die weiterhin gebildeten Spermien werden nach der Vasektomie vom Körper wieder abgebaut. Um das sicherzustellen, gibt es zwei Spermienuntersuchungen, etwa 6 bis 8 Wochen und 3 bis 4 Monate nach der OP. Bis dahin sollte verhütet werden.

Welchen Männern raten Sie zum Eingriff - und welchen nicht?

Wittkamp: Wir Urologen erstellen ja kein psychologisches Gutachten. Wenn ein Mann sich sicher ist und mir glaubhaft darlegt, dass er keine Kinder will oder bereits genug hat, muss ich darauf vertrauen. Gut ist es, wenn im Aufklärungsgespräch auch die Partnerin dabei ist. Das ist aber kein Muss. Letztendlich unterschreibt der Mann für die OP.

In welchen Fällen ist die Operation rückgängig zu machen?

Wittkamp: Auch wenn das prinzipiell möglich ist, sollte die Vasektomie als dauerhaft betrachtet werden. In manchen Fällen können in einem aufwändigen Eingriff die Samenleiter wieder zusammengefügt werden, aber das klappt nicht immer. Deswegen habe ich als Arzt persönlich ein besseres Gefühl, wenn sich ein eher älterer Mann zu dem Eingriff entscheidet. Der Hauptgrund für eine Wiederherstellungs-OP ist meist eine neue Partnerin mit Kinderwunsch. Oder ein tragischer Fall, wenn das eigene Kind verstorben ist. Solch eine OP kostet ab 3000 Euro aufwärts.

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Wie erleben Sie die Männer vor und nach der Sterilisation?

Wittkamp: Vorher sind viele natürlich nervös und psychisch belastet. Danach merken sie, dass es gar nicht so schlimm war und sind sehr erleichtert. Sie müssen sich ein bis zwei Tage schonen und dürfen etwa sieben bis 14 Tage keinen Sport machen. Dann ist auch Sex wieder möglich.

Wie betrachten Sie als Urologe die OP?

Wittkamp: Auch wenn sie in einem sehr sensiblen körperlichen Bereich stattfindet: Der Eingriff ist für einen Urologen ehrlich gesagt nicht besonders anspruchsvoll. Viele wissen gar nicht, dass wir Urologen auch chirurgisch tätig sind. Da gibt es weitaus kompliziertere und längere Operationen.

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