Fakten zum WeltnichtrauchertagIn Deutschland rauchen mehr Junge, dafür ist Schweden bald rauchfrei

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junge Frau mit Kopfhörern und Zigarette im Park

Zigaretten sind bei jungen Menschen so beliebt wie lange nicht mehr.

Vor allem 14- bis 17-Jährige rauchen mehr Zigaretten. Warum das auch an zu laxen Regeln in Deutschland liegen könnte. 

Rauchen ist ungesund und teuer, das weiß jeder. Trotzdem hält dieses Wissen die Menschen offenbar nicht davon ab, weiter zu rauchen. Bei jungen Leuten ist der Anteil der Raucherinnen und Raucher sogar noch gestiegen, zeigen die Ergebnisse der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA), einer Langzeitstudie der Universität Düsseldorf, für die regelmäßig 2000 Menschen Auskunft geben. 

Immer mehr Minderjährige rauchen

Während der Anteil der Tabak-Raucher in Deutschland seit Jahren mit etwa einem Drittel der Bevölkerung auf einem stabilen Niveau bleibt, hat sich demnach der Anteil der Raucher unter den 14- bis 17-Jährigen innerhalb eines Jahres fast verdoppelt: 15,9 Prozent gaben an, regelmäßig Tabak zu konsumieren, 2021 hatte der Anteil noch bei 8,7 Prozent gelegen. Das bedeutet hochgerechnet, dass es etwa 200.000 mehr minderjährige Raucherinnen und Raucher gibt als 2021. Auch der Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas ist gestiegen, allerdings nicht so massiv wie bei den klassischen Zigaretten: 2022 lag der Anteil bei 2,5 Prozent, 2021 waren es noch 0,5 Prozent. 

Dabei waren in den vergangenen Jahrzehnten die Raucherquoten unter Jugendlichen eigentlich stetig gesunken. Warum die Zahlen jetzt wieder steigen, beantwortet die Studie nicht. Die Forscher vermuten, dass der Dauerstress durch Pandemie, Krieg in der Ukraine und Klimakrise wieder mehr Jugendliche zur Zigarette greifen lässt, auch wenn ihnen noch keine wissenschaftlichen Daten über die Motive vorliegen.

Rauchen ist für Jugendliche besonders gefährlich

„Dass vor allem junge Menschen wieder mehr und vor allem regelmäßig rauchen, ist besorgniserregend“, so Michael Falkenstein, Experte der Kaufmännischen Krankenkasse für Suchtfragen. Da sie sich noch im Wachstum befinden, ist Rauchen für Jugendliche besonders gefährlich, sie sind deutlich anfälliger für die körperlichen Folgen des Tabaks und werden auch schneller süchtig, da das Nikotin stärker auf das sich im Entwicklungsprozess befindende Gehirn wirkt.

Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, spricht sich für weitere Werbeeinschränkungen aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt noch viel früher und globaler an und fordert das Ende für die staatliche Subventionierung des Tabakanbaus in vielen Ländern. „Tabak ist für acht Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich, und trotzdem geben Regierungen weltweit Millionen aus, um Tabakfarmen zu stützen“, kritisierte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. Statt des für Landwirte und Raucher schädlichen Tabaks sollten Pflanzen zur Ernährung der Weltbevölkerung angebaut werden.

Deutschland ist im Umgang mit Zigaretten zu lasch

Vielleicht rauchen in Deutschland viele Jugendliche auch einfach, weil sie es können. Es gibt zwar mittlerweile an vielen Orten Rauchverbote, aber Tabakwaren kann man hier recht problemlos in Supermärkten, Tankstellen und Kiosken kaufen. Viele andere Länder sind da schon weiter. So dürfen etwa ab kommenden Jahr niederländische Supermärkte generell keine Zigaretten und anderen Tabak mehr verkaufen. In Neuseeland ist der Verkauf von Tabakwaren für alle Geburtenjahrgänge nach 2009 verboten.

In Australien kostet eine Packung Zigaretten 27 Euro

Kritiker halten in Deutschland auch die Tabaksteuer für zu niedrig und verweisen auf Australien: Dort kostete 2022 eine Packung Zigaretten im Schnitt mehr als 27 Euro, in Deutschland waren es rund sieben. „Wir wissen, dass hohe Preise weniger Raucher bedeuten“, so Rüdiger Krech, WHO-Direktor für Gesundheitsförderung. Zudem ist das Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten deutschlandweit nicht einheitlich geregelt. Nur in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland gilt ein absolutes Rauchverbot, in anderen Bundesländern gibt es Ausnahmeregelungen. Die Nichtraucher-Initiative Deutschland beklagt einen „Flickenteppich an Regelungen“. Ein bundesweites, striktes Rauchverbot wäre ihr zufolge nötig.

Bis 2007 durfte man am Arbeitsplatz und in Zügen noch rauchen

Seit den 1980er-Jahre werden Zigaretten in Deutschland als gesundheitsschädigend bekämpft, vorher galten sie als Genussmittel. Zuerst wurden schrittweise gefährliche Inhaltsstoffe wie Teer, Nikotin und Kondensat verringert. Dann folgten Werbeverbote und eine Kinder- und Jugendschutzklausel. Frei zugängliche Zigarettenautomaten verschwanden und Tabakwaren waren nur noch an überwachten Kassen erhältlich. Rauchverbote in Flugzeugen gibt es seit Ende der 1990er-Jahre, in Zügen, öffentlichen Einrichtungen, Restaurants und am Arbeitsplatz ist Rauchen erst seit 2007 verboten. Seit 2016 sollen Schockfotos und Warnhinweise auf den Packungen abschrecken. Genützt hat das alles offenbar nur bedingt.

Schweden will als erstes Land der Welt rauchfrei werden

Einen ganz anderen Weg geht Schweden. Als erstes Land der Welt will es in den kommenden Monaten rauchfrei werden. Konkret bedeutet das, dass die Raucherquote bei weniger als fünf Prozent liegt. Auch Großbritannien, Frankreich und Kanada streben dieses Ziel in den kommenden Jahren an. Die EU hat sich ein Ende des Tabakkonsums bis 2040 vorgenommen. 

„Der Spiegel“ dröselt in einem Artikel auf, wie die Schweden bei einem Packungspreis von rund sechs Euro den Kampf gegen die Zigarette gewonnen haben. Als Hauptgrund wird genannt, dass dort bereits seit 2005 ein Rauchverbot in der Gastronomie besteht. Seit 2019 gilt das Verbot auch auf den Außenflächen von Bars und Restaurants, an Bushaltestellen, Bahnsteigen sowie auf Sport- und Spielplätzen. Rauchen gilt in Schweden als unerwünschtes Verhalten. 

Statt Zigaretten nutzen die Schweden den Oraltabak „Snus“

Ganz so einfach scheint es den Schwedinnen und Schweden aber auch nicht zu fallen, auf Nikotin zu verzichten. Dem Spiegel-Artikel zufolge greifen viele auf den Oraltabak „Snus“ zurück. Snus gilt als moderne Form von Kautabak, ist in Portionsbeutelchen abgepackt und besteht aus fein gemahlenem Tabak mit Aromen, Salz und Wasser. Er wird hinter die Oberlippe geklemmt und gibt bis zu 30 Minuten lang Nikotin in die Blutbahn und in das Gehirn ab. Das passiert langsamer als beim Inhalieren, vermittelt Abhängigen aber dennoch ein Gefühl von Entspannung. Nach Spiegel-Angaben nutzen 20 Prozent der Männer und rund sieben Prozent der Frauen in Schweden Snus jeden Tag. „Das Land mag sich künftig als rauchfrei brüsten, aber es ist weit davon entfernt, tabak- oder nikotinfrei zu sein“, folgert der Spiegel.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg ordnet den rauchlosen Tabak wegen seiner starken Suchtgefahr als gesundheitsschädlich ein. Er gebe während des Konsums ähnlich viel Nikotin ab wie Zigaretten. Teilweise werde über den Tag verteilt mit Kautabak sogar mehr Nikotin aufgenommen als mit Zigaretten. „Konsumenten von rauchlosem Tabak werden genauso abhängig wie Raucher und Jugendliche, die Snus konsumieren, zeigen sogar stärkere Abhängigkeits- und Entzugssymptome als Raucher“, heißt es in einem Merkblatt zum Thema. Zudem könnten die enthaltenen krebserregenden Substanzen Krebs in Bauchspeicheldrüse, Mundhöhle und Speiseröhre auslösen. 

Snus ist in der EU nur in Schweden erlaubt

Interessant zu wissen: Snus ist in der gesamten EU verboten, nur für Schweden gilt eine Sonderregelung, da der Tabak hier als Tradition eingestuft wird. Kein Wunder also, dass das Land einen Sonderweg in puncto Rauchen geht. Für den Suchtforscher Heino Stöver ist dieser Weg dennoch richtig, da mit dem Oraltabak eine weitere Möglichkeit zur Rauchentwöhnung geboten werde. In Deutschland wie im Rest der EU sei die Gesundheitspolitik noch zu stark am Idealbild der Abstinenz ausgerichtet. Das aber, sagte Stöver gegenüber dem Spiegel, sei zu eindimensional. (mit dpa)

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