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Rentenlücke schließenWie man am besten fürs Alter vorsorgt

6 min
Die Vorstellungen über den Ruhstand variieren - ebenso der Geldbedarf dafür.

Die Vorstellungen über den Ruhstand variieren - ebenso der Geldbedarf dafür.

Experten empfehlen, 15 Prozent des Bruttogehalts fürs Alter zurückzulegen. Welche Anlagestrategien sich bewährt haben und wie Sie Ihr Erspartes später klug nutzen können.

„Die gesetzliche Rentenversicherung ist und bleibt die wichtigste Säule der Alterssicherung“, so die Deutsche Rentenversicherung im Internet. Reichen wird sie kaum.

Der Bedarf im Ruhestand

Manch einer hat große Pläne – vielleicht längere Reisen. Andere sehen, dass die Vorfahren steinalt geworden sind, und halten das Geld zusammen, damit es lange reicht. Ruhestand ist eine individuelle Angelegenheit. Ein paar Faustformeln gibt es aber.

Der Geldbedarf im Alter ist wohl geringer als während des Berufslebens, in dem Familien oft zwei Autos für die Fahrt zur Arbeit brauchten. Für die reine Lebenshaltung würden in den meisten Fällen 50 Prozent des letzten Nettogehalts ausreichen, heißt es beim Online-Portal Finanztip. Soll Geld für Hobbys da sein, sind es eher 65 Prozent. Und soll der Lebensstandard beibehalte werden, sind es ungefähr 80 Prozent des letzten Netto. Dafür muss gespart werden. Und das ist gar nicht so leicht. „Werden 60 bis 70 Prozent des letzten Nettogehalts erreicht, ist das gut“, sagt Martin Reuter, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. Da müssten sich viele schon ganz schön strecken.

Die Rentenlücke

Die Deutsche Rentenversicherung verschickt einmal im Jahr eine Information über die erworbenen Ansprüche. Es gibt auch Prognosen, wie sich die Brutto-Rente entwickelt, die ja mit den Löhnen steigt. Sie rechnet mit Steigerungsraten von einem und von zwei Prozent. Ein Wert dazwischen sollte zuverlässige Anhaltspunkte bieten. Zusätzliche Einnahmen, etwa aus Vermietung, sind zu addieren. Sozialabgaben von aktuell 12,5 Prozent auf die Rente und Steuern, die aber niedriger sein werden als im Berufsleben, sind abzuziehen.

Den Einnahmen sind gewünschten Ausgaben gegenüberzustellen. Hier können etwa 70 Prozent angesetzt werden. Wegen der Inflation, die Güter teurer macht, wächst der Bedarf allerdings. Gerechnet werden kann mit dem Zielwert der Europäischen Zentralbank für die Teuerung von zwei Prozent. Der Saldo gibt dann die Rentenlücke zu Beginn des Ruhestandes an.

Um zu ermitteln, wie viel Geld weiterhin erforderlich ist, müssen Annahmen getroffen werden. Die Lebenserwartung geschätzt werden. Und Experten warnen: In der Regel unterschätzen wir unsere Lebenserwartung. Die steigt – auch im Zuge des medizinischen Fortschritts. Rentensteigerungen und Teuerung beeinflussen die Entwicklung der Rentenlücke. Für all diese Berechnungen gibt es Hilfen im Internet, etwa bei Banken, Versicherungen oder Verbraucherschützern. Es hilft aber auch schon, den Geldbedarf zu schätzen.

Sparen nach Lebensphasen

Werden 15 Prozent des Bruttolohns beiseitegelegt, sollte die Rentenlücke oft zu schließen sein, sind sich Vorsorgeexperten einigermaßen einig. Wer früh mit dem Sparen anfängt, etwa mit 20 Jahren, kommt mit zehn Prozent hin, sagt Verbraucherschützer Reuter. Wer erst mit 40 spart, sollte einen Satz von 20 Prozent wählen. Wichtig ist natürlich, dass konstant gespart wird.

Kapitalbildende Lebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Garantiezins oder fondsgebunden stehen zur Vorsorge bei Verbraucherschützern wie Reuter nicht hoch im Kurs. Sie gelten ihnen als unflexibel und teuer. Auch gemanagte Fonds werden kritisch gesehen, weil hier spürbare Gebühren unter anderem für das Management anfallen, die die Renditen drücken, und das Management in der Regel nicht das halten kann, was vollmundig versprochen wird, so Reuter. Wer diese Instrumente nutzt, muss sich aber weniger Gedanken machen als die, die die Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen. Als weitere Option nennt Reuter für Ältere ab 50, die eine lebenslange Zusatzrente aufbauen wollen, freiwillige Einzahlungen in die Rentenversicherung, die dann die Altersrente erhöhen.

Verbraucherschützer setzen beim Sparen eher auf börsengehandelte Indexfonds (ETF). Gerade bei langen Zeiträumen bis zur Rente können risikoreichere Anlagen gewählt werden – etwa ein ETF auf den Index MSCI World, der die Wertentwicklung der größten rund 1500 Unternehmen in den Industriestaaten abbildet. Zwischenzeitliche Kursverluste können so ausgeglichen werden. Dabei hat es in einem rollieren Anlagezeitraum von 20 Jahren keinen Verlustzeitraum gegeben, wie etwa das Rendite-Dreieck des Deutschen Aktieninstituts für monatliche Einzahlungen ausweist.

Wer etwa von 2002 bis 2022 150 Euro pro Monat in den MSCI World investiert hätte, hätte bei Einzahlungen von 36.000 Euro ein Kapital von etwas über 100.000 Euro, Gebühren und Steuerzahlungen nicht berücksichtigt. Die Zukunft ist aber unsicher. Wie sich die die Renditen entwickeln, ist unklar. Beispielrechnungen geben aber zumindest Orientierung. Die Fondsgesellschaft iShares legt bei ihrem Sparplanrechner eine langfristige Rendite von 6,3 Prozent zugrunde. Wer 20 Jahre lang 150 Euro pro Monat anlegt, hat dann etwas mehr als 70.000 als „durchschnittliche hypothetische Rendite“, wie es heißt. Es wird aber auch ein Schwankungsbereich von etwas über 50.000 bis rund 90.000 Euro angegeben.

Wie sehr sich frühes Sparen lohnt, zeigt eine andere Rechnung. Ebenfalls ohne Steuern und Gebühren werden aus 150 investierten Euros pro Monat in 40 Jahren bei einer Rendite von fünf Prozent rund 230.000 Euro. Dafür kann sich der Anleger im Jahre 2065 aber deutlich weniger kaufen als derzeit. Das Geld entspricht bei einer unterstellten Inflation von zwei Prozent pro Jahr der Kaufkraft von heute rund 103.000 Euro.

30-jährige, die mehr verdienen dürften als der 20-jährige Berufsanfänger, sollte eher eine Sparrate von 250 Euro im Monat wählen, die bei gleichen Parametern nach 30 Jahren eine Summe von knapp 210.000 ergeben, die einer Kaufkraft von knapp 115.000 Euro entsprechen. Auch im Alter von 50 geht noch etwas. Werden 500 Euro im Monat gespart, werden daraus bei einer Rendite von fünf Prozent inflationsbereinigt knapp 100.000 Euro. Abhängig von der Risikoneigung kann das Geld aber in weniger stark schwankende Anlagen fließen, möglicherweise dann mit geringeren Renditen.

Und wer lange fleißig gespart hat, kann mit nahendem Renteneintritt sein Vermögen umschichten in Anlagen mit geringeren Schwankungen, vielleicht mit 60.

Die Ernte

Wie die private Vorsorge von 100.000 Euro die Rente aufstocken kann, haben Martin Weber und andere im Buch „Die genial einfache Vermögensstrategie“ in drei Varianten vorgestellt. Das Geld kann sicher angelegt werden und über, sagen wir einmal 25 Jahre, vollständig verbraucht werden bei konstanter Entnahme. In der zweiten Variante wird das Geld am Kapitalmarkt angelegt, bei konstantem Konsum. Das kann schiefgehen in dem Sinne, dass das Geld ausgeht, womöglich im hohen Alter, wenn es am dringendsten gebraucht wird. Wenn die Anlage erfolgreich war, bleibt Geld für Erben.

In der ersten Variante können unter der Annahme eines nominalen Zinses von drei Prozent und einer Inflationsrate von 1,5 Prozent 25 Jahre lang real 4745 Euro im Jahr verbraucht werden, bis das Geld weg ist. Dabei liegen die nominalen Zahlungen zwischen den erwähnten 4745 Euro, werden dann jeweils aufgestockt, um die Inflation auszugleichen, und betragen 6783 Euro im 25. Jahr.

„Wer Altersvorsorge betreibt, ohne die Inflation ins Kalkül zu ziehen, macht einen großen Fehler“, zeigt das für die Autoren. Durchschnittlich 4975 Euro real bei einer Entnahmerate von 5 Prozent gibt es pro Jahr bei der zweiten Variante. Hier erfolgt die Anlage zu 60 Prozent in weltweiten Aktien und zu 40 Prozent in weltweiten Anlagen, beides über börsengehandelte Indexfonds (ETF). Wer vorsichtiger ist, kann 4 Prozent des Kapitals entnehmen. Auch kann beim Entsparen nach längeren, schwachen Börsenjahren auch der Konsum eingeschränkt werden. Möglich ist auch – das ist die dritte Variante - nur den Ertrag der Anlage zu nutzen – bei dann schwankendem Konsum. „Das reicht aber nur bei sehr großen Vermögen“, gibt Verbraucherschützer Reuter zu bedenken.